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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

13. 1. 2009 - 19:04

Die kommen, die Filme (2)

Da sitzen wir also schon wieder und reden über unser Lieblingsthema, Joel Cairo, der Filmspion aus meinem Freundeskreis, und meine Wenigkeit.

Vielleicht wollt ihr euch ja auch diesmal unserem kleinen Gespräch anschließen...

CF: Zum Anfang schmeiße ich heute gleich mal ein paar Filme unterschiedlichster Natur kurz ins Gespräch, die meine kleine Welt irgendwie braucht. Da ist etwa die Doku 'Religulous', in der der bissige Stand-Up-Comedian Bill Maher sämtliche Weltreligionen auf äußerst fundierte Weise für obsolet erklärt.

JC: Bill Maher ist generell der Wahnsinn. Habe seine Talk-Show während der US-Wahl gesehen, als ich auf HBO auf neue Folgen von 'True Blood' gewartet habe.

Filmstill

Clinica Estetico/Marc Platt Productions

Rachel Getting Married

Aber zurück ins Kino. Bei 'Rachel getting married' war ich mir ja gut eine Stunde lang sicher, dass ich den Film nicht brauche, vor allem nicht von einem Routinier wie Jonathan Demme, der versucht, seinen Film wie einen ambitionierten Erstling wirken zu lassen. Aber irgendwie bin ich dann doch reingekippt, um danach mit ein wenig Abstand festzustellen, dass ich ihn eigentlich doch weiter empfehlen möchte. Anne Hathaway glänzt als derangierte Tochter einer dysfunktionalen Familie, deren Mitglieder ihre Probleme durch lässiges Bohemien-Gepose zu vertuschen versuchen.

CF: Wie wärs zum Beispiel auch mit 'Synecdoche, New York', dem Regiedebüt des Drehbuchgenies und Spike-Jonze-Spezls Charlie Kaufmann? Unser liebster verkorkster Kumpel Philip Seymour Hoffman gibt einen Bühnenautor, der mit seiner Arbeit, dem Leben und natürlich den Frauen hadert. Ich erwarte mir großes, komplett versponnenes Neurotikerkino.

Synecdoche, New York

Likely Story/Sidney Kimmel Entertainment

Synecdoche, New York

JC: Der Film beginnt als fast schon konventionelle Independent-Beziehungskomödie, wird aber schnell zu dem, was man sich von Kaufmann erwartet: ein aberwitziges, klug verschachteltes Puzzle, das man in dieser Form und vor allem mit einem solchen Budget sicher noch nicht gesehen hat. Leben und Traum verschieben sich, Fiktion und Realität beeinflussen und überlagern sich gegenseitig und ganz nebenbei geht es um die essentiellen Themen Leben, Sterben, Lieben und die Kunst. Frisches Debüt und philosophisches Alterswerk in einem.

CF: Ich hätte da auch noch 'Beverly Hills Chihuahua' anzubieten. Das versteht jetzt wieder keiner, aber ich hab mir den Trailer schon öfter angeschaut als den von 'Watchmen' oder 'Dark Knight'. Filme mit sprechenden Tieren sind ja Pflicht für mich, das ist eine meiner innigsten und tiefsten Faszinationen, seit dem Geniestreich 'Babe: Pig in the City'. Aber falls dir das zu unseriös ist, sollten wir ein paar Worte zum neuen Film von Danny Boyle verlieren. Vertrauliche Quellen sprechen von einem Meisterwerk, das man nicht so schnell vergisst.

Filmstill

Celador Films/Film4

Slumdog Millionaire

JC: 'Slumdog Millionaire' war im September in Toronto sicher der meist und vor allem euphorischst diskutierte Film. Leider saß ich während der Vorführung bereits im Taxi zum Flughafen. Meine Toronto-Favoriten waren ja Aronofskys 'The Wrestler' und der skurrile 'JCVD', aber ich kenne bisher niemanden, der nicht auf irgendeine Art und Weise von 'Slumdog Millionaire' begeistert wäre, siehe jetzt auch den Golden-Globe-Erfolg.


CF: Klingt zugegeben vielversprechend.

JC: Es gibt 2009 auch zwei Filme, bei denen ich mir nach wie vor nicht sicher bin, ob ich mich darauf freuen soll oder nicht. Zum einen ist da natürlich Quentin Tarantinos 'Inglourious Basterds', basierend auf Castellaris 'Ein Haufen verwegener Hunde'...

Filmstill

Universal Pictures/The Weinstein Company

Inglourious Basterds

CF: Hmm, schwieriger Fall. Ich mag Tarantino ja als Frauenregisseur am liebsten. Wie er die fantastischen Damenrunden in 'Death Proof' inszenierte, beeindruckte mich sehr, von der göttlichen Uma Thurman in beiden 'Kill Bill'-Teilen gar nicht zu reden. Die ingloriösen Bastarde hören sich aber wieder nach purem Bubenstoff an, da sehne ich mich nicht so sehr danach.

JC: Zum anderen möchte ich das 'Wolfman'-Remake mit Benicio del Toro erwähnen. Während ich ja schon bei Tarantino auf Edelschund voll mit Referenzen und Zitaten hoffe, muss ich bei 'Wolfman' natürlich gleich daran denken, wie Universal bei 'Van Helsing' gleich mehrere ihrer klassischen Horrorfiguren der Lächerlichkeit preisgab.

Apropos: Was wird dein Horrorhighlight 2009? <<

CF: Am sehnlichsten erwarte ich den neuen Film von Lars von Trier, der hat nach einer langen persönlichen Krise jetzt einen waschechten Horrorschocker gedreht.

JC: Aha. Wer die TV-Serie 'The Kingdom - Hospital der Geister' kennt, weiß, dass es bei Herrn von Trier ganz schön gruselig zugehen kann.

CF: 'Antichrist' wird wohl leider erst im Herbst anlaufen. Charlotte Gainsbourgh und Willem Dafoe ziehen sich darin als Pärchen, nach dem Tod ihres Kindes, in eine einsame Hütte im Wald zurück. Dort geht es erwartungsgemäß nicht mit rechten Dingen zu. Neben dem Nervenkitzel will uns Lars von Trier auch ernsthaft davon erzählen, dass es nicht Gott war, der die Welt erschaffen hat, sondern der Teufel.

JC: Das klingt allerdings nach einem groben Bruch zu seinem letzten Film 'The Boss of it all', einer Art dänisches 'The Office', das bei uns nie im Kino lief, obwohl er eigentlich durchaus gelungen und amüsant war.

CF: Das Lachen und die Panik liegen ja eng beieinander, in 'The Kingdom' oft nur eine Szene entfernt. Aber angeblich ist 'Antichrist' wirklich eine Annäherung an das latente Böse im Menschen. Und weil ich an das auch ganz fest glaube, bin ich umso gespannter, was ein großer weiser Mann des Kino wie Lars von Trier dazu zu sagen hat.

JC: Apropos Antichrist: Du hast in deinem Filmrückblick auf 2008 gemeint, es war das Jahr der Antihelden im großen Kino. Wird sich das heuer fortsetzen?

CF: In gewisser Weise sicher. Unser Spezialfreund Martin Scorsese schickt in der Verfilmung des genialen Romans 'Shutter Island' Leo DiCaprio als seelisch kaputten US-Marshall auf eine Gefängnisinsel, wo seltsame Dinge passieren. Hast du die Buchvorlage gelesen?

JC: Nein, leider nicht. Wird aber noch vor dem Kinostart nachgeholt. Aber die Kombination Dennis Lehane und Martin Scorsese klingt nach einem Traumduo. Allerdings kann man das inzwischen auch von der Kombination Scorsese/DiCaprio behaupten.

CF: Allerdings. Wenn ich zurückdenke, dass ich mal zum Kreis der Leo-Hasser gehörte, das hat sich mit 'Gangs Of New York' und 'The Departed' extrem verändert.

JC: Ich wag mal einen Themenwechsel, denn nach so viel Postapokalyse und Dunkelheit müssen wir optimistischer ausklingen, oder?

CF: Da hast du recht. Also, ich prophezeie mal, dass das amerikanische und britische Comedykino auch 2009 wieder in Topform sein wird, es gibt sicher genug zum Lachen. Da sorgt schon Maestro Judd Apatow dafür. Ich muss zumindest alles sehen, wo wahlweise Jason Segel, Seth Rogen oder Jonah Hill mitspielen, nach dieser Posse bin ich etwas süchtig geworden.

JC: Dann kann ich dir Kevin Smiths Komödie 'Zack and Miri make a Porno' mit Seth Rogen und Elizabeth Banks ans Herz legen. Zwei "beste Freunde" können die Miete nicht mehr zahlen und beschließen, durch einen Internetporno an Geld zu kommen. Wie bei Apatow ist es die Kombination aus herzerwärmender Romantik und brachialem Bubenhumor, die den Film sehenswert macht. Ebenfalls interessant wird sein, ob der österreichische Modereporter 'Brüno' alias Sacha Baron Cohen die von Borat gesetzten Standards erreichen oder gar übertreffen kann.

CF: Darf ich zum Ende noch als Kinogefühl das zufriedene, verklärte Lächeln ins Spiel bringen, mit einer kleinen Träne der Rührung im Auge? Ein Film, wo mich der Trailer schon in so eine Stimmung versetzt, ist eindeutig 'Star Trek'. Meine Kindheitshelden James T. Kirk, Mr. Spock & Co. melden sich zurück, allerdings radikal verjüngt. Der 'Lost'-Guru J. J. Abrams schickt das Raumschiff Enterprise zurück ins Kino, allerdings erzählt er in einem Prequel, wie das legendäre Weltraumabenteuer begann.

Filmstill

Bad Robot/Paramount Pictures/Spyglass Entertainment

Star Trek

JC: Ich muss ja zugeben, dass sich mir der Star-Trek-Kosmos nie voll und ganz erschlossen hat, aber Teil 11 wird auch für mich ein Pflichttermin. Wer, wenn nicht Mr. Abrams kann mich doch noch bekehren?

CF: Und ich krieg eine Gänsehaut, wenn ich nur dran denke. Denn was Abrams wirklich auszeichnet, ist sein Hang zum ganz klassischen Geschichtenerzählen, das ist kein öder Formalist, der nur auf aufgepimpte Bilder abzielt. Er verspricht schon jetzt, dass 'Star Trek', abseits aller Spannung und Schauwerte, den positiven Geist der Originalserie aufgreifen wird. Und, inmitten all der abgewrackten Antiheroen, finde ich es schön, dass es mal wieder um Verantwortung, Liebe und Optimismus geht. Das wird der Film zur Obama-Ära.

JC: Yes, we can.

CF: Live long and prosper!