Erstellt am: 13. 1. 2009 - 22:54 Uhr
Obamas Utopien (1)
Die Rhetorik des Versprechens
"Looking For A Leader" heißt der Song, in dem Barack Obama das erste Mal am Parkett des Pop verhandelt wird. "Maybe it's a woman, or a black man, after all. Maybe it's Obama but he thinks he is too young", dichtet Neil Young da 2006 vor sich hin, als ob er es schon gewusst hätte, dass der neue Leader Barack Obama heißen wird und als Nummer 44 in der Liste der amerikanischen Präsidenten schon vor seinem Amtsantritt Geschichte schreiben wird.
Alle anderen haben es spätestens während seines fehlerlosen Wahlkampfs, der den medialen Sommer des vergangenen Jahres umrahmte, geahnt. "Obama ist schon heute: die Alle-Menschen-wollen-doch-eigentlich-Brüder-sein-und-die-Welt-retten-Utopie" schreibt etwa der Spiegel nach Obamas Berlin-Besuch im Juli, und dass er "so etwas wie ein Weltpräsident" sein werde.
Eine "Politik der Lenkung von Wunschproduktion durch Images" sei es, die Obamas Wahlkampf ausmache, so Christoph Gurk in Spex, und die "Pop und Cyberspace, als Formen des Regierens zu verstehen gedenkt." Aber mehr als die Wahl der richtigen Medien und kulturellen Formationen ist es genau diese Wunschproduktion, auf der Obamas Erfolg baut.
"Yes, we can."
Es ist ein schwer überhörbares utopisches Moment, das mitschwingt, wenn vom neuen US-Präsidenten die Rede ist, eine Sehnsucht nach Gesellschaften/Wirtschaften/Politiken, die besseres versprechen als die gegenwärtigen. Obama operiert ganz bewusst mit Versprechen, und seine Reden wirken wie Einladungen zu einem Projekt, an dem jede/r mitzukonstruieren im Stande ist.
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Seine Reduktion von Gesellschaft auf ein postives 'Wir-Gefühl' ersetzt die vermeintlich schwierigeren Diskussionen über Multikulturalität und Diversivität, und es scheint ein neues 'homogenes' Amerika gefunden, in dem auch Begriffe wie Macht wieder in ein positives Licht gesetzt werden können. "Es gibt also nicht nur einen idealistischen, sondern auch einen machtstrategischen Idealismus. Die Wiedergewinnung der Macht und die Wiedergewinnung der Utopie sind zwei Seiten derselben Medaille", bemerkt der Soziologe Ulrich Beck über Obamas "brilliante Rhetorik" in der Frankfurter Rundschau und sieht die "Erneuerung der Inhalte der Politik" als "Königsweg zur Erneuerung der Macht der Politik".
Die historischen und philosophischen Quellen von Obamas Rhetorik sucht Robert Misik (Falter) einerseits bei einer "politischen Philosophie des Kommunitarismus, die Gemeinschaftstugenden hochhält, die betont, 'dass wir alle miteinander verbunden sind'" andererseits in der "traditionellen amerikanischen Linken, die anders als die europäische Linke den 'herrschenden Staat' nicht bekämpfte, sondern die Realisierung der egalitären Versprechen der amerikanischen Idee einforderte".
Agieren in der Krise
Den 'herrschenden Staat' nimmt Obama wörtlich, denn in Zeiten der Krise kann man sich gut auf einen Staat einigen, der aktiv lenkt und operiert. Und es scheint so, als ob die Finanzkrise Obamas Wahlkampf den letzten Schliff verpasst hätte. Sie ist die große Zäsur des Neoliberalismus der Ära Bush und pocht auf neue wirtschaftspolitische Rezepte.
Roosevelts Küche
Rezepte, die für Obama rasch gefunden waren, 'neu' deshalb aber nicht unbedingt, denn einen ähnlichen Weg aus der Krise ging schon Präsident Roosevelt während der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren. Nach dem Börsencrash von 1929 schnürte Roosevelt damals am Höhepunkt der Krise (1933) ein Paket an Reformen, das auf massiven staatlichen Investitionen basierte. Der Zweck: die Konjunktur des eigenen Landes ankurbeln.
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Eine Million Kilometer Straßen wurden gebaut, 77.000 Brücken, Schulen, Krankenhäusern und Flughäfen aus dem Boden gestampft. Die 30-Stunden-Woche wurde eingeführt und ein Steuersystem mit niedrigen Sätzen für die Armen und hohen Sätzen für die Reichen. Gleichzeitig sagte Roosevelt mit weitreichenden Sozialreformen den offenkundigen sozialen Problemen des gebeutelten Amerika den Kampf an und setzte damit den Grundstein für den amerikanischen Wohlfahrtsstaat: Er verbot Kinderarbeit, führte Mindestlöhne für Industriearbeiter ein, stärkte die Gewerkschaften und schaffte eine staatliche Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Beeinflusst war der 'New Deal', wie Roosevelts Reformen genannt wurden, von einem gewissen John Maynard Keynes. Ein Name, der auch in den vergangenen Monaten verstärkt reüssierte. Von einem Neokeynsianismus ist da die Rede und einem "new New Deal".
New New Deal
Die Maßnahmen, mit denen Barack Obama den Weg aus der amerikanischen Wirtschaftskrise weisen will, kommen dem Roosevelt-Programm tatsächlich sehr nahe. 500 bis 700 Milliarden Dollar will er zusätzlich zu dem Rettungspaket für die Banken in die Hand nehmen zum "Wiederaufbau unserer bröckelnden Straßen und Brücken, bei der Modernisierung unserer Schulen und bei der Schaffung der sauberen Energieinfrastruktur für das 21. Jahrhundert", wie er sagt. 2,5 Millionen Jobs, wünscht sich Obama, sollen dabei entstehen.
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Die Lobbyisten stehen schon Schlange mit ihren Wunschzetteln: Die Mediziner fordern mehr Hausärzte, die Nasa bittet um zwei Milliarden Dollar, Naturschützer fordern intensivere Erd- und Umweltbeobachtungen und wollen kontraproduktive Umwelt-Gesetze einkassieren. Gerade Investitionen in den Klimaschutz sehen die Expert/innen als Mittel der Wahl. Einerseits verspricht eine moderne, umweltschonende Technik wirtschaftliche Impulse, andererseits würde eine bewusste Klimapolitik die USA aus der umweltpolitischen Isolation holen. 150 Milliarden Dollar will Obama deshalb allein in energiesparende Technologien investieren und den CO2-Ausstoß bis 2050 um 80 % reduzieren.
Die zweite wichtige Säule seines Investitionsplans wird die Wissenschaft. "Als Präsident werde ich für Grundlagenwissenschaft in den physikalischen und den Lebenswissenschaften, in der Mathematik und in den Ingeneurswissenschaften das Budget verdoppeln", wird Obama in der Zeit zitiert.
Tipp
Die FM4 Homebase widmet sich am Mittwoch, 14. Jänner 2009 einem Schwerpunkt zu den Themen: Utopien, Ideologien, Zukunftsvisionen (19-22 Uhr)
Obamas Utopien - Teil 2
Wie wird Obamas Amerika der neuen Visionen aussehen? Tom Holert über die utopische Rolle von Design im new New Deal.
Utopie des Designs
Wo auf einen Schlag soviel Geld frei wird, stellt sich natürlich die Frage nach Entwürfen und Plänen dieser Zukunftsvisionen. Architekt/innen und Designer/innen werden aufgerufen sein, um dieses neue Amerika zu gestalten. Wie passend, dass man innerhalb der Design-Theorie gerade eine 'Expansion des Designbegriffes' wahrnimmt. Wie das Amerika der Zukunft aussehen könnte, welche Rolle es bei der Umsetzung des 'new New Deal' spielen könnte und wie 'Design' und 'Utopie' ideologisch verknüpft sind, darüber spricht der Kunsthistoriker und Publizist Tom Holert in Teil 2 dieser kleinen Serie über Obamas Utopien.
Der Soundtrack für Obamas Amtsantritt am 20. Jänner 2009:
- Neil Young - Looking For A Leader
- Will I Am - Yes We Can
- Kidz in the Hall - Work To Do
- Nas - Black President
- Shay Black Starry Plough Pub - Barack Obama is Irish
- Stephan Stanzel (A Life, A Song, A Cigarette) - Barack Obama is Weana