Erstellt am: 19. 1. 2009 - 16:11 Uhr
Ich und ... Clara Luzia
Der Opening Slot beim FM4 Geburtstagsfest gehört Clara Luzia. Pünktlich zum Fest gibt es einen neuen Clara Luzia Track, eine treibende Polka, ein folkiges, optimistisches Stück namens "All I Wish For", das ein Vorbote auf das am 3.4. 2009 erscheinende Album "The Ground Below" sein soll.
Obwohl "All I Wish For" das bei Clara Luzia erwartbare Folk Feeling ausstrahlt - sie bezeichnete die Single im Morningshow Interview als "bayerisch" - möchte die Meisterin mit "The Ground Below" ebendiese Erwartung korrigieren - das neue Clara Luzia Album wird mehr als gewohnt auf elektrische Gitarren setzen. Klingt wie ein Befreiungsschlag aus einer Harmlosigkeitsfalle, in die vor allem Frauen gefesselt werden, sobald sie mit Mitsingmelodien und Hübschharmonien arbeiten.
sarah haas
Charmant
Auch ich kann mich nicht gegen so eine Falle wehren. Ich finde an Clara Luzia Einiges "charmant", ein Wort, das auf Musikerinnen wohl weit öfter angewendet wird, als auf ihre männlichen feedbackmachenden Kollegen. Der Charme von Clara Luzia ist - bei aller Euphorie in der Musik - eher trocken und zurückhaltend, mehr Carla Bley als Duffy. Das sieht aus wie eine Verweigerungsstrategie, wie Bemühungen, nicht "your average friendly neighborhood popgirl" sein zu wollen:
Das "bunte Zirkustruppen-Image" von Clara Luzias Band, ihre fast übertriebene Trockenheit und Unverbindlichkeit bei Interviews, die Konzentriertheit gepaart mit Schüchternheit auf der Bühne, die androgyne Maskerade, das "Queer Girls DIY" von Le Tigre und den Kill Rock Stars Künstlerinnen - einige für Frauen bereitgestellte Rollenmodelle werden so umschifft.
Nicht dass das nicht selbst schon dagewesen wäre, ich find' es eben charmanter als die Rollenmodelle, die sonst so bereitstehen für weibliche Songwriterinnen: Die Tori Amos'sche Sex- und Körpermusikerin, deren "weibliche" Sicht einer männlichen Vorstellung davon entsprechen soll, wieviel "gefühlt" und "intuitiv" abgehandelt werden soll, weshalb die Musik dann auch mit Gestöhne und Vokalakrobatik zu Tode dekoriert wird.
michael nemeskal
Oder das naturnahe, erdverbundene, urkräftig schöpfende, außerhalb der Zivilisation befindliche "Fabelwesen", dem Haare aus den Ohren und Federn am Rücken wachsen und das unter Wasser atmen kann, eine Stilisierung, die Björk bis zum nervigen Exzess betreibt und in die die eine andere hochtalentierte Musikerin in Österreich, Soap & Skin, gerade mit aller Kraft zu tappen versucht.
Oder das Modell der abgehobenen Exzentrik-Hexe à la Diamanda Galas und Yma Sumac, von der es nur Anton Corbijn'sche Rotfilter-Schwarzweißfotos geben darf, auf denen Raben auf ihren Schultern sitzen. Oder das "Ich bin besser als die Jungs" - Tomboymodell à la Pink, das pubertäre Aggressionsabbauklischees der Jungsbands übererfüllt.
Oder. Oder.
Straßentanzgefühle
Worauf wir uns live freuen können, pendelt zwischen schwindligem Straßentanzfeeling einer Band Of Holy Joy und der swingenden Düsterkeit einer Laura Nyro, getragen von den Stimmen von Clara und Mika Vember und dem zarten, souveränen Shuffle von Drummerin Ines Perschy (ein Beispiel dafür, dass es so etwas wie eine Drummerin mit schlechtem Stil einfach nicht gibt, von Moe Tucker bis Meg White, Gegenbeispiele an mich).
Den dunklen Texten und molligen Zerlegungen von Clara wird von Perschy und geglückt eingesetztem Piano, Cello und Akkordeon-Einlagen oft ein Verve verliehen, der beweist: Die sind mehr, die wollen mehr, die können mehr, als just another Midlifecrisis-Band zu sein. Dazu richtige ohrbohrende Hits wie das rätselhaft zynische "Lucky Gal", das bitterwitzige Bierlied "Homedrinking" oder das (wieder Hurra Ines Perschy) treibende "Morning Light".
Ich finde es besonders charmant, dass Clara Luzia -wie sie im Interview in der FM4 Morning Show sagte - "noch nicht weiß, ob ihr ihr neues Album gefällt". Find' ich groß. Ob es uns gefällt, können wir beim FM4 Geburtstagsfest feststellen, wo es viel Material vom neuen Album zu hören geben wird.