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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

21. 1. 2009 - 08:58

Spielen statt spinnen

Seit Jahren pendelt die Qualität von PC-Spielen zwischen glänzenden Software-Perlen und technischem Debakel. Doch die Akzeptanz von Unfertigem ist im Sinkflug.

„JoWooD Productions möchte sich hiermit bei allen Fans der Gothic Serie offen und ehrlich entschuldigen, da die Qualität des Produktes tatsächlich nicht zufriedenstellend ist.“

Logo zum Computerspiel Gothic 3: Götterdämmerung

JoWooD

Ende letzten Jahres trudelt diese verblüffende Pressemeldung in meiner Inbox ein. Erst wenige Tage zuvor habe ich mich noch diebisch gefreut, als frischer Content zu meiner Lieblingsrollenspielserie 'Gothic' in der Redaktion eingetroffen ist. Nach der Meldung war ich fast erleichtert, die 'Gothic 3'-Erweiterung 'Götterdämmerung' aus Zeitgründen noch nicht mal installiert zu haben.

Negative Töne, Zugeständnisse und Entschuldigungen finden sich in offiziellen Firmenmitteilungen höchst selten. Nur dann, wenn absolut keine Ablenkungstaktiken und rhetorisch ausgefeilten Beschönigungen mehr greifen, besinnt man sich auf die Wahrheit, resiginiert, lenkt ein und versucht zaghaft, die Flucht nach vorne anzutreten.

Computerspieler als Laborratten

In der mitunter seltsamen Welt der PC/Windows-Spiele hat dieser Umstand eine besondere Bedeutung, denn jede, die mehr als zwei Games im Jahr kauft, weiß um das hohe Frustrationspotenzial der Computerspielerschaft bescheid. Die kauft sich munter neue Hardware um mehrere Hundert Euro, nur, um den neuesten First-Person-Shooter ruckelfrei zu spielen, frickelt geduldig mit dem zickenden Grafikkartentreiber herum und nimmt gerne in Kauf, alle mühsam erzockten Spielstände des Lieblings-Games mal wieder löschen zu müssen, wenn ein neuer Patch dafür erscheint.

Ein 10-jähriger im Jahr 1984 vor einem alten Computer.

Extra Ketchup

Früh übt sich, wer alle Spiele zum Laufen bringen will. (Bild: Extra Ketchup)

Geistesgegenwart, technisches Know-How und das Wissen um die Fragilität von (Spiele-)Software ist etwas, das bereits über mehrere Generationen hinweg (beginnend mit jenen, die um das Jahr 1970 geboren sind) tradiert ist. Ob C64, Amiga, Atari, Spectrum oder PC: Das Schrauben, Zwicken und Optimieren an Hard- und Software galt lange Zeit als angesehene Kulturtechnik, die innerhalb der Computerspiel-Community fast ebenso wichtig war, wie die erlernten Kompetenzen bei den Spielen selbst.

Rettung durch geschlossene Systeme

Gut 15 Jahre nach Zauberkunststücken mit den MS-DOS Konfigurationsdateien autoexec.bat und config.sys, begleitet von einem immer stärkeren Aufleben der Spielkonsolen - bei denen aufgrund der vorgegebenen Architektur technische Fehler für den Kunden kein oder kaum ein Thema sein dürfen - ist der Wille des Konsumenten zur ewigen Bastelei freilich gesunken. Nun greift man lieber zum fertig zusammengeschraubten Rechner und möchte 'GTA' und 'Assassin's Creed' am PC in derselben technischen und spielerischen Eleganz erleben wie auf PlayStation 3 und Xbox 360.

Kein Wunder, dass da die ewig gestrigen Bug-Teufel und „wird-schon-werden“-Entwickler hinten anstehen und sich nicht mehr in die elendige Fehler-Normativität der 90er Jahre flüchten können. Wer, wie der eingangs genannte österreichische 'Gothic'-Vertrieb JoWood, schnell mal ein Nachfolgeprodukt zur erfolgreichen Rollenspiele-Serie von kostengünstigen Entwicklerstudios in Indien auf den Markt schießt, muss mit den harschen Konsequenzen von Presse und Community rechnen.

When it's done

Logo des Computerspiels 'StarCraft II'

Blizzard Entertainment

Wer sich im Bereich der PC-Spiele hingegen die sprichwörtliche goldene Nase verdient, sind fairerweise jene Konzerne, die sich die technische und inhaltliche Qualität schon seit Jahren an die Brust heften. Der mittlerweile legendäre Spruch "it's done when it's done", bezogen auf das Veröffentlichungsdatum eines Games, wird keinem Studio mehr zugeordnet als den Damen und Herren bei Blizzard Entertainment, die kürzlich gemeinsam mit dem Vertrieb Activision im größten Videospielkonzern der Welt aufgegangen sind. Spieleserien wie 'Diablo', 'StarCraft' oder 'WarCraft' dominieren seit über zehn Jahren die Verkaufscharts.

Mittlerweile ist auch 'Götterdämmerung' etwas besser spielbar als noch vergangenen Herbst, die aktuellsten Patches finden sich bei 'World of Gothic'.

Das Wissen um ein technisch ausgefeiltes, nahezu makelloses Produkt, das noch dazu inhaltlich perfekt ist, lässt beinahe religionsgleiche Empfindungen bei vielen Spielenden wachsen, wenn es um Blizzard-Titel geht. Der Unterschied zwischen dahingeschluderter Software und dem Output des kalifornischen Games-Entwicklers ist so groß, dass seitens der Kunden vielfach ein originärer, einzigartiger Zugang entsteht. Manche entschließen sich dazu, ausschließlich Blizzard-Spiele zu spielen und nehmen auch Entwicklungszeiten über Jahre hinweg in Kauf.

Keine Schrauben mehr

Blizzard beweist, dass uns der PC als Spieleplattform weiterhin begleiten wird und macht auch klar, dass ein Rückschritt in die Zeiten des geduldigen Bastlers, der in mühsamer Kleinarbeit System und Konfiguration optimiert, endgültig vorbei sind. Schlaue Unternehmen wissen, dass jeder, der durch technische Ärgernisse zu oft vom Heimrechner vergrault wird, bedenkenlos zur bequemen Konsole überläuft und am PC künftig nur noch das angreift, worauf Verlass ist. Gut so, schließlich sind wir in unserer Freizeit lieber Spielende als System-Administratoren.