Erstellt am: 16. 1. 2009 - 17:03 Uhr
Klischees wegtanzen und austricksen
"Ich denke, das ist abends saufen und morgens im Schnee frische Luft schnappen." Ähnlich unbeholfen wie die Dingsda-Kinder beschreibt Stereo Total-Frau Francoise Cactus den Lifestyle der Snowboarder. Verübeln kann man es ihr nicht, denn Snowboards hat die Berliner Elektro-Punkerin bisher nur im Schaufenster gesehen. Die zehnte 'Burton European Open' (BEO), die vom 9. bis 16. Januar 2009 in der Schweiz stattfinden, haben ihr Bild aber komplett verändert.
"Zuerst dachte ich mir - hoffentlich wird's nicht schrecklich. Aber die Snowboarder waren alle ziemlich gut drauf und haben die ganze Zeit getanzt."
Dienstag war Riders Welcome Party im hippen, Betonbunker-ähnlichen 'Riders Palace'. Zum Trash-Sound von Stereo Total haben die meisten der Fahrer gegen das gängige Klischee angetanzt. Der als kiffende und posende Partylöwe verschrieene Profi-Snowboarder ist eine aussterbende Spezies. Die heutigen Stars wie Olympiasieger Shaun White und Kelly Clark oder der Schweizer Nicolas Müller trainieren hart und ernähren sich gesund. Oder sie sehen, wie im Fall von Heikki Sorsa, aus wie bierbäuchige Komiker aus 'Waynes World' - sympathisch und sehr menschlich.
Zwischen dem Gute-Nacht-Bierchen und Tricks wie Backside 900s bleibt Zeit für Gespräche mit Normalo-Boardern wie unsereins. Ein Schweizer Snowboardlehrer erzählt stolz von seiner Begegnung mit dem gerade mal 20-jährigen BEO-Veteranen Iouri Podladtchikov: "Ich hab ihn gefragt, wie ich am Einfachsten einen Frontside 360er, eine Drehung um die eigene Achse, machen kann. Und er hat gesagt: 'Ganz cool bleiben. Mach einfach die Augen zu und dreh.' Es hat tatsächlich funktioniert."
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Die Juniors haben das BEO-Jubiläum eröffnet und einmal mehr gezeigt, dass Freestyle-Snowboarden sich jedes Jahr rasant weiter entwickelt.
Offen und entspannt, wie ein Großteil der anwesenden Boarder, ist auch der Contest, an dem sie teilnehmen. Von Ridern für Rider konzipiert. Vor zehn Jahren haben die 'European Open' als kleine Veranstaltung in Innsbruck begonnen. Seither sind sie stetig gewachsen und gewandert - von Österreich nach Italien und schließlich in die Schweiz. Heute sind die BEO Europas größte und einzig wirklich offene Snowboard-Veranstaltung. Das heißt, jeder, der Begriffe wie '540' oder 'Tailgrab' nicht nur aus der Theorie kennt, kann in den Bewerben Slopestyle und Halfpipe teilnehmen. Burschen wie Mädels, Männer wie Frauen. Dieses Jahr ist die Jüngste gerade mal acht Jahre alt, der Älteste 62.
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Dass es was zu feiern gibt, sieht man im Tal als auch am Berg. Überall bunte Luftballons, überdimensionierte Kerzen im Schnee und ein Slopestyle-Park der seinesgleichen sucht. Aus 60.000 Kubikmeter Schnee haben Head-Shaper Roger Heid und sein 9-köpfiges Team in über 2.000 Metern Höhe einen vielseitigen Winterspielplatz hingestellt - mit lustigen Obstacles wie einem Baumstamm, einer Box und einer Rail. Eine kleine Halfpipe mitten im Kurs ist das Highlight. "Dieses Jahr soll wirklich der kompletteste Fahrer gewinnen. Der, der die meisten Tricks in der Halfpipe und auf den Kickern zeigen kann", sagt Roger, der jeden Tag noch vor Sonnenaufgang am Berg ist. Schaufeln und baggern für die ganz Großen, denn die müssen mit den Bedingungen zufrieden sein.
Mit den Wetterbedingungen sind auf jeden Fall alle zufrieden. Schon die ganze Woche lacht die Sonne bei erträglichen Minus drei Grad vom Himmel. Optimal für die Parkverhältnisse und die Fahrer, die wie der junge US-Amerikaner Danny Davis vom Parcours schwärmen.
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Positive Worte findet der 20-Jährige derzeit leicht. Schließlich hat er gestern im Slopestyle Finale Favorit Shaun White und fünfzehn andere Konkurrenten mit einer geschmeidigen Trick-Orgie ausgestochen, u.a. einem 'Alley Oop Rock'n'Roll Slide', einem hohen 'Switch Backside Inverted 720 Nosegrab' und einem 'Frontside 1080'. Style und Technik und der beste Lauf von insgesamt drei zählen.
Bei den Damen hat die Norwegerin Lisa Wiik die Judges unter anderem mit einem 'Backside 540 Mute', einem 'Frontside 360' und einem 'Backside 360 Indy' überzeugt, und damit Lokalmatadorin Sina Candrian und Kjersti Oestgaard Buaas auf die Plätze Zwei und Drei verwiesen.
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Die Slopestyle-Gewinner gehen mit jeweils 15.000 US-Dollar und 1.000 wertvollen TTR Punkten nach Hause. Davor schmeißen sie sich aber noch in die Halfpipe, die in Laax Superpipe heißt und 140 Meter lang ist. Da gehen sich jede Menge feine Tricks aus. Welche, das gibt's ab 15 Uhr in FM4 Connected zu hören und demnächst hier zu sehen.