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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

9. 1. 2009 - 15:26

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Gequälte Finanzbeamten, leidende Schwertkämpfer, orientierungslose Bunnies: Notizen zu 'Seven Pounds - Sieben Leben', 'The Warlords' und 'The House Bunny'.

Reden wir zuerst mal über eine Art Krankheit, die irgendwann in den Neunzigern in der Filmwelt ausgebrochen ist.

Ich meine den akuten Plot-Twist-Virus, der seit Streifen wie 'Pulp Fiction' oder 'Memento' grassiert. Simple Stories sollen durch radikale Wendungen am Ende, bei denen alles in neuem Licht erscheint, plötzlich komplexer und klüger wirken.

Ein Paradebeispiel sind für mich die Streifen von Alejandro González Iñárritu. Der mexikanische Regisseur packt immer wieder großartige Akteure in seine existentiellen Dramen und fasziniert mit erschütternden Momenten. Aber trotzdem leiden Filme wie '21 Grams' oder 'Babel' an der bemüht konstruierten Struktur. Denn all die Flashbacks, Zeitsprünge und unchronologischen Szenen wirken in ihrer aufgesetzten Cleverness eher kontraproduktiv.

Auch der Italiener Gabriele Muccino erweist sich als einer dieser Regie-Musterschüler, die der Plot-Twist-Virus erfasst hat. Erst gegen Ende seines neuen Films 'Seven Pounds' - 'Sieben Leben' bekommen wir Antworten auf die aufgeworfenen Fragen.

Sieben Leben

Filmstill aus "Sieben Leben": Ein Mann sitzt am Meer

Sony

Und die Fragen in 'Seven Pounds' sind zahlreich. Ist dieser kleine Finanzbeamte namens Ben Thomas (Will Smith) auf Menschen spezialisiert, die wegen einer schweren Krankheit ihre Steuern nicht mehr bezahlen können? Welcher dunkle Punkt in seiner Vergangenheit quält Ben selbst? Warum zieht er aus seinem luxuriösen Haus in ein billiges Motel?

Ist das ein Film über das fragwürdige amerikanische Gesundheitssystem und dessen zahlreiche Opfer? Versteckt sich hinter der verschachtelten Erzählung gar ein übernatürliches Geheimnis? Oder läuft 'Seven Pounds' doch nur auf eine Liebesgeschichte zwischen Ben und der herzkranken Emily (Rosario Dawson) hinaus?

Die finale Auflösung soll fairerweise auch hier nicht verraten werden. Aber nur soviel: Das Warten ist manchmal zähflüssig und nervig und es zahlt sich letztlich nicht aus. Denn außer einer fragwürdigen Moral und einer Überdosis Pathos hat 'Seven Pounds' nicht viel zu bieten.

Filmstill aus "Sieben Leben"

Sony

Und Will Smith? Der kämpft als Mischung aus Antiheld und christlichem Erlöser verzweifelt um die Gunst des Publikums. Aber weil Ben Thomas erst am Schluss seine Motivation preisgibt, bleibt einem diese Figur völlig fremd.

Einzig die hinreißende Rosario Dawson vermag Emotionen zu erwecken. Man wünscht sich ihre Figur der sterbenden Emily in einem eigenen Film - ohne Will Smith, ohne zweifelhafte Botschaft, ohne verkrampften Plot-Twist.

The Warlords

Filmstill aus "The Warlords"

Kinostar

Von dramatischen privaten Kriegsschauplätzen zu den historischen: In Asien, vor allem in Hongkong und China, sind Schlachtenepen derzeit der große Kino-Renner. Einer dieser Filme, 'The Warlords - Tau ming chong' von Peter Chan, schafft es ausnahmsweise jetzt auch mal bei uns auf die große Leinwand.

Die Geschichte kreist um die mythische Figur eines diskreditierten Generals, der im China des 19. Jahrhunderts gemeinsam mit zwei Banditen eine Bauernarmee anführt. Dabei feiert das ungleiche Trio derartige militärische Erfolge, dass sogar der Staat die diversen Feldzüge unterstützt. Aber erwartungsgemäß kommen ihnen die Egos, die Liebe und höfische Intrigen in die Quere.

Wer sich 'The Warlords' als fantasyhaftes Martial-Arts-Spektakel in der Tradition von 'Hero' oder 'Crouching Tiger, Hidden Dragon' vorstellt, könnte enttäuscht sein. Peter Chan verzichtet auf computerunterstützte Schlägereien und Kung-Fu-Kämpfer, die sämtliche Gesetze der Schwerkraft außer Kraft setzen.

Die Absage an überzogene Kampfkunstklischees, an denen zumindest ich mich schon reichlich satt gesehen habe, gehört dabei zu den erfreulichsten Überraschungen an 'The Warlords'. Der Film setzt mehr auf eindringliche Schwertkämpfe, bei denen das Zusehen ziemlich wehtut.

Filmstill aus "The Warlords"

Kinostar

Ebenso schön ist, dass Peter Chan auch mit dem dubiosen Patriotismus bricht, der sich beispielsweise als unangenehmer Beigeschmack in einige Werke von Zhang Yimou mischt. Die Legende von General Pang und seinen beiden Blutsbrüdern erzählt der Film als düsteres Epos um Neid und Gier, bei dem am Ende nur Verlierer übrigbleiben.

Ein richtig fesselnder Film ist 'The Warlords' leider trotzdem nicht, zu sehr hängt er dazu an den Versprechungen des klassischen Hongkongkinos, das heute einfach ein bisschen verstaubt wirkt.

Wer mit überlang anmutenden Historiendramen, mit heroischen Dialogen und theatralischen Gesten seine Probleme hat, wird bald unruhig am Sessel herumwetzen. Da können sich die asiatischen Superstars Jet Li, Andy Lau und Takeshi Kaneshiro noch so bemühen.

The House Bunny

Filmstill aus "The House Bunny"

Sony

Kommen wir nach dem sich selbst zerfleischenden Finanzbeamten aus 'Seven Pounds' und den gequälten Blutsbrüdern aus 'The Warlords' zu einer weiteren, höchst tragischen Figur.

Shelly (Anna Faris) erfährt einen Tag nach ihrem 27. Geburtstag, dass es für sie keinen Platz mehr in der Playboy Mansion gibt. Weil die silikonverstärkte Blondine schlicht zu alt ist für das sagenhafte Reich des Hugh Hefner.

Aber was tut ein orientierungsloses Bunny plötzlich in der wirklichen Welt? Durch einen Zufall landet Shelly auf einem Uni-Campus und schon bald hat sie eine neue Berufung gefunden: Das Playboy-Häschen will unbedingt als Hausmutter einer Gruppe von Studentinnen zu mehr Beliebtheit verhelfen.

Die jungen Frauen der Zeta-Sorority haben nämlich ein Problem: Als absolute Nerds und Geeks verschrien, droht ihrer Vereinigung das Ende, weil es keinerlei neue Mitglieder gibt.

Filmstill aus "The House Bunny"

Sony

In der Theorie ist 'The House Bunny', der schon letzte Woche bei uns angelaufen ist, ein absolut hassenswerter Film. Eine doofe Abgesandte aus einem bizarren Realitysoap-Universum zeigt einem Haufen junger Feministinnen, Lesben und sozialer Außenseiterinnen, wie man sich sexy und attraktiv gibt.

Das Ding ist aber: Den Machern von 'The House Bunny' ist der schrecklich reaktionäre Touch dieser Story natürlich bewusst. Also versucht der Film seine potentiell perfide Botschaft zu brechen. Zum einen mit hämischen Seitenhieben gegen den American Way Of Life. Auf der anderen Seite mit seltsamen, aber durchaus sympathischen Allianzen.

Das Feindbild dieser kleinen Teeniekomödie, gegen das sich die Geek Girls mit ihrer aufgetakelten Hausmutter zusammentun, sind nämlich die karrierebewussten WASP-Studentinnen in ihrer unendlichen Fadesse. Und wenn sich das Progressive mit dem Artifiziellen gegen die konservative Uni-Elite vereint, ist das kein schlechtes Bündnis.

Dass sich 'The House Bunny' gegen Ende sogar in ein Plädoyer für die ungekünstelte Natürlichkeit und den zuckersüßen Humanismus verwandelt, ist dann fast schon zuviel des Guten. Aber dank der charmanten Anna Faris, die sich bislang unter anderem durch die 'Scary Movie'-Reihe blödelte, bleibt der Film auch in seinen zweifelhaften Momenten sympathisch.

Ach ja, falls das im Zusammenhang mit einer Komödie von Interesse sein sollte: Lustig ist 'The House Bunny' auch, zumindest in der Originalfassung, ich hab ein paar Mal ziemlich gelacht.