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Daniela Derntl

Diggin' Diversity

1. 9. 2015 - 21:00

What Went Down

Keine Fohlen, sondern wilde Hengste - so präsentieren sich Foals auf ihrem vierten Album "What Went Down".

Dass die Umgebung die Musik beeinflusst, muss man in Wien niemandem erklären. In Linz auch nicht. Oder in Seattle. Brooklyn. London. Berlin.

"What Went Down" ist am 28. August auf Warner Music erschienen.

Foals / Warner Music

Das britische Indie-Quintett Foals hat bisher jedes ihrer fünf Alben woanders aufgenommen. Das Debüt "Antidotes" entstand 2007 in New York, "Total Life Forever" im schwedischen Goethenburg 2009 und "Holy Fire" wurde 2012 in London eingespielt.

Album Nummer Vier, "What Went Down", ist, wie der Titel schon vermuten lässt, die schwerste und düsterste Platte der Band.

Der Ort der Enstehung mag romantisch duftend anmuten, ist aber kulturgeschichtlich kein unbeschriebenes Lavendelblatt – denn in Saint Rémy de Provence in Südfrankreich wurde der Arzt, Apotheker und Weltuntergangsprophet Nostradamus geboren, und in der psychiatrischen Klinik des Klosters wurde Vincent Van Gogh behandelt, nachdem er sich das Ohr abgeschnitten hatte. Sein berühmtes Bild Sternennacht ist hier entstanden.

Foals / Pooneh Ghana

Bleiben wir bei Medizin und Psychiatrie: Die Schweizer Autorin, Psychologin und Kindheitsforscherin Alice Miller hat in Saint Rémy ihren Lebensabend verbracht. Ihr zufolge sind die ersten Lebensjahre eines Kindes entscheidend; ein Mangel an Zuneigung und Aufmerksamkeit können zu Depressionen, Größenwahn und zwanghafter Wiederholung des erfahrenen Leids führen.

Darin kann sich vielleicht auch Yannis Philippakis wiederfinden, denn im Alter von sechs Jahren wurden er und seine Mutter von seinem Vater verlassen. Ein Verlust, den er nicht so recht verkraftet hat, wie er in früheren Interviews erzählt. Er kann sich schwer auf andere Menschen einlassen und seine Mutter sei auch der Meinung, dass er seinem Vater immer ähnlicher werde. Eine schwieriges Erbe, das er in Songs wie "A Knife In The Ocean" thematisiert.

Saint Rémy war also ein sehr spannender Ort, um in die Dunkelheit seiner Seele einzutauchen, wie Philippakis dem Guardian erzählt: "I wanted to explore the extremities, the darkest crevices of my mind. (…) I like the idea that being self-destructive brings out your best art."

Schmerz und Verzweiflung sowie Panik und Pessimismus dominieren auf "What Went Down" und den gleichnamigen Song:

I buried my heart in a hole in the ground
With the lights and the roses and the cowards downtown
They threw me a party, there was no one around
They tried to call my girl but she could not be found.

Zwei Monate lang hat sich das Quintett mit Produzent James Ford von Simian Mobile Disco im Studio "La Fabrique" in Saint Rémy eingenistet, in dem auch Nick Cave sein letztes Album "Push The Sky Away" aufgenommen hat. Auch Morrisseys neue Platte "World Peace Is None Of Your Business" ist dort enstanden.

Angeblich ist viel Rotwein geflossen, während die Band heftiger als je zuvor in die Saiten gegriffen hat. Die Foals, die Fohlen, sind erwachsen geworden. Ihre quecksilbrigen Math-Rock-, Afrobeat- und Minimal-Music-Spielereien sind melancholischem und druckvollem Stadion-Rock gewichen.

"What Went Down" ist ein ernsthaftes, nachdenkliches Album, mit dunklen, aber auch hellen Momenten - wie das poppige "Birch Tree" oder das reuevolle "Lonely Hunter", wobei es die Foals nicht immer schaffen, die Tiefe dieser (Schuld-)Gefühle zu transportieren.

Fans der ersten Stunde mag diese existentielle Schwere vor den Kopf stoßen – wie den Rezensenten der Spex, der schreibt:
"What Went Down wäre wahrscheinlich eine Mörderplatte, wäre sie keine Foals-Platte. So aber ist sie die schlechteste Platte, die eine der fähigsten Bands je gemacht hat."

Autsch! Dass Veränderung die einzige Konstante ist, scheint noch nicht jedem bekannt zu sein.