Erstellt am: 11. 8. 2015 - 17:06 Uhr
"Trenet", das neue Album von Benjamin Biolay
B.B. ist zurück. Nein, nicht Brigitte Bardot, god forbid, wenn das so wäre, aber nein, mit B.B. ist Benjamin Biolay gemeint. Der Arbeitersohn aus der südostfranzösischen Stadt Villefranche-sur-Saone genießt zuhause in Frankreich Star-Status. Biolay hat den Ruf eines Lebemannes, eines Serge Gainsbourg unserer Zeit, auch wenn Biolay diesen Vergleich nicht mag, schon allein deshalb, weil Gainsbourg ein komplett anderer Mensch als er selbst gewesen sei.
Stets leicht grantig dreinblickend, ist Benjamin Biolay ein extrem produktiver Songwriter, Arrangeur, Produzent, Sänger und Interpret.

Geoffroy de Boismenu
Benjamin Biolay hat mit unzähligen französischen MusikerInnen zusammengearbeitet, aber auch mit internationalen, etwa mit dem Briten Carl Barat (The Libertines) oder der Australierin Julia Stone (Angus & Julia Stone). Beide waren am letzten Biolay-Album, "Vengeance" zu hören. Mit dem neuen Longplayer nimmt sich Monsieur Biolay jetzt schlicht und einfach das französische Chanson vor bzw einen der Gründerväter des französischen Liedes: Charles Trénet. Deshalb nennt Benjamin Biolay dieses neue Album dann auch einfach "Trenet".
Charles Trénet war Sänger, Komponist, Texter, Schauspieler und Maler. Trénet, geboren 1913, kam zu Beginn der 30er Jahre von Südfrankreich nach Paris, um in den Filmstudios der Stadt zu arbeiten. Nach ersten Chansontexten spielte Trénet im Duo Charles et Johnny. Der zweite Weltkrieg kam der Karriere des Charles Trénet zwar in die Quere, aber er konnte sie nach dem Krieg erfolgreich fortsetzen. Legendäre französische Songs wie "La Mer" oder " L'âme Des Poètes" sind Trénet-Stücke. Ja, und diese nimmt sich Benjamin Biolay jetzt vor, im schönen, klassischen Stil.

Virgin
Die Idee, Charles Trénet zu covern, hatte Biolay, weil er sich gewöhnlich im Aufnahmestudio oder auf der Bühne erst an einem Piano warmspielt, und da eben zumeist Trénet-Stücke in die Tasten haut. Warum nicht ein komplettes Trénet-Album machen? Die Musik von Trénet kommt aus einer Zeit, die weit zurückliegt, sie ist gewissermaßen "anonymer" als etwa die von Jacques Brel oder Serge Gainsbourg, also weniger verbunden mit demjenigen, der sie schuf oder als Interpret bekannt machte, mehr Allgemeingut als die Stücke anderer Vertreter des französischen Chansons.

Parlophone Label Group
Wer sich eventuell von Benjamin Biolay mit dem Album "Trenet" leicht genervt fühlt, wie er mit seiner lasziv sonoren Stimme den Chansonnier gibt, wer lieber den rotzigen und gleichzeitig meist auch sensiblen Rocker Biolay hört - eines kann man nicht leugnen, B.B. ist ein superber Musiker mit einem riesengroßen Gespür dafür, wie etwas klingen kann. "Trenet" ist - im Jazz Trio Format, und zum Teil mit Orchester - großartig eingespielt, herrlich nostalgisch und doch so präsent im Hier und Jetzt. Und wenn er von "La Romance De Paris" singt, ist man tatsächlich versucht, sogleich ein Flugticket eben dorthin zu buchen. Biolay, der alte Schwerenöter, er kann's immer wieder.
Zeit der Kirschen

Barclay/Universal
Eines der Stücke die Benjamin Biolay auf "Trenet" interpretiert, ist "Le Temps Des Cérises": Das Lied - übersetzt "Die Zeit der Kirschen" - stammt aus den 60er Jahren des 19.Jahrhunderts und wird stark assoziert mit der Pariser Kommune, jenem während des Deutsch-Französischen Krieges im 19.Jahrhundert spontan gebildete Pariser Stadtrat, der gegen den Willen der konservativen Zentralregierung versuchte, Paris nach sozialistischen Vorstellungen zu verwalten.
Was zuerst nach einem Sommerlied klingt, ist schließlich ein Revolutionslied geworden - die prallen roten Kirschen, von denen alle essen werden, als Symbol vom Ende der Armut. Bertrand Cantat veröffentlichte mit seiner Band Noir Désir kurz vor dem Aus der Band eine Version dieses großen französischen Songs. Cantat machte aus dem klassenkämpferischen Chanson einen treibenden Rocksong, Benjamin Biolay hingegen hält sich an das Original, fügt ein Orchester hinzu.
Sehr hübsch: das beschwingtere "Le Grand Cafe", das melancholische "Que reste-t-il de nos amours?" - was bleibt von unserer Liebe? Aber wippen wir nochmals mit dem Fuß, während unser liebster Crooner am Piano Platz nimmt, an einem Piano am Strand - "Le Piano De La Plage". Und dann legt sich unser Crooner richtig ins Zeug - jetzt fließt am zart bes(ch)wingten "Coin de Rue" - Straßenecke oder Street Corner übersetzt - seine sonore Stimme: "Coin De Rue". Öffnen wir alle Fenster und lassen diese coolen alten Songs auf die Straße strömen. Merci beaucoup, Benjamin, und schönen Sommer noch!