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Andreas Födinger

tourt(e) mit Bilderbuch, Beth Edges, Farewell Dear Ghost, Gerard uvm. durch die Länder, trifft dabei hochinteressante MusikerInnen

24. 4. 2015 - 15:28

Der Herr Ambros und die Unschuld

Wolfgang Ambros ist einer der erfolgreichsten österreichischen Liedermacher überhaupt. Ein Gespräch über Antrieb, Unschuld und ein gestohlenes Portemonnaie.

Was bisher geschah:

Liebe/r Leser_in, nach all der kaugummifreien Zeit stülpt der April einem endlich den scharlachroten Buchstaben übers Gebein und Antoine Roquentin rechtfertigt meine Existenz damit, dass ich nun endlich den König der österreichischen Songpoeten für dich befragen durfte: Wolfgang Ambros.

Es ist ein bisschen all roads lead to Rome, waren doch die Geschichten um die Texteschreiber_innen, die ich vor jener ikonischen Figur über ihre Lyrik ausgefragt haben, große Bewunderer des Meisters. Vor allem Andreas Spechtl von der Gruppe Ja, Panik und Der Nino aus Wien bezogen sich stetig auf das Werk des hiesigen Bob Dylan, der den Fluch des Schifoans mit Bierzelt-Romantik und Apres-Ski-Exzessen bezahlen musste. Dass in Ambrosens Werk eine Fülle an bissigen gesellschaftspolitischen Kommentaren zu finden ist, muss an dieser Stelle wohl nicht unbedingt extra erwähnt werden.

Wolfgang Ambros an der Bar

Andreas Födinger

An der Bar ein Caffè sospeso

Jetzt fragst du dich wahrscheinlich, was das denn für ein Typ sei, der Ambros. Liebe/r geneigte/r Leser_in, ich sage dir: ein überraschend entspannter, gut gelaunter Künstler, den ich nach ein paar Minuten des Eisbrechens irgendwie zu einem klassischen Kaffeeklatsch unter alten Kumpels bringen konnte. Derweil fing eigentlich alles gar nicht so gut an: Ich bin nämlich, musst du wissen, von einer speziellen Gattung Mensch, die immer mindestens 15 Minuten vor ausgemachten Zeitpunkt am ausgemachten Treffpunkt erscheint. So auch diesmal. Der Ambros schlief noch, als ich ihn via Rezeptionist an die Bar bat. Bar, dachte ich mir, das müsse ihm sicher passen, vielleicht geht ja der eine oder andere schwarze Afghane heute auf mich.

Die Sache mit dem Geldbörserl

Als der Herr Ambros - zu einem schmissigen Woifal konnte ich mich irgendwie nicht überwinden - dann zu mir trat, ließ er stante pede eine Entschuldigung vom Stapel: er sei ein bisschen aufgekratzt, man habe ihm am Vorabend das Geldtascherl aus der Jackentasche gefladert. Das ist natürlich keine optimale Eröffnung für ein Interview, frage nicht. In einem seltenen Anflug von Großmut kam mir dann die Idee, ihm doch seinen Webmaster via sozialen Plattfußformen einen Aufruf nach dem abhanden gekommenen Lieblingsstück schalten zu lassen. Und zack: ab da hatte ich ihn, ein Woifal wäre zwar noch immer nicht angebracht gewesen, aber geschlagen hätte er mich dann ab diesem Zeitpunkt auch nicht mehr.

Gut, liebe/r Leser_in, ich bin jetzt nicht auf die Idee gekommen, meine consciousness zu streamen und dem Herrn Ambros mein Geleit aufzuzwängen, viel mehr wollt ich ihm auf die Schliche kommen, wie man es denn als 63-jähriger (und entschuldige dies grausame Wort: Austropop-) Star immer noch schafft, die Energie aus längst vergangenen Tagen zu bewahren: "Weißt du, das is so: weil ich den Job über alles liebe." Eine Rückenoperation aus dem letzten Jahr mache ihm zwar immer noch ein bisschen zu schaffen, aber der Ambros ist ein harter Hund. Spricht's und lässt herzhaftes Gelächter folgen.

Andreas Födinger

Selbstkritik killt die Unschuld

Wenn man ein derart imposantes Ouevre sein Eigen nennen kann, wird man mit der Zeit gegenüber neuem Material kritischer, meint er: "Es is eine Heidenarbeit, was Neues zu machen. Man fragt sich dann: Wozu? Aber ich weiß es noch nicht: Vielleicht mach ich ja noch mal was." Der Herr Ambros nimmt sich Zeit für die Antworten, überlegt teilweise mitten im Satz, ich merke, dass ich mich auf ihn einlassen muss, um ihm mit meiner hibbeligen Fragerei nicht die Syntax durcheinander zu hauen. Der Zugang zur Liedschreiberei habe sich über die Jahre verändert, meint er: "Es is halt so, dass ich, leider Gottes, mittlerweile nicht mehr alles stehen lasse, was mir aus der Feder rinnt. Damals ist es schnell gegangen: machst a Lied - machst des - irgendan Blödsinn. Das sind dann oft die größten Hits geworden." Du merkst: das Geheimnis in Ambros' Schreiberei war die Unbekümmertheit und ein gewisser jungfräulicher Zugang: "So etwas verlierst du aber, wenn du lange dabei bist."

Am 13. Juni wird Wolfgang Ambros mit seiner Band Die Nr. 1 vom Wienerwald das Nova Rock zerlegen. Nach illustren Kolleg_innen von den Toten Hosen oder Fanta4.

Dass sich der Herr Ambros auch an fremdem Liedgut bedient und unter anderem eine (absolut großartige) Radiohead-Coverversion von No Surprises aufgenommen hat, erklärt er so: "Die Idee zu ka Überraschung hatte mein Backliner und nunmehriger Mitmusiker." Ambros habe kein Problem damit, bereits aufgenommenes Liedgut nachzuspielen, es sei Ehrerbietung oder auch einfach Abwechslung, "damit mir nicht fad wird." Du siehst: der herrschende Band-Diktator ist er nicht, vielmehr schaut Ambros auf seine musizierenden Schäfchen, schenkte einem Musiker seiner Band zu Weihnachten gar eine Pedal-Steel-Gitarre, um sich deren Bespielbarkeit zu Gemüte führen zu können.


A so a hübsches Haus und a so a schena Goatn - ka Aufregung, ka Überraschung - Ambros covert Radiohead

Im Laufe des Gesprächs lässt er immer wieder Anekdoten über den Schiffkowitz (STS), den Fendrich (Reinhard Fendrich) oder die Band BAP vom Stapel. Man merkt, wie sehr Ambros' Seele in der Musik, der Emotion und der Liedermacherei verwurzelt ist. Dass es das Größte ist, was man als denkender Mensch tun kann. Und dass es das Letzte ist, was er tun wird. Bis sie ihn von der Bühne tragen müssen. Kann passieren, denk ich mir. So relevant wie Ambros jetzt ist, war er vielleicht schon lange nicht mehr.

Das aktuelle Album 190352 schenkte sich der Herr Ambros übrigens zu seinem eigenen 60. Geburtstag selber, seitdem wartet er auf einen sich bietenden Anlass, was Neues aufzunehmen. Lieber Woifal, ich hab im Jänner Geburtstag. Nur so am Rande.