Erstellt am: 7. 3. 2015 - 13:10 Uhr
Dreams Dictate My Reality: Neues von Soko
Soko träumt viel, aber ihre Träume sind meist keine guten. Die Französin, die heute in Los Angeles lebt, war nie ein "hapy bunny", schon auf ihrem ersten Album "I Thought I Was An Alien" nicht, wo sie sich etwa im Song "How Are You?" damit auseinandersetzt, wie blöd diese Höflichkeitsfrage eigentlich ist, denn man darf ja ohnehin nicht wahrheitsgemäß antworten, sondern muss immer "gut, gut!" darauf sagen, egal, wie schlecht man sich gerade fühlt. Auch die allererste Soko-Single "I´ll Kill Her" aus dem Jahr 2007, die die damals 21-Jährige international bekannt machte, war nicht gerade ein fröhliches Lied. Soko hasst das Stück von damals mittlerweile leidenschaftlich, sagt darüber: "It´s like if you want to be a painter and paint a huge wall. And you just do a sketch on a piece of paper and people think that this is what you do."

Because/Warner
Sokos Welt
Soko singt auf Englisch. Die Direktheit ihrer Texte, ihre schonungslose, intime Offenheit in den Songs, rührt vielleicht auch daher, dass Englisch nicht ihre Muttersprache ist, sie etwas in einer Sprache ausdrückt, die sie zwar gut kann, die ihr aber auch ein Quäntchen Sich-Verstecken bietet, weil es eben doch nicht ihre innerste ist. Soko sei hiermit "unterstellt", würde sie auf Französisch singen, würde sie sich vielleicht ein Quäntchen weniger trauen.
Soko ist inspiriert von Post-Punk, Folk, von Leonard Cohen, aber auch von Daniel Johnston, dem US-Künstler, der an Schizophrenie leidet. Außerdem ist Soko ja eigentlich Schauspielerin, war in französischen Fernseh-Soaps zu sehen, aber auch in Arthouse Filmen. In "Der Retter" - "A´l Origine" - spielte sie etwa neben Superstar Gérard Depardieu, die Rolle eines im 19. Jahrhundert als "hysterisch" diagnostizierten französischen Küchenmädchens, in "Augustine" aus dem Jahr 2012, war ihr quasi auf den Leib geschneidert. So ist die Musik von Soko ja auch etwas "hysterisch", etwa wenn sie - während hinter ihr die Post-Punk-Gitarre nach The Cure klingt - fragt, "Who´s gonna wear the pants, who´s gonna water the plants?". Interessanter in dieser ersten Single vom neuen Album ist aber fast die Zeile "Have you ever thought of being a man? Do you think it would ease your pain?" Dann wird im Song sogleich jemand zum Verrotten in der Hölle verdammt. Willkommen im Universum der Soko.
Alles beim (ja nicht unspannenden) alten? Oder manchmal klitzeklein nervende Nabelschau? "But like everything I do, I fail", will uns die Künstlerin weismachen, im Song "I Come In Peace".
Die ehemals dunklen Haare der jetzt Endzwanzigerin sind nun blond, was Soko optisch ein wenig rüberkommen lässt wie eine Mischung aus früher Madonna, 80er Punk-Pop-Sängerin Wendy James, Grunge-Ikone Courtney Love, und, ah, Miley Cyrus. Dieser Vergleich würde Soko wahrscheinlich aber am besten gefallen: Penelope Houston, die kalifornische Punk-Sängerin von The Avengers - mit ihren blonde Haaren in den 70er Jahren.
Doom&Gloom?
Genug ge-punk-rockt am neuen Soko-Album, durchatmen bei "Bad Poetry". "It´s bad poetry" wiederholt Stéphanie Sokolinski immer wieder in diesem Stück, das sie zusammen mit der Warpaint-Schlagzeugerin Stella Mozgawa geschrieben hat. Als nächstes folgt der Album-Titelsong "Dreams Dictate My Reality" in bester Doom&Gloom-Goth-Manier: "Lost and found, I´ve lost my mind. I don´t even know how to smile, I´m just trying to keep my sanity." Träume, "bellt" Soko mit französischem Akzent, Träume sollen das sein, ohne fliegende Elefanten und singende Delphine? "I just hear people dying ... my dreams reflect my insanity."
Was sagt Soko, die in Interviews gerne erstaunt ist, dass man fälschlicherweise glauben könnte, sie ist dauerhaft schlecht drauf, zu ihrem neuen Album?
"I´ve worked my ass of to make it super personal, and poured all my blood and tears and sweat and love in it, and hope you’ll enjoy it. It’s a lot more dreamy, punky, gothy, 80’s sounding. I recorded most of it in LA with super producer Ross Robinson (who produced my favorite band, The Cure!) It talks about all my failures and dreams and wounds from childhood. But sounds a lot more upbeat. I’ve had a lot of fun playing the new songs live so far and cannot wait to come to all of your cities and play all over the world and share some mega cuddle puddle times with everyone."
Konzerttipp: Soko spielt am 13. März im Flex in Wien
A lot more upbeat? Na ja, na ja. Aber der Album-Opener "I Come In Peace", ja, da sind sie zwar wieder, die "Stimmen im Kopf" der Soko, aber das Stück trappelt superhübsch dahin; einmal keine Albträume, sondern fast schon eine entspannt tagträumende Stéphanie Sokolinski. Das steht ihr gut. Genauso schön ist auf andere Weise das letzte Stück am Album, "Keaton´s Song". Soko erst nur mit akustischer Gitarre, dann mit Streichern und voller Instrumentierung. "Please read me poems and make me laugh", bittet Soko. Das ist (wieder) harter Stoff im unschuldigen Mädchen-mit-akustischer-Gitarre-Gewand. Macht Gänsehaut wie lange kein Song mehr.
Auf zwei Songs macht Ariel Pink mit, der Lo-Fi-Avantgarde-Star aus Los Angeles, der Sokos Kurzfilm "Monster Love" inspiriert hat. Im vor zwei Jahren erschienen Soko-Film geht es um ein Monster mit gebrochenem Herzen, das die Liebe einer Meerjunfgrau gewinnen möchte, aber dann mit einem anderen Monster - gespielt von Soko - endet. Das ist Romantik a la Soko. Süchtig machender Stoff.