Erstellt am: 28. 2. 2015 - 10:35 Uhr
Einübung ins Verbrechen

gemeinfrei
Vor 130 Jahren fand in Berlin die sogenannte „Afrika-Konferenz“ statt, auch als „Kongo-Konferenz“ oder „Berliner Konferenz“ in die unrühmliche Kolonialgeschichte Deutschlands eingegangen. Vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 hatte der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck Delegierte aus 13 europäischen Staaten (darunter Österreich-Ungarn, Frankreich, Großbritannien, Italien, Russland, Schweden-Norwegen), aus den USA und aus dem osmanischen Reich nach Berlin eingeladen - die „Handelsfreiheit“ am Kongo und am Niger sollte geregelt werden.
Das Ergebnis der Konferenz war nichts weniger, als die Aufteilung Afrikas unter den damaligen Großmächten, denn das Schlussdokument, die „Kongoakte“, bildete die Grundlage für die Aufteilung Afrikas in Kolonien. Dazu wurden – in Abwesenheit afrikanischer Repräsentanten und ungeachtet der existierenden Lebensräume afrikanischer Bevölkerungsgruppen – die künftigen Staatsgrenzen wie mit einem Lineal gezogen.

Bernard Akoi-Jackson; © Nii Aja
Diese in Berlin beschlossene Aufteilung sei die Ursache der meisten Konflikte und Kriege in Afrika bis heute, sagt der Politologe Yonas Endrias. Das erst spät in den Kreis der Kolonialmächte aufgerückte Deutsche Reich erhob damals Ansprüche auf Gebiete der heute unabhängigen Staaten Togo, Kamerun, Namibia, Tansania, Ruanda und Burundi.
130 Jahre später, am 28. Februar 2015, versucht nun die Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz mit Vorträgen, Installationen, Performances, Filmen, Poetry Slam und Konzerten eine künstlerisch-wissenschaftliche Annäherung an die Verwicklung Deutschlands in den Kolonialismus, das Ganze unter dem Titel: „Afrika- Konferenz. 130 Jahre Berlinisierung eines Kontinents und Einübung ins Verbrechen“.
Die Programmmacher der Volksbühne stellen dabei eine Verbindung von der Konferenz 1885 bis zur heutigen Flüchtlingspolitik Deutschlands her:
“Die Berlinisierung eines Kontinents, der in Afrika auch von Deutschen vollzogene Massenmord an der indigenen Bevölkerung (beispielsweise durch den Genozid an den Herero und Nama in Namibia oder im Maji-Maji-Krieg in Tansania) markiert nicht nur den Auftakt für die Völkermorde des 20. Jahrhunderts. Bis heute und über die Unabhängigkeit der afrikanischen Länder hinaus wirken die in der Kolonialmetropole Berlin getroffenen Entscheidungen nach; etwa durch die Wertabschöpfung lokaler Reichtümer und Arbeitskräfte durch transatlantische Konzerne, oft gerahmt durch politische Assoziationsverträge.
Unter anderem angesichts der Flüchtlinge, die tausendfach im Mittelmeer und vor der westlichen Wohlstandsgrenze sterben, ist das in der Hauptstadt Deutschlands aktuell kultivierte Selbstbild, moralischer und politischer Taktgeber der Festung Europas und seiner Peripherie zu sein, doppelbödig. Scheint in dem offenbar immer stärker werdenden 'German Empire' der 'weiße Retter' gar wie ein gespenstischer Wiedergänger der Vergangenheit durch?“
Um dieses Thema kreisen die Diskussionsrunden und Vorträge am Nachmittag. Dabei werden sämtliche Salons, Nischen, Bühnen, Hinterbühnen, Treppenaufgänge und Foyers des Hauses bespielt. Schon vor dem Portal der Volksbühne ist ab 15:00 Uhr die Skulptur „les herós invisible“ von Philip Metz zu sehen, zeitgleich läuft in der Kassenhalle die Installation Adler Afrika/Bodycount“.
Im Sternfoyer kann man die kamerunische Küche probieren, im Parkettfoyer läuft der Film „Befreien sie Afrika!“ ( Martin Baer) im Loop. Viele andere Filme werden bis zum Abend parallel zu den Podiumsdiskussionen auf der Hinterbühne und in den Foyers gezeigt.
Besonders interessant verspricht die Installation von Markus Öhrn, „Bergman in Uganda“, zu werden.

Markus Öhrn
Der schwedische Künstler hat für seine neue Video-Installation in den Slums von Kampala, der Hauptstadt des Westafrikanischen Landes Uganda gefilmt. In Kampala gibt es die einzigartige Tradition der Live-Filmübersetzung. In kleineren Video-Hütten in den Slums rund um die Hauptstadt werden Filme, meist Blockbuster aus allen Ländern, vorgeführt, begleitet, moderiert und kommentiert von einem unterhaltsamen Vee-Jay, der den Zuschauern nicht nur die Handlung erklärt und die Dialoge übersetzt, sondern auch versucht, westliche Lebens- und Verhaltensweisen verständlicher zu machen. Die VJs sind große Stars in Kampala und haben ein festes Stammpublikum. Markus Öhrn bat einen der dort populärsten VJs, den Film „Persona“ von Ingmar Bergman vorzuführen. Er filmte dieses besondere Kinoerlebnis und übersetzte den Live-Vortrag in englische Untertitel. Auf einer Leinwand sehen wir die afrikanische Interpretation des VJ, auf einer weiteren Leinwand die stumme Kopie von Bergmans Film, sehen ihn nun durch die Augen eines VJs aus Westafrika - seine Erläuterungen führen durch die immer obskurer scheinenden Bilder- und Problemwelten einer seltsamen Gesellschaft, der Aufprall zweier Kulturen ist unvermeidbar.

Markus Öhrn
Am Abend um 20:30 Uhr startet dann im Großen Haus eine afrikanisch-deutsche Poetry-Slam-Show, bei der die traditionelle Kunstform des Storytelling, wie sie zum Beispiel in Westafrika immer noch weit verbreitet ist, mit der neueren Variante „Spoken Word“ zusammen gebracht wird. Eingeladen sind die renommierten Poeten Wanjiku Mwaurah (Kenia) und Benedict Koyo Quaye (Ghana) sowie die Poetry Slammer Temye Tesfu, Fatima Mamouni und Zoe Hagen.
Das Konzert der FOKN Bois aus Accra bildet dann den Abschluss der Afrika-Konferenz. Das Rap-Duo ist mit seinen provokanten Lyrics und progressiven Beats auch über die ghanaischen Landesgrenzen hinaus bekannt, wird auf internationale Festivals eingeladen und auch von europäischen Radiosendern gespielt. Nach ihrem Auftritt im Großen Haus sind die FOKN Bois auch zum endgültigen Ausklang des Afrika- Marathons als DJs im Roten Salon zu sehen.