Erstellt am: 12. 6. 2014 - 10:44 Uhr
Best Crowd In A Long Time
Freund T. schlägt meine Einladung, ob er nicht zum (Openair-)Konzert der Kings Of Leon in Wiesen im Burgenland mitkommen möchte, aus. Er tut das nicht leichtfertig, aber er hat zwei Argumente: Erstens hat er gerade mit Dingen zu tun, die es im Leben gibt, und verglichen mit denen ein Konzert einfach keine Bedeutung hat, und zweitens, so meint T. ehrlich, sind Bands, die irgendwann im Lauf der Zeit zu einem Massenphänomen geworden sind, oft nicht so sein Ding. Fair enough.
Das Wetter ist jedoch herrlich, und ich hab die Kings Of Leon vor Jahren an eben jener Location in Wiesen spielen gesehen, als sie noch kein „Massenphänomen" waren. Also fahre ich hin, an jenen Ort, der eine der ersten österreichischen Festival-Locations war. Ich mag Wiesen noch immer gerne, auch wenn ich mich stets wieder verfahre am Weg von Wien, und Mattersburg im Burgenland mindestens drei Mal umkreise, um nach Wiesen zu gelangen, obwohl es so einfach wäre, wenn man gleich außerhalb von Wien die richtige Abfahrt nehmen würde. Wie auch immer, aber das war vielleicht der Grund, warum ich den "special guest" der Kings Of Leon verpasste: Madsen aus Deutschland. Caleb Followill, der Sänger der Kings Of Leon, bedankt sich artig irgendwann im Laufe des Konzerts der Kings Of Leon bei Madsen. "Ich hoff", so Caleb Followill, "ich hab den Namen richtig ausgesprochen."

Franz Reiterer
Come on out and Dance, if you get the Chance
Die Kings Of Leon sind höfliche Männer, auch wenn, wie sie in einem Interview mit einem großen britischen Musikmagazin anlässlich der Veröffentlichung ihres aktuellen Albums sagten, sie das nicht immer so ganz waren: Gerade was junge Frauen betrifft, habe man sich öfter danebenbenommen, beichteten die Predigersöhne da; jetzt, wo die Followill-Brüder und ihr Cousin allesamt mit Models, Musikerinnen und anderen tollen Frauen verheiratet sind und zum Teil auch Kinder haben, „sehen wir, dass wir uns oft schlecht benommen haben“, sagen die Kings Of Leon. Das war damals, zu Zeiten von Songs wie „Molly's Chambers“, als vier junge Typen als rauhbeinige Retter des US-Rock´n´Roll gehypet wurden, damals als sie etwa auch in Wiesen spielten. Heute benimmt sich kein Followill mehr daneben, und „Molly's Chambers“ steht auch nicht mehr auf der Set-List des Abends. Das ist irgendwie schade, einfach der Energie dieses Songs wegen, aber die Uhr lässt sich nicht mehr zurückdrehen.
Ich muss ja zugeben, ich bin nach dem Hit „The Bucket“, den ich noch immer liebe, und der gut rübergekommen ist an diesem Konzertabend in Wiesen, weitgehend ausgestiegen. Was die Kings Of Leon nun so machten, den Grammy-Rummel und all die weiteren Hits habe ich nur am Rande mitverfolgt. Ich bin erst mit dem letzten Herbst erschienenen aktuellen Album der Band wieder eingestiegen, mit „Mechanical Bull“. Bullenreiten, das ist nichts Schönes, wenn auch etwas Romantisiertes; Bullenreiten ist grauslich, weil voller Tierqual, aber zum Glück gibt es ja auch den „mechanical bull“, in diesem Fall ein Album, das klingt, wie ein gutes modernes US-Rockalbum klingen kann.
"Würden die Kings Of Leon also gar so einen mechanischen Bullen als Stage-Prop mit dabei haben?", sorge ich mich kurz, während ich zum dritten Mal Mattersburg umrunde. Nein, so sehe ich später, die Band reitet natürlich auf keinem Bullen ein. Das wär' ja gar zu blöd. Stattdessen gibt es Visuals, die mal hübsch, aber auch mal etwas "blöd" sind. Große Autos sieht man da etwa, aber auch schöne Blumen-Animationen und zarte Totenköpfe, während die Band ihren "no-frills"-Rock spielt – die Hits, die Hits, aber auch etwa meinen Lieblingssong vom aktuellen Album: „Wait For Me“.

Franz Reiterer
Ich mag Caleb Followill am liebsten, wenn seine sehnsuchtsvolle Stimme zur Geltung kommt, was an diesem Abend nicht immer der Fall ist. Der Sound, der Sound – ich bin ja keine Sound-Fetischistin, aber man musste sich schon ein Platzerl suchen, um sich sound-mäßig irgendwie wohl zu fühlen: Weiter hinten war besser, oder draußen, dort wo, ja, die VIP-Toilette war, von da wehten die Kings Of Leon und ihre Songs ganz gut rüber. Ich hätte auch gern mehr von den Texten verstanden, aber das bin wahrscheinlich nur ich, als eingeschweißter Kings Of Leon Fan kennt man die sowieso in und auswendig, und singt sie sofort mit, wenn ein Lied beginnt: „Be Somebody“ oder „Use Somebody“.
"Go on, take my hand, when we see the band" (Kings Of Leon, "Back Down South", 2010)
Also, ich hab ja eine Weile gebraucht, um dann doch noch recht gut reinzukippen, nämlich bei „On Call“, und dann mit „Back Down South“ und eben „Stay With Me“. Schön fand ich auch, wie ein Tambourin und Marimbas, gerade als der Sound ein richtiges Rockgewitter war, zum Einsatz kamen, auch schön beleuchtet.
Insgesamt fasziniert mich die Geschichte der Followill-Brüder aber manchmal beinahe mehr als ihre Songs: dieses Aus-dem-Nichts-Kommen und es-Schaffen. Jahrelang auf Fußböden übernachten, während man mit dem Predigervater unterwegs ist und spielt. Und dann irgendwann in die Rockstar-Liga aufsteigen. Das ist im Fall der Followill-Männer eine schöne Geschichte. Auch dass ihre Musik einerseits so modern klingt, so aktuell, so im Hier und Jetzt, dass sie alles hat was zeitgenössische Rockmusik vielleicht braucht, um ein großes Publikum anzuziehen, und andererseits, dass sie so tief in der Vergangenheit verwurzelt ist: Southern Rock und so; ein "richtiger" Mann - nein, der muss nicht zwingend unsensibel sein!, eine Stimme, eine Gitarre und Cowboyboots, das hat natürlich etwas Klassisches, etwas, das in der Rock&Popmusik immer wieder größer zum Zug kommen wird, wahrscheinlich auch noch in tausend Jahren, wenn auch zwischendurch gern als old-fashioned gebrandmarkt.

Franz Reiterer
Ja, und dann spielen die Kings Of Leon noch „Black Thumbnail“ und den Über-Hit „Sex On Fire“. Ihr wart „the best crowd in a long time“ sagt Caleb Followill, and he means it; nein, das ist kein anbiederndes Star-Getue. Der älteste der Followill Brüder, Nathan, kommt nun an den Bühnenrand und wirft seine Drumsticks in die Menge. So schnell kann ich mich gar nicht ducken, fliegt so ein Ding schon gegen meinen Kopf. Glück gehabt, ja wirklich, dass ich mir schnell die Hände vors Gesicht halte. Aber keine Zeit zum Nachdenken, bei all den leuchtenden Augen, darunter die des österreichischen Kulturministers. Ja, Josef Ostermayer war auch hier. Ich fasse den Mut, den freundlich wirkenden Mann anzureden, ob er quasi ein Fan der Kings Of Leon ist, oder insgesamt, als gebürtiger Burgenländer, sozusagen hier ein wenig einer Art Patriotismus fröne. Ostermayer – tatsächlich ein freundlicher Mensch – lacht: Ja, er besitzt Platten der Kings Of Leon, und er findet die Band sehr toll. Also, schön war´s, das Konzert der Kings Of Leon, und insgesamt, wieder einmal in Wiesen.