Erstellt am: 8. 6. 2014 - 19:24 Uhr
Das Indie-Zeltfest
Das Wasser ist türkis. Die Sonne knallt. Es riecht nach Holler. Die Kinder auf den Fahrrädern zwitschern"Grias Di" im Vorbeifahren und ein Beton-Steher am Bahnhof trägt wahre Worte gelassen zur Schau: "Kaff" meint Kleinreifling, wo am Pfingstsamstag das Seewiesenfest seinen 20. Geburtstag gefeiert hat.
_body.jpg)
Daniela Derntl
Gratuliert hat nicht nur der gesamte Ort, der sich an diesem Tag auf der lauschigen Seewiese getummelt hat, sondern auch EMA, Wye Oak, Ja, Panik, M185, Yasmo, Cid Rim und Thumpers.
_body.jpg)
Daniela Derntl
In den zwanzig Jahren haben mehr als hundert Bands auf der Seewiese gespielt. Da kommen auch schon allerhand gute und abstruse Geschichten zusammen, wie mir Festival-Organisator Michael Hagauer verraten hat:
2006 haben Deichkind nach ihrem Konzert mit dem lokalen Fleischhauer auf seiner Terrasse bis in die frühen Morgenstunden gegrillt und getrunken. Den Tourbus mit der Aufschrift "Gotteskrieger" haben sie währenddessen neben der Kirche am Ortsplatz geparkt.Die sprachlichen Barrieren zwischen dem Hamburger- und Ennstaler-Dialekt sind seitdem angeblich Geschichte.
_body.jpg)
Daniela Derntl
2009 hat die britische Indie-Dance-Band Metronomy in dem Bach neben der Seewiese eine vermeintliche Tretmine gefunden. Die Feuerwehr musste ausrücken und hat das umliegende Areal abgesperrt. Doch zum Glück war es falscher Alarm: die Tretmine hat sich als alte KFZ-Trommelbremse herausgestellt.
_body.jpg)
Daniela Derntl
Vor kurzem war der Festival-Organisator Michael Hagauer in einem Coffeeshop in New York und der Barista hinter der Bar hat sich als der Bassist der amerikanischen Indie-Rock-Formation Lower Dens entpuppt, die 2012 beim Seewiesenfest gespielt hat. Der konnte sich noch gut an Kleinreifling erinnern, denn dort hat er das beste Gulasch seines Lebens gegessen, das auch heuer wieder über dem offenen Feuer lodert.
_body.jpg)
Daniela Derntl
Die denkwürdigen Anekdoten, die sich heuer auf dem Seewiesenfest zugetragen haben, werden wohl erst im Laufe der Zeit durchsickern.
Es war auf alle Fälle ein großartiger Bade-Nachmittag und entspannter Abend in familiärer Atmosphäre. Kleine Kinder huschen am Gelände umher, die Feuerwehr spielt Gondolieri mit Gebirgsrettungsbooten und zwischen die Ortsgemeinschaft haben sich auch einige Besucher aus Amerika, England und Belgien gemischt.
Das Seewiesenfest ist dank seiner beschaulichen Größe, der malerischen Lage und dem ausgesuchten Line-Up ein Festival-Geheimtipp, anscheinend auch über die Landesgrenzen hinaus.
_body.jpg)
Daniela Derntl
Neben Musik gibt es auch noch Impro-Theater und eine Poetry-Slam-Bühne, die von der amtierenden Ö-Slam-Meisterin Yasmin Hafedh alias Yasmo slammend eröffnet und rappend beschlossen wird.
_body.jpg)
Daniela Derntl
_body.jpg)
Daniela Derntl
M185 kleben die T-Shirts schon vor ihrem Auftritt auf dem Rücken: "Wir haben noch nie so viel vor einem Auftritt geschwitzt wie hier!" bekennt das Quintett und dem Publikum geht es ähnlich. Streichfähig wie Butter flocken sie im Gras vor der Bühne, doch mit der Zeit lassen sie sich von den inbrünstigen Gitarrenwänden der Band aufrichten und zum Tanzen bitten.
_body.jpg)
Daniela Derntl
Erfrischter Diskurs-Pop kommt von Ja,Panik, die ihre erhitzten Köpfe am Nachmittag im 17° warmen Wasser gekühlt haben. Auf dem aktuellen Album "Libertatia" nageln sie mit Leichtigkeit ihre Wahrheiten in beschwingte Noten. In schwarzer Existenzialisten-Arbeitskluft mischen sie die neuen Songs mit alten Hadern wie "Alles hin, hin, hin" und "Trouble". Vor "The Evening Sun" im Chor mit dem Publikum neigt dann auch die Sonne ihr Haupt. Kühle Nachtluft macht sich breit, das Sinnieren, sich in einem Ja,Panik-Song wiederzufinden und verstanden zu fühlen, bleibt.
_body.jpg)
Daniela Derntl
Wow! Wye Oak sind ein virtuos rockendes Duo aus Baltimore, das sich nach drei Indie-Folk-Platten neu erfunden hat. Auf ihrem aktuellen Album "Shriek" flirten sie leidenschaftlich mit Rhythmus und Pop. Jenn Wasner hat ihre Gitarre durch einen Bass ersetzt und Drummer Andy Stack hat mit Synthesizern experimentiert. Live ist es eine Freude ihnen zuzusehen, wie sie nur zu zweit einen derart druckvollen Sound zimmern. "Reduce to the Max" ist nie verkehrt.
_body.jpg)
Daniela Derntl
Erika M. Anderson alias EMA feiert am Seewiesenfest den Abschluss ihrer sechswöchigen Europa-Tournee. Der Schlafmangel kann ihrer Laune keinen Abbruch tun, aber auf der Bühne merkt man ihn doch. Die von ihr gewohnte, stimmgewaltige Punk-Exaltiertheit in der Tradition der Riot-Grrrls blitzt nur phasenweise auf. Das Konzert war trotzdem sehr gut, denn sie ist eine Performerin, die auch bei niedriger Flamme strahlend hell ins Publikum leuchtet und lodert.
_body.jpg)
Daniela Derntl
Zuckersüße und weltumarmende Melodien schleudert die britische Formation Thumpers ins Publikum. Marcus Pepperell und John Hamson Jr. kennen sich schon seit der Schule und besingen auf ihrem Debüt-Album "Galore" ihr Coming-Of-Age. Musikalisch einwandfrei, aber mit der Zeit dann doch "more of the same". Dem Publikum ist das aber egal, freudig summt es mit und tanzt, tanzt, tanzt.
_body.jpg)
Daniela Derntl
Wer noch kann, holt sich von Cid Rim eine Breitseite Future Bass und Beats ab. Der Wiener Produzent ist sehr entspannt und redet via Mikrofon mit dem Publikum: "Lasst euch Zeit, richtig leiwand wirds erst in zehn Minuten". Die Leute kennen aber kein Halten, einige stürmen die Bühne. In dieser hochprozentigen Entfesselung findet das Seewiesenfest einen gebührenden Abschluss. Auf weitere 20 Jahre!
_body.jpg)
Daniela Derntl