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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

30. 4. 2014 - 09:55

This Dark Thing: Was ist Goth(ic)?

This is Goth! Anlässlich der Tour der Sisters Of Mercy ein wenig zum Thema "Goth(ic)".

Goth Special im House of Pain

Das House of Pain wird heute, Mittwoch, zwei Stunden lang zum House of Goth: Christian Fuchs & Dr. Nachtstrom reisen in die legendäre schwarze Szene der frühen 80er zurück. Mit dabei bei dieser Black Celebration rund um Bands wie The Cure, Bauhaus oder Siouxie & The Banshees: Nina Hofer, Paul Kraker, Eva Deutsch, Christian Holzmann und Eva Umbauer, die sich als glühende Fans entpuppen, wenn auch großteils ohne eine Vergangenheit in Sachen modischem Firlefanz und waffenscheinpflichtiger Haarkreationen.

Zu hören am Mittwoch, 30. April, ab 22 Uhr und gleich im Anschluss an die Sendung für sieben Tage unter fm4.orf.at/7tage.

Nick Cave ist oder war nicht happy, wenn er und seine erste Band, The Birthday Party, als "goth" bezeichnet wurden. Auch Andrew Eldritch, der als "Godfather", oder zumindest einer der "godfathers of goth" gilt, ist nicht ganz entspannt, wenn er darauf angesprochen wird. "Goth, gibt es das überhaupt noch?", meinte zuletzt etwa Joel Gibb von den Hidden Cameras, als er im FM4-Interview über seine Single "Gay Goth Scene" sprach: Goth, so Joel Gibb, heißt heute wohl eher "Emo".

Es handelt sich jedenfalls um etwas, das mit Außenseitertum zu tun hat. "Goth" als Schimpfwort. Aber was ist "Goth" nun genau? Wie klingt Goth-Music? Wo kommt sie her, wer hat sie begründet?

Nick Cave - kein Goth nicht?

Insgesamt könnte der Anfang von "Goth" von der britischen Band Siouxsie & The Banshees ausgehen. Sängerin Sioux Sioux trug schwarze, hochtoupierte Haare, dunklen Lippenstift und schwarz geschminkte Augen. Erst - 1976 - eigentlich noch recht dezent, später so richtig schön übertrieben. Darkly inclined. Bansheees sind "Moorhexen". Der Bandname deutet also auf Übersinnliches hin, auf Morbides, das Okkulte und auch auf das "Böse". Die Musik ist harsch, der britische Popkulturjournalist Simon Reynnolds beschreibt sie so: "Scything guitar patterns, high-pitched basslines that often usurp the melodic role and beats that are either hypnotically dirgelike or 'tribal' - African polyrhythmic. There´s a flanging guitar effect, producing a brittle, cold and harsh sound that contrasts with the psychedelic rock predecessors. The vocal style is deep and droning."

Siouxsie & The Banshees - Album "A Kiss In The Dreamhouse"

Polydor

Siouxsie & The Banshees - "A Kiss In The Dreamhouse", 1982
Floodland/Sisters Of Mercy Album 87

WEA

"Floodland", 1987

The Sisters Of Mercy spielen am 14.5. im Posthof in Linz und am 18.5. im Gasomter in Wien.

Susan Dallion, wie Siouxsie eigentlich heißt, war künstlerisch aber auch inspiriert von The Velvet Underground und deren Sängerin Nico, die mit etwas harschem deutschem Akzent sang. Ein Song wie "All Tomorrow´s Parties" könnte also einer der allerersten "gothic" Rocksongs gewesen sein. Aber auch Jim Morrison und die Doors waren "gothic", obwohl natürlich niemand unter Jim Morrison einen Proto-Goth verstehen würde. Auch Leonard Cohen war gewissermaßen "gothic".

Tiefe, dramatische Stimme, und im verdunkelten Zimmer sitzend im Kerzenschein die Gedichte der französischen 19.Jahrhundert Lyriker Rimbaud und Baudelaire lesen, das ist "gothic".

Auch David Bowies Stimme hatte etwas an sich, das "gothic" war. Ein junger Bowie-Fan namens Peter Murphy gründete 1978 in der wenig glamourösen nordenglischen Stadt Northampton seine Band Bauhaus. Und vielen gelten Bauhaus - noch mehr als Siouxsie & The Banshees - als erste Goth-Band. Der Bandname kam von einer deutschen Kunstbewegung der 1920er Jahre. Überhaupt kamen diese ersten Goth-MusikerInnen mehr von der Kunstschule als von der Straße. Sie waren Post-Punk. So wie etwa Joy Division, denn auch wenn Ian Curtis kein "Goth" mit in den Himmel wachsenden Haaren war: die britische Musikpresse schrieb über den Sound von Joy Division etwa, "there are dark strokes of gothic rock".

The Cult Albumcover 93 (Live)

Beggars Banquet

The Cult, vormals Death Cult: ebenfalls britische Gothic-Rocker

This Dark Thing

Zeitgleich gründeten sich in den USA etwa die Cramps. Auch wenn diese Band letztlich insgesamt mehr dem Garage-Rock zugeordnet wird, Lux Interior, Poison Ivy und Co waren auch "goth", obwohl vor ihnen längst Iggy Pop da gewesen war, der auch einer der Gothic-Rock-Urväter ist. Siouxsie Sioux coverte dann etwa auch seinen Song "The Passenger".

1976 war auch jenes Jahr, in dem der Roman "Interview With A Vampire" der US-Schriftstellerin Anne Rice veröffentlicht wurde, der auch zur "Goth"-Entwicklung beitrug. Im selben Jahr veröffentlichten in England The Damned ihr erstes Album. Diese Punk-Band hatte mit Sänger Dave Vanian einen beinahe leibhaftigen Vampir; Vanian hatte obendrein tatsächlich einmal als Totengräber gearbeitet. Es dauerte aber noch bis in die frühen 1980er Jahre, bis gothic people einen Ort zum Abhängen in London bekamen: das Batcave ("Fledermaushöhle"), ein Club in dem auch Bands auftraten, etwa The Cure. Deren 1982er Album "Pornography" ist dann auch ein Standard-Werk des Gothic-Pop, etwa direkt neben "Juju" von den Banshees, die inzwischen Nachahmerinnen hatten. Moorhexen revisited? Na ja, eher Pop-Moorhexleins: Strawberry Switchblade aus Schottland.

This Mortal Coil Album (Drittes) 90er Jahre

4AD

This Mortal Coil:

Ethärische Goth-Liedkunst vom Feinsten aus den 90er Jahren

Eine härtere Goth-Gangart in England legten Killing Joke hin, oder auch The Sisters Of Mercy, eine DER Goth-Bands schlechthin. Bei den Sisters war auch einmal ein gewisser Wayne Hussey, der dann mit seiner Band The Mission ziemlich große Goth-Pop Erfolge feiern sollte. Andere Bands wiederum trugen lange schwarze Ledermäntel und Schlapphüte aus eben jenem Material und staubten sich Mehl ins Gesicht. Du lieber Himmel. Hießen sie Fields Of The Nephilim? Und da bin ich klitzeklein mitten drin im "Herabschauen" auf - zumindest einen Teil des Goth-Genres. Das "pfui pfui"-Sagen der Goth-Gegner bzw. ihr auf Teile dieses Genres zu Schimpfen, ist ja fester Bestandteil der Goth-Kultur. Goths wollen schließlich leiden, heißt es gerne, sie wollen als Außenseiter behandelt werden.

Aber auch der Electropop von Depeche Mode hatte "Goth"-Elemente. Neben London war in Europa wohl Berlin die bedeutendste Goth-Stadt, und Martin L.Gore von Depeche Mode zog 1984 auch eine Weile nach Berlin. Sein ex-Bandkollege Vince Clarke hatte das Synthpop-Duo Yazoo gegründet, zusammen mit der Sängerin Alison Moyet, die - eigentlich eine oldschool Soul-Shouterin - auch ein wenig den Goth-Style pflegte. Die "dark wave" umklammerte damals auch selbst den aufkommenden Electropop.

Goth-Musik heute

Trent Reznor mischte in den 1990ern in seinen so erfolgreichen "Industrial"-Alternative-Rock einen ordentlichen Batzen "goth" hinein; auch trat er später etwa mit Peter Murphy von Bauhaus auf. Die alten "heroes" können diese Heldenverehrung durchaus gebrauchen, vorallem jene, die zwar einflussreich waren, aber nicht Abermillionen von Platten verkauften wie The Cure.

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Andere Neo-Goths wieder, wie die finnische Band Him, hatten mit ihrem Metalpop voller Goth-Pathos vor ein paar Jahren eine große Mainstreamkarriere. US-Rockbands wie Fall Out Boy sind Goth-Punk - was bei ihnen "Emo" heißt. Ein wenig Metal, ein bisschen Punk, dazu Dark-Wave-Anleihen und eine Popsängerin als Frontperson: Evanescence oder Paramore heißen diese neuen Goth-VertreterInnen.

Dum Dum Girls Albumcover "Too True"

Sub Pop

Dum Dum Girls - "Too True", 2014

Wenn die britische Electropop-Band Client auftritt, ist es im Publikum stets neben den "normalen" Fans auch recht "dark", will heißen, die Band hat - vorallem in Deutschland - Fans, die sich dezidiert der Gothic-Bewegung zuzählen, auch wenn Client keine anachronistische Goth-Band an sich darstellen, sich aber durchaus auch auf Goth beziehen.

Die US-Band Dum Dum Girls singt auf dem neuen Album von "Rimbaud Eyes" und klingt verdammt "gothic", und davor coverte sie auf einem Minialbum einen Song von Strawberry Switchblade. Die Horrors aus London sind unashamed goths; die Sängerin der Savages klingt wie Siouxsie Sioux und sieht aus wie Ian Curtis usw. usw.

Fest steht, auch wenn heute kaum jemand mehr schwarzgewandet und penibel als Tote/r geschminkt bei Friedhöfen sitzt, Goth will never die, niemals, wie immer genau seine Spielarten auch klingen/anzusehen sein mögen.

P.S.: Was ist ein "Moth"? Ein Mod-Goth. Als solcher zeigt sich etwa der Sohn von Britpop-Legende Paul Weller. "Oben" Emo-Goth - die Haare, die Schminke, und "unten" Mod - Hose mit Bügelfalte und schicke Loafers.

Goth Special im House of Pain

Das House of Pain wird heute, Mittwoch, zwei Stunden lang zum House of Goth: Christian Fuchs & Dr. Nachtstrom reisen in die legendäre schwarze Szene der frühen 80er zurück. Mit dabei bei dieser Black Celebration rund um Bands wie The Cure, Bauhaus oder Siouxie & The Banshees: Nina Hofer, Paul Kraker, Eva Deutsch, Christian Holzmann und Eva Umbauer, die sich als glühende Fans entpuppen, wenn auch großteils ohne eine Vergangenheit in Sachen modischem Firlefanz und waffenscheinpflichtiger Haarkreationen.

Zu hören am Mittwoch, 30. April, ab 22 Uhr und gleich im Anschluss an die Sendung für sieben Tage unter fm4.orf.at/7tage.