Erstellt am: 17. 4. 2014 - 10:30 Uhr
"Drawing" mit Hand und Fuß
David Shrigley kennt München und München kennt David Shrigley. Letztes Jahr hat der in Glasgow lebende Künstler einen Gedenkplatz für Michael Jacksons Affen Bubbles errichtet. Und damit für Empörung unter den Jackson-Fans gesorgt. Die haben das Orlando di Lasso Monument am Promenadenplatz zu einem Erinnerungsort für den Popstar umgewidmet. Shrigley hat bei der benachbarten Statue von Kurfürst Max II Emanuel dasselbe für Jacksons Affen gemacht. Und mit einer einfachen Devotialen-Sammlung eine Diskussion angeregt, rund um die Frage, für wen Monumente errichtet werden und wo. Durch die Aktion ist auch Bernhart Schwenk, der Kurator der Pinakothek der Moderne auf Shrigley aufmerksam geworden. Auf den bildenden Künstler David Shrigley, der mehr als nur Maler ist, der Mann mit zahlreichen Buchpublikationen seiner comicähnlichen Bildersammlungen.

ondrusova
"Drawing" von David Shrigley ist bis 11.August in der Pinakothek der Moderne in München zu sehen.
David Shrigley hat an der Kunstuni in Glasgow studiert, bei seinem Abschluss 1991 hat man ihm nicht viel Hoffnung gemacht, es im Kunstbetrieb „zu schaffen“. Was Shrigley nicht daran gehindert hat, seinen Weg zu gehen. Selbst kopierte Büchlein mit seinen Zeichnungen im Pub verkaufen, Cartoons für eine schottische Tageszeichnung machen. Malen, malen, malen. Gruppenausstellungen, Einzelausstellungen. Hier ein Video für Blur, dort eines für Bonnie Prince Billy.
Letztes Jahr ist David Shrigley für den Turner Preis nominiert worden. In zwei Jahren wird seine Bronze-Skulptur namens „Really Good“ – eine überdimensionale Daumen-Hoch-Hand – den Trafalgar Square in London zieren. Er hat für ein Restaurant in London Möbel designt, bereitet sich auf eine Ausstellung in Australien vor, wird heuer ein Spoken-Word-Album mit Malcolm Middleton von Arab Strap veröffentlichen. Ein neues Buch soll auch kommen. David Shrigley wird nicht langweilig werden.
Angesprochen auf die Zeit an der Uni und dass es doch bemerkenswert ist, dass er sich nicht hat verbiegen lassen, meint Shrigley, dass wohl jeder Künstler ein wenig Arroganz in sich tragen muss, sonst wird das mit dem Selbstvertrauen nichts. Er sagt auch so schöne Sätze wie: „I also think I'm a natural artist for lack of a better phrase. Even if I was working as a gallery guide which I did for many years I'd still be doing art at home. I´m one of those people that need to do art, so it doesn’t matter whether you tell me that I´m bad at it I´m still going to do it!”

David Shrigley

Ondrusova

Sebastian Winkler

Ondrusova
David Shrigley ist ein komischer Künstler. Seine Bücher, seine Zeichnungen sind sowohl das beste Geschenk für Freunde als auch für Feinde. Es ist nicht für jeden. Eine kleine Kantinen-Umfrage hat ergeben, dass nicht alle meine Lieblingspassage aus seinem Buch „What The Hell Are You Doing? The Essential David Shrigley“ lustig finden. Zu sehen ist eine Person, die sich von Gott wünscht, dass sie am nächsten Tag statt zwei Augen nur ein Auge hat. Banal für die einen, genial für die anderen. Wer kommt auf sowas? Oder: Ein Bild von einem Pinguin, der von einem Pfeil getroffen wurde. Oder: Der Schriftzug „Crap“ und davor diese typische Shrigley-Strichfiguren mit Sprechblasen die sagen „It´s brilliant!“. Sein Buch „How Are You Feeling? At The Center of the Inside of the Human Brain's Mind” ist besser als jedes Buzzfeed-Quiz der letzten und der kommenden Jahre.

Nicole Wilhelm
David Shrigley über Inspiration und Kreativität: "A lot about creativity is just about making associations between things that you already know. So you have a lot of information on your mind and the creative thing I suppose is just making associations between those things. What I do when i´m drawing is just kind of 90% inspiration and 5% perspiration and another 5% surfing the internet. But i´m really aware that when i´m doing that my brain hurts in a very special way it hurts in the front when i´ve been doing a lot of creative things. It hurts in a different place when i´m doing other things. I noticed when I was learning French it hurts at the back of my head!"
Seine Zeichnungen haben etwas Kindliches, sind simpel, manchmal vielleicht banal, manchmal ums Eck gedacht, witzig - je nach Humorverständnis des Betrachters natürlich. Sehr oft auch tragisch. „Ganz kurze Geschichten, Situationen werden da geschildert, die aber auch emotional aufgeladen sind. Auf einer zweiten Ebene entwickelt sich eine Tiefe, die das Menschliche im Universum reflektiert!“, meint Kurator Bernhart Schwenk.

Nicole Wilhelm
Bei Shrigleys erster Einzelausstellung in der Münchener Pinakothek der Moderne sieht man gleich zu Beginn eine Wand mit überdimensionalen Händeabdrücken, die der Ausstellung eine „handmade“ Note verleihen. Man sieht eine Collage seines „Poster Projects“ aus 2006. Als Shrigley über seine Website aufgerufen hat, man möge ihm doch Anlässe schicken, für die er Poster entwerfen soll. Von Geburtstag über Hochzeit bis zum Begräbnis. Ausgestellt ist auch ein Staubsauger-Roboter, der statt zu saugen, seine Spuren auf Papier gezeichnet hat.

Ondrusova
Der wichtigste Teil der „Drawing“ Ausstellung ist allerdings ein paar Tage vor der Ausstellungseröffnung entstanden. Shrigley hat die Skulptur eines in lässiger Pose stehenden Skellets in der Pinakothek aufgestellt. Hinter verschlossenen Türen und unter strengem Fotoverbot hat eine ausgewählte Gruppe von Museumsbesucherinnen – vom Kleinkind bis zum Gerichtszeichner - eine Zeichnung dieser Skulptur angefertigt. Und diese Aktion über Twitter dokumentiert.
Bei der Ausstellung ist von der Skulptur nur noch der Sockel zu sehen. Die eigentliche Arbeit sind die ausgestellten kollektiven Zeichnungen, die Interpretation der Besucherinnen. Die Künstler und Rezipient-Hierarchie wird aufgebrochen. Auch sehr schön: endlich in einer Ausstellung zu sein, bei der Tafeln mit Jahreszahlen nicht notwendig sind. Man kann es auch zeitlose Kunst nennen.