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Katharina Seidler

Raschelnde Buchseiten und ratternde Beats, von Glitzerkugeln und Laserlichtern: Geschichten aus der Discommunity.

12. 3. 2014 - 17:29

7 Dinge, die wir an der De:Bug vermissen werden

Die De:Bug, das Magazin für elektronische Lebensaspekte, für Musik, Medien, Kultur & Selbstbeherrschung, wird nach der nächsten Ausgabe eingestellt.

Debug 178 Cover "OMG DAFUQ VORBEI"

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Dass es dem Printsektor nicht gut geht, wissen wir nicht erst seit den neuesten Verlautbarungen des Standard oder Michael Fleischhacker. Man hat auch andernorts davon gehört: das Magazin The Gap bekommt für eine mittelgut bezahlte Angestelltenstelle fast dreihundert Bewerbungen, das Wirtschaftsblatt hat laut Ingrid Brodnig im aktuellen Falter soeben zwanzig Mitarbeiter zur Kündigung angemeldet. Wie gerne würde man angesichts all dessen ein gallisches Dorf in Berlin orten, dessen Bewohner sich für immer und erfolgreich gegen das Zeitungssterben und die Medienkrise zur Wehr zu setzen wissen, stattdessen traf uns gestern aber die umso traurigere Nachricht, dass es nach sechtzehn Jahren mit unserer Lieblings-Bibel für elektronische Lebensaspekte, für Musik, Medien, Kultur & Selbstbeherrschung zu Ende geht.

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De-Bug.de

Elektronische Lebensaspekte. Musik, Medien, Kultur & Selbstbeherrschung.

De:Bug-Chefredakteur Sascha Kösch kündigte in seinem gestern veröffentlichten Text die kommende Ausgabe 181 als die "wahrscheinlich letzte" an:

"Ein unabhängiges Magazin (manchmal denken wir immer noch es wäre eine Zeitung) zu machen, ist in den letzten Jahren immer schwieriger geworden und die Beine, die man sich dafür ausreißen musste, wachsen auch nicht nach."

Und weiter:

"Die Welt explodiert in Medien, die Konkurrenz für umsonst ist überall, die Margen werden immer kleiner und die Mischkalkulationen immer ausufernder. Dazu droht immer die große Schere: Alles für umme und alles jetzt sofort. Und so schön das ist, als Zeitung ist man eben einfach langatmiger. Außerdem will man ja auch den langen Text, den schweren, wenn es sein muss, den gewichtigen, und nicht nur das schnelle Futter. Kleine, unabhängige Hausküchen mit einem unerklärlich unausrottbarem Hang zum traditionellen Medium, können in diesem Umfeld nur schwer überleben."

Die MitarbeiterInnen der FM4 Redaktion verdrücken ihre Tränen einzeln in jenen Ecken, in denen sie sich im De:Bug-Universum am wohlsten Gefühlt haben.

De:Bug nimmt Abschied
Die De:bug, das Berliner Magazin für elektronische Lebensaspekte, hat nach 16 Jahren das Heft-Aus bekannt gegeben. So fühlt sich das aus der Innenperspektive an. (Felix Knoke)

  • 1. You say “DE:BUG”, I say “wow!“

Die elektronische Musik ist nicht so meins, ich bevorzuge die analoge Welt des Spiels und diverse technische Schnickschnack-Geräte interessieren mich nur am Rande. Warum ich dennoch immer wieder gern zur De:Bug gegriffen habe und etliche Ausgaben mehrere Wohnungsumzüge miterleben durften, hat einen anderen Grund: die Gestaltung der De:Bug. Da wurde lässig, aber gekonnt mit Typographie gespielt. Da hatte man weder Angst vor großformatigen Fotos, noch vor freiem Raum. Da wurde stilvoll mit Farben navigiert. Hinzu kamen grafische Feinheiten, Illustrationen und Piktogramme, die des Öfteren ein leises „wow“ verursachten. Klar, das bieten andere Magazine mittlerweile auch. Aber die De:Bug war schon ganz früh ganz vorne mit dabei und hat den Weg für gelungene Gestaltung vorgegeben. Und ja, natürlich gab es auch Rückschritte auf diesem Weg - etwa nach der Formatumstellung. Dennoch – die De:Bug hat ihren fixen Platz in meinem Gestaltungshimmel. (Zita Bereuter)

  • 2. Berlin

De:Bug war immer auch eine Berliner Angelegenheit. Aus den Wirren der frühen Techno-Medien entstand ein Magazin, dass die damals noch neue Hauptstadt ernstgenommen hat. Clubs und Institutionen wie E-Werk, das Ostgut, das Berghain oder das Hardwax, quasi mytische Orte für die Beschäftigung mit moderner Tanzmusik waren der fruchtbare Nährboden für die Berichterstattung in der De:Bug. In die Falle der provinziellen „Berlin bei Nacht“ Reportagen sind sie trotzdem nie getappt. De:Bug hat Berlin zum Sehnsuchtsort werden lassen, eher diskret und zwischen den Zeilen. (Martin Pieper)

  • 3. Der Synthie-Test

Die Besprechungen von analogen und digitalen Musikinstrumenten waren, auch wenn man noch nie einen Synthesizer bedient hat von eigener Poesie. Mit ein bisschen Übung und ein paar Ausgaben De:Bug konnte man Velocity, LFO und MIDI-Out in ein Gespräch einfließen lassen. Und wenn dann ein Gerät aus einer kleinen „schwarzwälder Analogmanufaktur“ vorgestellt wurde, konnte man sich als LeserIn schon fast wie ein forschendes Mitglied von Kraftwerk vorkommen. (Martin Pieper)

  • 4. Schreiben über Techno

Wortlose Musik wie Techno hat auch eine neue Sprache produziert, mit der man sich über die Musik verständigen konnte. De:Bug war da ein wichtiger Vorreiter. Während Spex noch mit der Aufarbeitung der Hamburger Schule beschäftigt war, und sich die frühe Technopresse (Frontpage) in kommerzieller Selbstaufgabe und kokainschwangerer Selbstüberschätzung auflöste, war De:Bug in der Lage, Detroit, Minimal oder sonstige Spielarten von Techno in Worte zu fassen, ohne auf Biografisches oder gar Lyrics-Analyse zurückgreifen zu können. (Martin Pieper)

  • 5. Netzpolitik trifft Kulturtheorie

Ein Sensorium für das Wesen des Netzes und alle damit in Zusammenhang stehenden politischen, gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Dynamiken zu finden, ist eine Gabe, die weder IT-News-Portale (zu newsig und technikbehaftet) noch wissenschaftliche Analysen (zu schwer greifbare Bezüge zu Medientheorie) haben. Die De:Bug allerdings hat in diversen Dossiers immer wieder Analyse mit Alltag im Netz verbunden und dabei oft bestimmte Denkprozesse erstmals manifest gemacht, die uns anderen davor nur so vage über dem Kopf herummäandert sind. (Robert Glashüttner)

  • 6. Elektronische Lebensaspekte und Selbstbeherrschung

Von Selfie-Erörterung bis zur Spielzeugtheorie: Die Blattlinie und inhaltliche Bandbreite der De:Bug war prinzipiell mit elektronischer Musik, Musikproduktion, Design, Mode, Computer- und Netzkultur und Poptheorie recht stringent, in ihrer jeweiligen Ausformung aber immer wieder überraschend. Wer mit der etwas hochnäsigen "Selbstbeherrschung", derer sich das Magazin verschieben hat und die wohl auch eine auf Papier gebrachte Variante der ostentativen Coolheit beim Weggehen und Partymachen war, nichts anfangen konnte, war doch immer wieder von der kreativen und vielseitigen Interpretation der "elektronischen Lebensaspekte" erfreut. Das war das, was es sonst kaum wo gab: Clubkultur trifft auf Computerspiele, Netzpolitik auf Native Instruments. (Robert Glashüttner)

  • 7. Die Liebe zur Rezension

Der Umfang der Plattenrezensionen in der De:Bug, allen voran geschrieben von Reviewweltmeister Sascha Kösch alias Bleed, grenzte an liebevollen, sorgfältigen, kleingedruckten, fantastischen Irrsinn. Es zeigt die Ernthaftigkeit im Umgang mit und dieLiebe zur Musik, dass dort Monat für Monat nicht nur sämtliche relevante Alben aus dem im weitesten Sinne elektronischen Bereich rezensiert wurden, sondern auch einen Großteil der erschienenen und zu erwartenden Singles, EPs, Remix-Platten, oft zwar nur mit einer Handvoll kurzer Sätze, immer aber mit - unter diesen Umständen natürlich bei dem oder der LeserIn oft vorausgesetzten - unbedingtem Fachwissen und Begeisterungsfähigkeit. Killer. (Katharina Seidler)