Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "NSA und GCHQ immer stärker unter Druck"

Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

26. 1. 2014 - 17:18

NSA und GCHQ immer stärker unter Druck

Die Datenabgriffe der NSA sind laut Untersuchungkommission rechtlich nicht gedeckt. EU-Menschenrechtsgerichtshof akzeptiert Klage gegen britischen NSA-Partner GCHQ.

Obwohl es keine neuen NSA-Enthüllungen gab, überschlugen sich die Nachrichten zum Thema in der vergangenen Woche weiter. Am Donnerstag wurde der Bericht der von Präsident Barack Obama eingesetzten Expertenkommission vorab im Netz veröffentlicht. Die fünf Rechtsexperten kamen dabei zum einhelligen Ergebnis, dass der kollektive Abgriff aller Kommunikationsdaten aus den Glasfaserleitungen der Telekoms rechtlich nicht gedeckt sei und daher illegal erfolge.

Die NSA hatte sich dabei bis dato immer auf den Abschnitt 215 des sogenannten "Patriot Act" berufen, ein Notstandsgesetz, das nach den Attentaten im Jahr 2001 beschlossen worden war. Der Paragraf 215 ermächtigt das FBI, im Rahmen von Ermittlungen Firmen zur Herausgabe von Daten zu zwingen, wenn diese Daten für den betreffenden Fall relevant seien.

"NSA nicht autorisiert"

"Das NSA-Programm zum Massenabgriff von Telefoniedaten habe "kaum eine Ähnlichkeit mit dieser Beschreibung", stellte die Kommission. Die von der NSA abgegriffenen Datensätze stünden erstens in keinem Zusammenhang mit FBI-Ermittlungen, zum zweiten sei die Vorgabe in "Section 215" des Patriot Act, dass es sich dabei um "relevante" Daten handeln müsse, nicht erfüllt.

"Dieses Gesetz ermächtigt nur das FBI im Rahmen der Ermittlungen den Zugriff. Es autorisiert die NSA hingegen nicht dazu, irgendetwas abzugreifen", lauten die Schlussfolgerungen des "Privacy and Civil Liberties Oversight Board".

Der Autor des "Patriot Acts"

Der Kongressabgeordnete James Sensenbrenner (R), der dieses Gesetz im Jahr 2001 eingebracht hatte, gehört längst zu den entschiedensten Gegnern der NSA-Überwachung. Sensenbrenner hat einen Gesetzantrag im Kongress eingebracht, der einschneidende Veränderungen im Geheimdienstwesen vorsieht.

24 Klagen gegen die NSA-Spionage sind mittlerweile in den USA anhängig, Die jüngste Klage der American Civil Liberties Union wurde erst am 30. Dezember eingereicht. Wie die Begehren von Microsoft, Google und Yahoo zielt sie auf die Veröffentlichung geheimer Anordnungen des FISA-Geheimgerichts ab

Davor hatte Sensenbrenner US-Geheimdienstkoordinator James Clapper bezichtigt, den Kongress angelogen zu haben und ein Gerichtsverfahren gefordert. Der Geheimdienstkomplex konnte bis jetzt nur einen einzigen Fall nennen, in dem die Metadaten aus den Telefonienetzen - wer mit wem wann wo telefoniert - eine nennenswerte Rolle im "Krieg gegen den Terror" gespielt hatten. Ein US-Taxifahrer hatte eine Spende an eine Organisation in Somalia geschickt, die von den USA als terroristisch eingestuft wird.

Premiere für Verizon

Zum ersten Mal trat auch Verizon an die Öffentlichkeit und gab die Zahl der administrativen Verordnungen und Gerichtsbeschlüsse zur Datenweitergabe an die Behörden bekannt. Im Jahr 2013 waren das 230.000 Anfragen nach Datensätzen, darunter auch "National Security Letters" (NSL), mittels derer der geheime Gerichtshof FISA die Datenabgriffe der NSA autorisiert.

Die Anzahl dieser Autorisierungen wurde mit "1000 bis 1999" angegeben, es werden also pro Tag drei neue dieser speziellen Ermächtigungen ausgestellt. Genutzt werden sie eben nicht, um in Verdachtsfällen Ermittlungen voranzutreiben, sondern für den Abzug sämtlicher Verkehrsdaten.

Verizon allein liefert täglich über eine Millarde Datensätze an die NSA. Für diese Menge an Metadaten sind eigene Glasfaserleitungen nötig. Die nun veröffentlichten Zahlen des "Verizon Transparency Report"

Telekoms und Komplizenschaft

Dass Verizon nun erstmals die Öffentlichkeit informierte, ist insofern bedeutsam, weil die beiden führenden Telekoms Verizon und AT&T bis dahin eisern zum Thema NSA geschwiegen hatten. Beiden Firmen sind aber nicht nur Telekoms im herkömmliche Sinne, sie sind auch führende Anbieter im Carriergeschäft mit weltumspannenden Glasfasernetzen.

Zwei leuchtende Glasfaser-Steckkabel.

Linleo - Fotolia.com

Da diese Leitungen auch in der Vernetzung des global agierenden Militärkomplexes eine tragende Rolle spielen, ist dies für beide Firmen ein milliardenschweres Geschäftsfeld. Weil der Massenabgriff von Daten zudem mit großzügigen Remunerationen verbunden ist, standen Verizon und AT&T von Anfang an im Ruch bezahlter Komplizenschaft.

GCHQ vor europäischem Gericht

Auch in Großbritannien, wo die Regierung David Camerons bisher allen Vorwürfen mit ostentativer Ignoranz begegnet war, kommen die Dinge in Bewegung. Die Dynamik geht dabei allerdings nicht von London, sondern einer europäischen Institution aus.

privacy not prism

Privacy Not Prism

Am Freitag hatte "Privacy Not Prism" - eine Koalition britischer Bürgerrechtsorganisationen - bekanntgegeben, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die gemeinsame Klage angenommen habe. Davor waren alle Versuche gescheitert, das "Investigatory Powers Tribunal", einen geheimen Gerichtshof nach amerikanischem Muster, über das britische Justizsystem zur Rechenschaft zu zwingen.

Schnellverfahren gegen GCHQ

Im Oktober entschloss man sich daher, den Menschenrechtsgerichtshof anzurufen. Der EGMR hatte am Freitag nicht nur entschieden, die Klage zuzulassen, sondern sie auch in einem Schnellverfahren abzuhandeln. Wie in den USA ist auch hier die zentrale Frage, auf welcher rechtluichen Basis diese flächendeckenden Überwachung der Kommunikationsnetze erfolgt.

Die Klage vor dem EGMR wurde vom englischen PEN-Club, Big Brother Watch, der Open Rights Group und CCC-Sprecherin Constanze Kurz eingebracht. Die für den Anfang benötigte Summe von knapp 30.000 britischen Pfund wurde über einen Aufruf im Netz binnen 48 Stunden aufgestellt.

Von besonderem Interesse des in Strassburg ansässigen Höchstgerichts ist dabei auch die Herkunft der Daten, die das GCHQ verarbeitet und wie der Datenaustausch mit nicht-europäischen Diensten funktioniert. Das britische GCHQ benutzt bekanntlich nicht nur dieselben Methoden wie sein US-Gegenstück die NSA, sondern ist Mitbetreiber und gleichberechtigter Partner im weltumspannenden Überwachungsverbund. Die Regierung Cameron muss die Fragen des Menschenrechtsgerichtѕhofs bis 2. Mai beantworten, danach entscheidet das Gericht über die weiteren Schritte.

Mehrheit gegen NSA-Praktiken in den USA

In den USA bröckelt bröckelt derweil die Unterstützung für die Massenüberwachung. Hatte es im Juni 2013 noch einen ungefähren Gleichstand gegeben, so lehnt nun eine Mehrheit der US-Bürger die Methoden der NSA-Überwachung ab. Laut der neuesten Umfrage des Forschungsinstituts Pew Research steht es nun 53 zu 40 Prozent zwischen Gegnern und Befürwortern.

Die Meinungsumfrage von Pew zeigt den Erosionsprozess ganz klar. Die Unterstützung für die NSA-Praktiken erodiert quer durch alle Altersgruppen und Bevölkerungsschichten

Auch die übrigen, von Pew erhobenen Zahlen zeigen denselben Trend. Auch die Zahl der Unentschlossenen steigt, dabei handelt es sich überwiegend um ehemalige Befürworter.

Apple und Microsoft

Ebenfalls am Freitag gab Apple-Chef Tim Cook dem TV-Sender ABC eines seiner seltenen Interviews. Cook schwor dabei Stein und Bein, dass Apple seine Netze nicht für die NSA geöffnet habe, doch dabei blieb es auch. Wie Google und alle anderen Internetfirmen steht auch Apple unter der vom Geheimgericht FISA verhängten Schweigepflicht.

Tags davor hatte Brad Smith, der Rechtsbeauftragte von Microsoft in der Financial Times erklärt, dass der Konzern nun verstärkt auf Kundenwünsche reagieren werde, was den Speicherort der Daten anbetrifft. Microsoft bietet diese Option, Daten nur außerhalb der USA zu speichern bereits für seinen Cloud-Service "Office 365" an, das soll nun auf weitere Services ausgedehnt werden

"Lawful Interception"

Wie sehr die Welt der Geheimdienste bereits auf die Polizeibehörden ausgeweitet worden ist, sieht man European Telecom Standards Institute. Der dort vorangetriebene Standard für "Lawful Interception" in der Cloud basiert auf einem von der NSA sabotierten Generator von Zufallszahlen, der in vielen Smartphones bereits verbaut ist. Jede Verschlüsselung wird dadurch ausgehebelt.

Was die Legalität der flächendeckenden Datenabgriffe durch die NSA angeht, so wird in allen einschlägigen Verordnungen stets nur das FBI angesprochen. Auch in Großbritannien wird ein ganz ähnliches Spiel zwischen GCHQ und Polizeibehörden gespielt. Eine Einheit des GCHQ namens NTAC führt auch "Lawful Interception" für die Polizeibehörden durch.

Dieser Begriff bezeichnet die herkömmliche , auf einem Gerichtsurteil basierende Überwachung. Beide Dienste kommen so nicht nur an die Daten des betreffenden Falls, sie speichern auch sämtliche anderen Daten, die im Rahmen dieser Überwachung angefallen sind. In diesem Sinne ist auch ein Manöver des FBI zu sehen, das irgendwann nach Beginn der Snowden'schen Enthüllungen durchgeführt worden sein muss. Erst um den Jahreswechsel wurde bemerkt, dass die "Mission" des FBI umdefiniert worden war. Die ursprüngliche Mission war seit jeher "law enforcement" - also Strafverfolgung. Das wurde nun durch "nationale Sicherheit" ersetzt.