Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Adieu Atomic Cafe"

Daniela Derntl

Diggin' Diversity

4. 11. 2013 - 18:50

Adieu Atomic Cafe

Auweh! Das Atomic Cafe in München muss zusperren. Der Mietvertrag läuft Ende des Jahres aus und eine passende Ersatz-Location ist noch nicht in Sicht.

Wenn Clubs sterben, ist das immer eine traurige Sache. Kulturell bedauernswert und fatal für Fans. Wohin geht die Szene, wenn sie des Wohnzimmers verwiesen wird? Natürlich wird sie sich Ersatz suchen, aber den muss es erst mal geben bzw. als Club zugelassen werden. Konzert-Locations sind eben nur die Darlings der Besucher, nicht der Vermieter, Hauseigentümer und Anrainer.

Atomic Café

Atomic Café

Kiosk = Trafik = Garderobe im Atomic Cafe

Diese leidige Erfahrung musste jetzt Christian Heine, einer der beiden Geschäftsführer und Booker des Münchner Atomic Cafes machen. Seit zwei Jahren weiß er, dass der Mietvertrag für das Lokal in der Neuturmstraße 5, Mitten in der Münchner Altstadt, ohne Option auf Verlängerung auslaufen wird. Sein Versuch, sich mit den Vermietern doch noch zu einigen ist gescheitert. Die wollen am 1. Jänner ihre Goldgrube zurück, die sie wahrscheinlich viel ertragreicher an jemand anderen vermieten können. Christian Heine vermutet, dass die snobistische Bekleidungskette von nebenan das Atomic Cafe schlucken möchte. Die haben zwar schon drei Filialen in München, aber das macht doch nichts! Flaghipstore statt Indie-Flaggschiff. Diese kulturellen Kollateralschäden der Gentrifizierung kennt man ja schon aus anderen Großstädten.

Atomic Café

Atomic Café

Das ist keine Bar, sondern antrophosophisches Space-Age-Design mit runden Ecken in warmen Farben

Doch Christian Heine und sein Team geben das Atomic Cafe nicht kampflos her. Er hat einen Anwalt eingeschaltet, der jetzt vor Gericht darum streitet, dass die Indie-Institution zumindest bis zum Frühling offen bleiben darf. Denn das Geld, das in den Wintermonaten verdient werden würde, könnte man für einen eventuellen Neustart gut gebrauchen. München ist ein teures Pflaster. Miete, Ausbau, Umbau, Technik, das alles kostet horrende Summen und eine Ablöse für das Interieur im Space Edge Design wird es nicht geben. Ein neuer Club würde neue Schulden und ein neues Brauerei-Darlehen bedeuten. Ob sich Christian Heine sich das nochmal antun will, ist die Frage.

Doch die würde sich ohnehin erst stellen, wenn ein passendes Ausweichquartier gefunden wäre. Und das ist Mangelware. Eventuell zieht das Atomic Cafe auch einfach einen Stock tiefer, in das leerstehende Kellerlokal. Das wäre eine Option, die für Christian Heine aber auch einen Haken hat: „Dieser leere Club ist fast doppelt so groß wie das Atomic Cafe und deshalb nicht so gut geeignet, um dort ein Atomic Cafe 2.0 zu machen. Wegen der doppelten Größe müsste man ja auch programmatisch einiges ändern und kommerzieller werden. Und da haben wir nicht wirklich Lust drauf“.

Eine verzwickte Sache, München ohne Atomic Cafe prickelt wie schales Bier. Nämlich gar nicht!

Atomic Café

Atomic Café

Ohne Atomic Cafe ist München nicht mehr Groovy, Baby!

Ein Verlust des Atomic Cafes würde nicht nur ein Loch in die lokale Musiklandschaft reißen, sondern auch in den Tourplan vieler Indie-Rock und Garagen-Bands. Für die gibt es dann noch die Mufferthalle, das Backstage, das Strom und das Feierwerk als Konzert-Location in München, aber kaum eines hat so einen guten Ruf wie das Atomic Cafe. In den 17 Jahren seines Bestehens ist hier das Who-Is-Who der Indie-Szene aufgetreten: Muse, Mumford&Sons, Kaiser Chiefs, Raveonettes, Gossip, Artic Monkeys und unzählige mehr.

Christian Heine schätzt, das seit 1997 über 2000 Konzerte vor dem silber-glitzernden Bühnenvorhang stattgefunden haben. Am liebsten erinnert er sich an die Auftritte von Pete Doherty, der mit den Libertines, den Babyshambles und auch Solo hier zu Gast war.

Highlight: Als während des Babyshambles-Konzert Petes Handy klingelt, er zu spielen aufhört und auf der Bühne stehend fünf Minuten lang mit einem Freund oder vielleicht Kate Moss plaudert und danach mir nix, dir nix, weiterspielt. Sein „Fuck Forever“ im Sinne des Neigungsgrupplichen „Gfickt für immer“ trifft hoffentlich nicht für das Atomic Cafe zu. Es wäre einfach zu schade!