Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Dizzee geht Großraum-Disco!"

Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

23. 10. 2013 - 14:58

Dizzee geht Großraum-Disco!

Auf "The Fifth" wendet sich der herausragende Grime-MC Dizzee Rascal endgültig dem Eurodance zu - mit Gästen wie Robbie Williams, Will.I.Am und Sean Kingston. Fremdscham dominiert!

Es ist jetzt etwas mehr als zehn Jahre her, dass Dizzee Rascal mit seinem Album Boy In Da Corner erstmals ins Rampenlicht trat. Dank seiner zutiefst britischen Auslegung von Beats & Raps und der markanten Stimme wurde der MC schnell über seine Heimat London hinaus bekannt

Kürzlich ist das fünfte Album von Dizzee Rascal erschienen – und trotz durchaus hörenswerter Vorab-Tracks kam bei der Ankündigung etwas Angst auf: Gastauftritte von Robbie Williams, Will.I.Am und Sean Kingston wirken auf dem Papier eben nicht gerade vertrauenerweckend. Aber wie schlimm kann das Album in der Praxis wirklich sein?

Schon der Opener Superman gibt die Richtung vor: Die Großraum-Disco oder das Open Air-Rave ist scheinbar der Platz, wo sich Dizzee 2013 wohlfühlt – oder wo er zumindest hinwill. Im Interview gibt Dylan Mills zu Protokoll, auf dem letzten Album hätte er nur seine Zehe reingesteckt, auf The Fifth tobt er sich im Swimming Pool des Glücks hingegen so richtig aus. Hat er gerade "Swimming Pool des Glücks" gesagt?

Jetzt kann man Künstlern ja nicht prinzipiell vorwerfen, dass sie weiter nach oben wollen. Und das glamouröse Superstar-Dasein findet auch 2013 nicht im versifften Underground Club statt, sondern in den EDM-Hoteldiscos von Las Vegas, wo die Guettas und Tiestos wohnen. Soweit, so logisch. Aber muss man deshalb wirklich einen abgehalfterten Popstar wie Robbie Williams mit auf die Radio-Single holen?

Eines kann man Dizzee Rascal allerdings zu Gute halten: Von Los Angeles, dem Ort an dem der Großteil der Platte entstanden ist, hat es ihn nicht nur in die Glitzerwelt von Vegas gezogen, sondern er hat auch seinen Freund Bun B von der legendären UGK Crew in Houston besucht. Der dort mit Trae The Truth entstandene Song ist in jedem Fall eines der Highlights des Albums.

Dass es zwischen Großraum-Kompatibilität und HipHop-Credibility auch einen Mittelweg geben kann, zeigt ein Stück namens Spend This Money gemeinsam mit Tinie Tempah, einem der mittlerweile erfolgreichsten UK Rap Künstler. Und auch die Vier-Viertel-Bassdrum muss nicht zwingend zwischen Dizzee Rascal und einem guten Track stehen. Den besten Beweis dafür liefert der vom britischen Producer-Urgestein MJ Cole gezimmerte Bonustrack Bassline Junkie, in dessen Video Dizzee Rascal und ein Freund die Menschen zu Bass-Liebhabern konvertieren gehen.

Dizzee Rascal

Letztlich muss man aber bei allem Wohlwollen sagen: Fünf erträgliche bis sehr gute Songs von dreizehn sind leider zu wenig. Vor allem, wenn sich dazwischen solche musikalischen Untiefen wie die Zusammenarbeiten mit Sean Kingston, Will.I.Am oder eben Robbie Williams auftun – und die allerschlimmsten Stücke wurden hier mit Rücksicht auf den guten Geschmack gar nicht erst erwähnt.

I plead the fifth hatte es in der Promo-Kampagne zum Album geheißen, eine Anspielung auf das US-amerikanische Justizsystem, in dem Menschen mit diesem Spruch verhindern können, sich vor Gericht selbst zu belasten. Leider hat Dizzee Rascal das mit diesem Album aber ungewollt doch gemacht, denn sein musikalisches Vermächtnis ist jetzt für immer angepatzt.

Ihm selbst wird das aber vermutlich egal sein, denn sich und seine Beweggründe zu erklären, hat der Londoner ja schon länger satt. Wie heißt es da so schön in einem der herausragenden Stücke am Album: I Don’t Need A Reason. Trotzdem schade!