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Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

1. 10. 2013 - 13:15

Too Much Information About Worst Behaviour

Das neue Drake-Album "Nothing Was The Same" klingt sehr gut - aber leider nicht sehr glaubwürdig.

Ehrlich gesagt: Warum dieser Aubrey Drake Graham unter seinem Mittelnamen in den letzten fünf Jahren einen derart kometenhaften Treppenaufstieg in Richtung Thronsaal des Raps hingelegt hat, erschließt sich mir nicht ganz. Vielleicht liegt es ja am Alter und/oder an der Sozialisation, aber der Nabelschau-Rap, den der Kanadier im Windschatten von Kanye West's 808s & Heartbreak sehr erfolgreich als neues Sub-Genre etabliert hat, wirkt auf mich oft unaufrichtig und aufgesetzt. Vor allem, wenn auf vermeintliche Offenherzigkeit und Verletzlichkeit zwei Zeilen weiter arrogante und/oder frauenverachtende Sprüche folgen.

Zugegeben, das kann man seinem großen Vorbild zurecht auch zum Vorwurf machen. Aber zumindest ist Kanye in Sachen Gesamt-Vision und Sound-Konzept dem Rest meistens voraus. Drake und sein Produzenten-Buddy Noah "40" Shebib hingegen schaffen mit extrem guten Gefühl für eingängige Melodien und Songwriting zeitgeistige Rap-Musik mit viel Pop-Appeal - nicht weniger aber auch nicht mehr.

Drake

All diesen Vorbehalten zum Trotz ist Nothing Was The Same ein sehr unterhaltsames Album geworden. Neben dem offensichtlichen Kanye West-Einfluss hat sich Drake diesmal auch eine Scheibe bei Kendrick Lamar und seinem "zwei-Songs-in-einem"-Konzept abgeschnitten. So schaltet etwa Furthest Thing für die letzten 1 1/2 Minuten von ruhigem Drake-Sound auf soulige Jake One-Hymne um und der erste Track Tuscan Leather darf auch einmal Beat wechseln, ein paar inspirierende Worte von Curtis Mayfield einstreuen und dann darauf auch wieder textlich Bezug nehmen: How much time is this n---a spendin' on the intro?

* Übrigens eine sehr musikalische Familie: Drake's Vater spielte Schlagzeug für Jerry Lee Lewis, zwei seiner Onkel Bass bei Sly & The Family Stone bzw. Gitarre für Al Green und viele andere

Eines hat sich nicht geändert: Im Zentrum von Drake's Universum steht weiterhin vor allem Aubrey Graham selbst. Wir hören kaum gefilterte Übertragungen direkt aus seinem limbischen System - mit gemischten Resultaten. Der melancholische und nachdenkliche Drake kommt auf den Songs From Time, Connect oder Too Much gut zur Geltung, alles darüber hinaus fällt allerdings eher in die Kategorie "So genau wollten wir es eigentlich gar nicht wissen" oder "too much information". Und wenn sich der Rapper an gängigen Rap-Narrativen wie Worst Behaviour oder Started From The Bottom versucht, klingt das zwar als Song durchaus gut, aber nicht übertrieben glaubwürdig. Denn egal wie er es selbst wahrgenommen hat, ein Aufwachsen als Teenie-Schauspieler im Torontoer Stadtteil Forest Hill ist kaum the bottom - auch nicht in Kombination mit den Sommern bei seiner väterlichen Familie in ärmeren Teilen von Memphis*.

Es ist eines der grundsätzlichen Missverständnisse zwischen HipHop und Pop, das bis heute nicht gänzlich geklärt werden konnte: Während HipHop traditionell großen Wert auf Authentizität legt, geht es im Pop immer schon um Image und Inszenierung - weit abseits der langweiligen Realität. Nun ist das Realness-Regelwerk anno 2013 zum Glück weit weniger streng als 1993, was Drake macht, ist letztlich aber eben Pop - durchaus im guten Sinne. Damit sinkt allerdings auch die Halbwertszeit: Denn wenn die erste Faszination für einige der Beats und Melodien auf Nothing Was The Same abgeklungen ist, werde ich mich wohl wieder Rappern zuwenden, denen ich ihre Geschichten eher glaube.