Erstellt am: 24. 9. 2013 - 19:01 Uhr
Disco als Weltformel
„Diskurspogo“, der Titel der aktuellsten Veröffentlichung im verdienstvollen Verbrecher Verlag beschreibt das Programm dieser Berliner Pop-Kritik-Institution ganz gut. Thomas Meinecke hat bei den Verbrechern jetzt ein Büchlein veröffentlicht, dass man auch analog dazu „Diskurs-Vogueing“ nennen könnte. Thomas Meinecke, Musiker bei der Band FSK, Schriftsteller, Radiomacher und Disc-Jockey hat von 2007 bis 2013 eine Kolumne im deutschen „Groove-Magazin“ geschrieben, die er jetzt mit einen Vorwort und Illustrationen der Künstlerin, FSK Mitglied und Ehefrau Michaela Melián zu einem Buch gemacht hat.

Verbrecher Verlag
"Disco als Weltformel der Postmoderne"
Es sind 33 kurze Vignetten über das Arbeiten als DJ, die Magie der Vinyl-Schallplatten, Sonic-Fiction und Geschlechterverwirrung. Meineckes Faible für Detroit Techno, braslilianische Candomblè Riten, sogenannte „Black Music“ und die transkontinentalen Verwerfungen der Genre- und Geschlechtergrenzen sind für Leser_innen seiner Romane und Essays wahrscheinlich nichts Neues. So komprimiert wie in diesen Kolumnen bekommt man allerdings selten Einblick in die Diskursmaschine von Thomas Meinecke, in der scheinbar mühelos, die verschiedendsten Disziplinen ge-remixed und wieder re-kontextualisiert werden. In der Langform des „Romans“ verfällt diese überschäumende Textmaschine mitunter in einen sich wiederholenden Leerlauf. Wer beim Namedropping der Philosoph-innen, Musiker_innen, Genres, und Labels aussteigt, hat schon fast verloren.

Verbrecher Verlag
Die Kolumnensammlung „Analog“ führt den Kampf von Thomas Meinecke eines „rockistischen Authentizitätsbegriff“ gegen „Disco–Realness“ weiter. Klar ist, auf welcher Seite Thomas Meinecke da steht. Zur Beweisführung lässt er seine Säulenheiligen Thelonius Monk, Roxy Music, Sylvester oder Theo Parrish antreten, zusammengehalten von der Macht des Clubs und der/seiner Arbeit des DJs, den er zum Vermittler geheimen Wissens stilisiert. Dabei muss Thomas Meinecke immer wieder den Widerspruch zwischen der Könnerschaft die in diesen Musiken steckt und seiner - vom Punk kommenden - Liebe zu Dilettantismus aushalten.

Wiki
Die Kolumnen beginnen oft anekdotenhaft mit einer "Neulich um 3 Uhr Früh..." Einleitung, schwingen in Richtung Poptheorie aus und führen dann wieder zurück zu den Bedürfnissen des Nachtlebens, Glamour und Verführung, Extase und Energie, denen sich auch Meinecke gerne unterwirft. (seine Erkenntnisse untere anderem: keine Platten mit überlangen Keyboardsolos im Club spielen, die Tänzer_innen respektieren, Theo Parrish lieber nur zu Hause wie Jazz hören.) . In seiner Verehrung einer gewissen Sorte von Club DJs steht Meinecke in einem ähnlichen Verhältnis wie Reinald Goetz zu Westbam, nur dass Goetz stets jubelnder Autor geblieben ist, und sich nie an den Plattenspielern versucht hat. Thomas Meinecke bleibt auch in Kolumnenform die „allwissende Müllhalde“, ein nie versiegender Strom an Musikbegeisterung. „Analog“ ist jedenfalls ein hervorragender Einstieg in dieses wild wuchernde Wissen, Halbwissen und die erträumte Popgeschichte des Thomas Meinecke.