Erstellt am: 30. 7. 2013 - 16:47 Uhr
ÖVP Tirol klagt kritischen Blogger
Wenn es die Aufgabe von Medien sein soll die Mächtigen zu kontrollieren, dann geht der Tiroler Blogger Markus Wilhelm darin auf. Er ist ein Unbequemer, der in den letzten Jahren immer wieder und vor allen anderen Missstände in Tirol aufgedeckt hat, ein Journalist mit einem Anliegen. Weil diese Missstände nach seinem Ermessen hauptsächlich beim Tiroler Landesenergieversorger TIWAG ihren Ausgang nehmen, hat er auch seinen Blog danach benannt: dietiwag.org.

Markus Wilhelm
Aber auch abseits der TIWAG gibt es Sachen, die Markus Wilhelm aufregen, etwa wenn Rechtsrock-Bands wie Frei.Wild oder die Böhse Onkelz Coverband Stainless Steel in Tirol auftreten, noch dazu im mit öffentlichen Geldern geförderten Veranstaltungszentrum Area 47 am Eingang zum Ötztal. Vor einem Jahr macht er den Kooperationspartner der Veranstaltung auf die fragwürdige Gesinnung der Band aufmerksam und informiert auch Journalisten. Auf seinem Blog findet sich die Geschichte erst im März dieses Jahres, knapp vor den Landtagswahlen, als die Tiroler ÖVP ihren Landesparteitag in ebendieser Area 47 abhält.
Parteitag am rechten Ort?
Markus Wilhelm, der sich selbst gerne als Zuspitzer bezeichnet, wählt für seinen Artikel zum Landesparteitag einen äußerst griffigen Titel: "ÖVP Parteitag am rechten Ort" und illustriert ihn mit dem Logo der Area 47, das mit ein paar Strichen versehen, ein angedeutetes Hakenkreuz darstellt. Im Artikel selber stellt Wilhelm hohe Landesförderungen an das private Veranstaltungszentrum in Frage und vermutet Kickback-Zahlungen an die Partei, also, dass öffentliches Geld über den Umweg der Landesförderung in die Kassen der ÖVP fließt, weil die Area 47 im Mitgliedermagazin der Tiroler ÖVP inseriert. Für ihn rieche das streng nach Politfilz, Freunderlwirtschaft und Klüngelei. Mit Verweis auf die Auftritte von Frei.Wild und anderen Rechtsrock-Bands kommt Wilhelm damals zum Schluss:
"So gesehen hat Platter für seinen angestrebten Wahlkampfhöhepunkt den stimmigsten und zur Marke ÖVP passendsten Veranstaltungsort gefunden: symbolhaft für Vorgestrigkeit und tiefen politischen Morast. Besser hätte es die ÖVP nicht treffen können."
Zu viel der Zuspitzung?
Für Markus Wilhelm hat dieser Artikel jetzt ein juristisches Nachspiel. Mit einem anonymen Mail wird er wegen Verstößen gegen das Abzeichengesetz angezeigt, wogegen er sich umgehend wehrt. Er hätte seine Illustration in aufklärerischer, nicht in propagandistischer Absicht eingesetzt. Wenig später klagen ihn Area 47 und die Tiroler ÖVP zivilrechtlich wegen Ehrverletzung, Kredit- und Rufschädigung auf Unterlassung und führen einen noch ausbaubaren Streitwert von 31.600 Euro an. Allerdings nicht wegen des Inhalts des Artikels, sondern aufgrund der Illustration und dem Anreißtext. Aufgrund einer einstweiligen Verfügung muss Wilhelm das beanstandete Bild auch sofort von der Seite nehmen.
Nur ein Vorwand?
Niemand will mit dem Nationalsozialismus in Zusammenhang gebracht werden, aber Markus Wilhelm bestreitet, dass er das im Falle der Tiroler ÖVP überhaupt getan hätte. Für die Beurteilung müsse der ganze Artikel herangezogen werden, nicht nur das Teaserbild. Seine Illustration beziehe sich nur auf die Area 47, und die hätte sich selbst in die Nähe von nationalsozialistischem Gedankengut gebracht, indem sie diese Konzerte veranstaltet hätte. Nach seiner Meinung sei die ÖVP vom angedeuteten Hakenkreuz deshalb gar nicht betroffen. Wilhelms Verdacht: die ÖVP instrumentalisiere die Area 47, um sich als Zweitklägerin anzuhängen und ihn als kritischen Journalisten "an die Wand zu nageln".
Man kann eine solche Vermutung schnell als paranoid abtun, sie wird aber nachvollziehbar, wenn man sich die Prozessgeschichte von Markus Wilhelm ansieht. Die jetzige Klage ist bereits die vierte in wenigen Jahren, an denen die ÖVP, ihre Vertreter oder die TIWAG beteiligt waren. Im größten Prozess, den um die Veröffentlichung von geheimen Cross-Border-Verträgen, ging es um einen Streitwert von existenzbedrohenden 500.000 Euro. Wilhelm hat ihn ebenso gewonnen wie den Prozess um den "Schwein-Sager" von Ex-Landeshauptmann van Staa. Bei letzterem ist er allerdings trotz Freispruchs auf Anwaltskosten von 40.000 Euro sitzen geblieben.
Dem Vorwurf, man würde die Area 47 instrumentalisieren, um Wilhelm eins auszuwischen, will Martin Mallaun, der Geschäftsführer der Tiroler ÖVP, natürlich nicht im Raum stehen lassen. Kritik sei gut und Wilhelm übe sehr viel Kritik, wenn sie auch nicht immer zutreffe, womit er sich auch gleich vom Vorwurf der Kickback-Zahlungen distanziert. In der Bebilderung des Artikels sei Wilhelm aber zu weit gegangen. "Wir wollen niemanden ruhigstellen, aber diese Sachen lassen wir uns von niemandem gefallen." Die ÖVP distanziere sich komplett vom Nazitum.
Mehr Öffentlichkeit durch Klagen
Markus Wilhelm könnte die Berichterstattung als Selbstbestätigung für seine journalistische Arbeit sehen, er würde aber doch lieber auf Klagen wie diese verzichten. In Fällen wie diesen aber, wo es um nazi-affine Bands gehe, stehe es aber durchaus dafür, das durchzufechten.
Am Mittwoch, 30.07. wird die Klage von Area 47 und ÖVP Tirol gegen Markus Wilhelm verhandelt. Wilhelm sieht seine Chancen auf Abweisung der Klage sehr gut, wenn nicht in erster Instanz, dann eben in zweiter.