Erstellt am: 14. 7. 2013 - 10:55 Uhr
Ein Tag in den Erdbeerfeldern
Back in Wiesen. Ich fahr immer gern an diese Festival-Location in den nordburgenländischen Erdbeerfeldern. Sie ist so etwas wie eine österreichische Festival-Ur-Location, bevor der Zirkus größer wurde und an andere Orte hierzulande weiterzog. Gänzlich wollte man aber auf einen Platz wie diesen nicht verzichten. Ich habe unzählige gute Erinnerungen an diesen Ort, habe etwa Trent Reznor und seine Nine Inch Nails einmal hier gesehen oder auch die Red Hot Chili Peppers, neben Hunderten anderen Bands.
Strawberry Fields Forever
Letztes Jahr gab es das Harvest Of Art zum ersten Mal, ein eintägiges Festival, wo zum Beispiel das L.A.-Frauenquartett Warpaint spielte, und schließlich Mumford &Sons die eigentlichen Headliner, die Post-Britpopper The Kooks, einfach wegfegten. Diesmal ist wieder eine Post-Britpopband der Headliner, wenn auch eine - sorry, Kooks - von anderem Format als der nette Luke Pritchard und seine Band aus Brighton: die Arctic Monkeys aus Sheffield, zuletzt etwas weniger in der britischen Vorstadt zuhause als in der kalifornischen Wüste. Aber alles der Reihe nach.
Die - weil mir gerade kein besseres Wort einfällt - sehr süßen Giantree aus Wien eröffnen am frühen Nachmittag, gefolgt von Youth Lagoon, einer hypnotischen US-Dreampop-Band, die das Projekt eines gewissen Trevor Powers ist. Der junge Mann mit den wirren Haaren kommt aus dem kalifornischen San Diego, wuchs aber in der Wildnis von Idaho auf. Ich hab ihn und seine Band ja verpasst, aber mein lieber Freund T. war bereits vor der Bühne, als Youth Lagoon spielten. T. findet die beiden Longplayer von Youth Lagoon extrem toll, und er mochte den Auftritt von Youth Lagoon, wenn dieser auch etwas verkürzt ausfiel. Insgesamt wäre dieser interessante Künstler, der hinter einer Keyboard-"Burg" stand, bei einer Club-Show besser aufgehoben gewesen.
Nach Youth Lagoon ist die dänische Band The Eclectic Moniker ("Easter Island", "Sports Sports") dran. Der von Calypso und Afrobeat inspirierte Indiepop von Frederik Vederso und Co kam gut an. Der Kontrast zur doch recht ernsthaften Angelegenheit Youth Lagoon war groß. Die Dänen als noch nachmittäglicher Stimmungsmacher, samt zwei Schlagzeugern auf der Bühne, Publikumsaufforderungen zum Händeklatschen, vielen Tattoos, Sonnenbrillen, Bärten. Nett.
Get Well Soon
Die Set List von Get Well Soon:
Let Me Check My Mayan Calendar
Last Days Of Rome
Seneca
Roland, I Feel You
Voice In The Louvre
A Gallows
We Are Free
We Are Ghosts
Oh My! Good Heart
What's Missing
Angry Young Man
A Burial At Sea
You Cannot Cast Out The Demons...
Dann: der imaginäre Vorhang auf für Konstantin Gropper und seine Band Get Well Soon. Rollen wir den roten Teppich aus für diesen sehr ambitionierten Künstler aus Biberach an der Riß, vor dem selbst die bekanntlich von kontinentaleuropäischer Musik nicht immer angetanen britischen Musikjournalisten großen Respekt haben. Gropper und seine Band in eisiger Open-Air-Kälte bei einem FM4-Geburtstagsfest, Gropper und Band als frühabendlicher Sommerfestival-Act. Get Well Soon "funktionieren" immer.
Diesmal hat er einen Flötisten mit, der unter anderem beim dem Regisseur Roland Emmerich gewidmeten Song "Roland, I Feel You" mitspielt, der auf dem aktuellen Album von Get Well Soon ist. Vom zweiten Longplayer, "Vexations", spielte die deutsche Band erstaunlich viele Stücke. Vom Debutalbum war hingegen wenig dabei. Bei "You Cannot Cast Out The Demons..." griff Konstantin Gropper wieder zu den Drumsticks, den Schlagzeuger der Band unterstützend. Sehr schön.
Kate Nash
Alle Get-Well-Soon-Instrumente - und das sind einige - sind weggeräumt: Bühne frei für Kate Nash. Kate ist jene Britin, die einen, sagen wir mal, ganz schön mutigen Weg geht. Vom Brit-School-Mädchen zwischen frech und freaky, mit großem kommerziellem Erfolg ("Foundations" etc.), zum Second-Generation-Riot-Grrl-Popstar macht DIY-Garagerock-Platte: "Girl Talk". Die Rezensionen dazu sind eher durchwachsen. Ihr ist's egal. Kate Nash - in schwarzen Netzstrümpfen und überhaupt im Punk-Outfit, spielt ihren neuen Sound beherzt. Die alten Songs, etwa "Foundations" oder "Do Wah Doo", kommen jetzt auch im neuen Sound-Gewand daher. Bass, Gitarren, Schlagzeug, kein Piano zum darauf Daraufherumhüpfen. Eine Bubblegum Kim Deal? Ja, das gefällt mir, sagt die sympathische Londonerin im FM4-Interview vor ihrem Auftritt.
Kate Nash beginnt mit "Sister" vom aktuellen Album, "Girl Talk". Die Band von Kate Nash ist eine reine Frauen-Band. "I want to see more female composers", sagt Kate Nash auf der Bühne: "Start writing fucking songs! We need more girls!" Kate kreischt. Mal klingt sie kurz wie Stevie Nicks, dann wieder eine Sekunde lang wie Courtney Love. Sie dreht sich um die eigene Achse. Sie dreht sich und sie dreht sich. "I'm dizzy now!" Dann Kate im Publikum. Später kommt das Publikum zu ihr auf die Bühne, und Kate Nash lässt sich einige Songs lang feiern. Eine Umarmung für Jede/n, dann geht man wieder artig von der Bühne. Wir lieben Kate.
Next up: Bloc Party
Die Londoner Band rund um Kele Okereke und Russell Lissack spielte letzten Sommer beim FM4-Frequency-Festival. Damals war der neue Longplayer heraußen, nachdem Bloc Party zwei Jahre pausiert hatten. Es gibt also kein neues Album, nur ein Mini-Werk kommt demnächst. Interviews geben Bloc Party keine am Harvest Of Art. Nach dem Sommer geht die Band nämlich schon wieder getrennte Wege. Man mag sich - wiedereinmal - nicht. Mal läuft alles gut innerhalb der Band, dann ist eine Kleinigkeit, und schon ist man wieder spinnefeind. Ein Gefühle-Rollercoaster, von dem man beim Auftritt von Bloc Party nichts merkte, oder doch? Einmal noch Festival-Party feiern, bevor Bloc Party gehen. Um vielleicht nicht mehr wieder zu kommen?
Vor vier Jahren spielten Bloc Party ebenfalls beim FM4-Frequency Festival, und da war die Welt der Band noch in Ordnung. Das war ein toller Auftritt. Diesmal ist doch ein wenig der Vorschlaghammer zum Einsatz gekommen. Nach dem Opener, "So Here we Are", vom ersten Album - "Silent Alarm" - schnell durch das Set, zwar mit ein paar durchaus guten Momenten, vor allem den Songs vom ersten Album, aber selbst die konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bloc Party doch eventuell ihren Zenit schon überschritten haben. Und der Drummer? Matt Tong, dieser hervorragende Drummer, war das aber nicht. Ja, weil er hat sich im Juni vor dem britischen Isle-Of-Wight-Festival mit dem Rest der Band völlig zerkracht. Bloc Party, da ist wirklich der Hund drin.
Und schließlich die Arctic Monkeys
Die Headliner des Abends. Ein absolutes Gegenbeispiel zu Bloc Party. Zehn Jahre Bandgeschichte, aber keine müde Routine. Die Arctic Monkeys, jene Band aus dem nordenglischen Sheffield, die vielleicht die letzten Helden des Britpop waren, haben eine erstaunliche Karriere und Entwicklung hingelegt seit ihrem Debutalbum "Whatever People Say I Am, That's What I'm Not". Im September kommt das neue, bereits fünfte Album des Quartetts. Es heißt "AM", wie Arctic Monkeys, oder wie AM-Radio, oder wie "a.m." und "p.m.". Passend dazu die beiden Buchstaben "A" und "M" meterhoch und über der Harvest-Of-Art-Bühne leuchtend. Der neue Longplayer wurde wieder im Rancho De La Luna Studio in der kalifornischen Wüste eingespielt - samt Gastauftritt von Josh Homme. Die Arctic Monkeys haben jetzt am Harvest Of Art, also im relativ kleinen Rahmen, schon einmal ausgetestet, wie die neuen Songs funktionieren, zumindest drei davon. Da war sogleich die neue Single, "Do I Wanna Know", samt mächtigem Refrain "crawling back to you", gefolgt vom überwältigenden "Brian Storm" vom zweiten Album der Arctic Monkeys.
Schon wie die Band auf die Bühne ging: ein Erlebnis. Der Manager - ein oldschool-Typ, ein No-nonsense-Mann, macht Backstage den Weg frei für seine Superstar-Boys. Ich bin zu langsam, komme direkt vor der Band zum Stehen. Alex Turner geht ganz vorne, eh klar, dicht gefolgt von Matt Helders, seinem großen Drummer, dann kommen die anderen. Die Hierarchie wird eingehalten bei den Arctic Monkeys.
Es geht Schlag auf Schlag. Jeder Song eine Freude. "Dancing Shoes" vom Debutalbum der Arctic Monkeys, dann "Don´t Sit Down 'Cos I've Moved Your Chair" vom noch aktuellen Album "Suck It And See", gefolgt von den Songs "Teddy Picker", "Crying Lightning" und "Brick By Brick". Dann ein neues Stück, das sich richtig gut einfügt. Alex Turner genießt mittlerweile sichtlich seinen Rockstar-Status. Seine Posen, seine Gesten, sein Kommunizieren mit dem Publikum sind Zeugnis davon. Nach den Stücken "Old Yellow Bricks", "She's Thunderstorms" und "Pretty Visitors" gibt Alex Turner den nordenglischen Charmeur, wenn er von all den pretty ladies im Publikum spricht. Passend darauf spielt die Band einen Klassiker: "I Bet You Look Good On The Dancefloor". Dann mein Liebling, das superschöne "Do Me A Favour", vom zweiten Album der Band. Matt Helders trommelt erst aus dem Handgelenk heraus, dann schiebt das Stück ordentlich an. Wunderbar. Schließlich das Titelstück vom "Suck It And See"-Album, gefolgt von "Fluorescent Adolescent". Jetzt flirtet Alex Turner wieder mit seinem Publikum: "I know that I am yours, but are you mine?", fragt er kokett. Das machte er extra wegen einem neuen Song namens "R U Mine?". Das Set wird also mit einem brandneuen Stück beschlossen.
FM4 Festivalradio
Jeden Sonntag von 13 bis 17 Uhr und danach für 7 Tage on Demand.
Aber die Arctic Monkeys kommen für Zugaben auf die Bühne zurück. Alex Turner in wunderschönem blauem Licht und mit akustischer Gitarre: "Cornerstone" und "Mardy Bum". Letzteres, ein Stück vom Debutalbum der Band, diesmal in einem anderen Klanggewand, wo das Schlagzeug erst später und zarter einsetzt. Ja, und dann quasi Grande Finale: "When The Sun Goes Down", auch vom Debutalbum der Arctic Monkeys. Kein Wunder, dass dieser erste Longplayer noch so präsent ist. Er ist noch immer eine Wundertüte. Als allerletzten Song wählten die Arctic Monkeys aber ein Stück von ihrem zweiten Album aus. Alex Turner singt "going back to 5-0-5,...in my imagination you're waiting." Dieses wunderschöne, epische Lied namens "505" beschließt ein Arctic-Monkeys-Konzert, das schlichtweg großartig war.