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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

10. 6. 2013 - 13:50

Pop-Frauen der Gegenwart

Let's talk about "pop women"!

Vor einem Jahr kam eine höfliche Anfrage von der Kunstuniversität in Graz, ob ich Interesse hätte, an einem Symposium zum Thema "Adele, Katy, Sasha und Co. Pop-Frauen der Gegenwart" teilzunehmen. Nun ja, eigentlich bin ich nicht so der universitäre Typ, aber bei einem Gespräch über Frauen in der Popmusik zuzuhören und vielleicht auch selbst etwas zu sagen, warum nicht. Ich bin seit früher Kindheit an fasziniert von Sängerinnen/Musikerinnen.

Debbie Harry - Blondie US-Sängerin

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Debbie Harry, Blondie, 1970er Jahre

Noch bevor ich die Musik von Debbie Harry, Marianne Faithfull, Donna Summer oder Kate Bush kannte, sah ich ihre Fotos in Zeitschriften. Und da waren auch die leibhaftigen Platten, die meine Mutter besaß: 7-Inch-Singles von Künstlerinnen wie Lucille Starr, eine kanadische (Country-)Sängerin, oder Eileen, eine US-Amerikanerin, die eine deutschsprachige Version vom Lee Hazlewood & Nancy Sinatra Hit "These Boots Are Made For Walking" sang. Das hieß dann "Die Stiefel sind zum Wandern". Wobei ich als Kind die Textzeile "und sie wandern über dich" etwas verstörend fand.

Wanda Jackson - zuletzt wieder aktiv, weil von Jack White aufgestöbert - sang ebenfalls especially für den deutschen Markt auf Deutsch. Das klang zwar irgendwie "komisch", samt dem dicken Akzent, aber ihre Stimme fand ich toll, und eine Gitarre hatte sie auch umgehängt, das gefiel mir gut. Das aufklappbare Cover eines Albums von Mireille Matthieu - in wunderschönen Farben: violett, pink, orange gehalten - gefiel mir ganz besonders gut. An die Musiker aus dieser Zeit hab ich nicht die große Erinnerung, sehr wohl aber an Pop-Frauen von damals.

US-Sängerin Pat Benatar

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Pat Benatar, 1980

Etwas später, in den frühen 80ern sind dann weitere Pop-Frauen hinzugekommen: Kim Wilde, Pat Benatar, Joan Jett, Madonna oder Cyndi Lauper. Ich habe aus Zeitschriften ihre Fotos ausgeschnitten und in die Mathematikhefte von vergangenen Jahren geklebt. Ich habe die Mathematik mit den Bildern dieser Frauen überklebt und die Hefte mit "Rock-Ladies" beschriftet. Von manchen dieser Künstlerinnen fand ich nicht sehr viele Bilder, mehrere Frauen teilten also ein Heft. Von Madonna hatte ich im Lauf der Zeit viele Hefte beisammen, und gerade letzte Woche fand ich beim Herumkramen jene Schachtel wieder, in der ich ausgeschnittene Madonna-Bilder legte, um sie später einzukleben. Irgendwann musste ich aber aufgeben, zuviel Aufwand und vielleicht auch Gedanken wie "sei nicht so kindisch, werde erwachsen" waren da involviert.

Insgesamt bin ich doch irgendwie qualifiziert für die Tagung über "Pop-Frauen", denk ich. Noch nicht ganz ahnend, was da alles so auf mich zukommt, sage ich schon mal zu, obwohl man ja nie weiß, was in einem Jahr ist. Du spielst auch viele Frauen in FM4-Heartbeat, sagt ein Freund von mir, und du hast schon sehr viele von ihnen interviewt, sagt er. Stimmt. Und du warst ein großer Riot-Grrrl-Fan, sagt jemand anderer, und du hast dich viel mit Courtney Love beschäftigt, findet noch jemand.

Courtney Love, US-Musikerin

riduspicblogspot

Courtney Love, 1990er Jahre

Außerdem: Die Männer sind gegangen, die Frauen sind geblieben, äh, in meiner Plattensammlung jedenfalls. Da musste nach jahrelangem Anhäufen viel Musik von Männern weichen - verkauft im Musik-Second-Hand-Geschäft oder verschenkt - während fast gar keine Musikerin in meiner Sammlung dieses Schicksal ereilt hat. Ihre Tonträger wurden alle in Kisten gepackt und bei Übersiedelungen mitgenommen. Warum das so ist, ich weiß es eigentlich selbst nicht. Säulenheilige wie Tim Buckley, Tim Hardin, Nick Drake oder Paul Weller durften schon bleiben. Das Jahr - seit dieser Einladung zur Pop-Frauen-Tagung - ist rasch vergangen, und Themen wie "Like A Virgin. Zu Strukturen und Mechanismen der Imagebildung in der Popmusik" stehen an. Da muss ich wohl durch. Nein, das hört sich ohnehin nicht uninteressant an. Ein anderer Vortrag nennt sich "Queer Style. Selbstinszenierungsstrategien von Pink, Robyn und LaRoux". Er kam von Katarina Rost von der Freien Universität in Berlin. War gut. Recht "geschmackig" kündigt sich ein Vortrag über Lana Del Rey an: "Geboren um zu sterben. Das Phänomen Lana Del Rey". Vito Pinto heißt der Vortragende, der ebenfalls aus Berlin kommt, dort als freier Lektor und Dozent arbeitet. Wieder ein anderer Vortrag trug den Titel "Lady Gaga. The Scream Of A Rock Star". Das klingt ebenfalls nicht un-geschmackig. Der Appetit war mir aber schnell vergangen, noch bevor jener Herr Professor aus den Vereinigten Staaten - mit belgischem Hintergrund - überhaupt über Gaga zu sprechen begonnen hatte.

Heartbeat: Jeden Montag von 22.00 bis 00.00.

Sheila Whiteley

Der erste "Pop-Frauen"-Vormittag wurde nämlich mit einem makellosen Vortrag der Britin Sheila Whiteley eröffnet. Von Florence & The Machine sprach sie unter anderen, oder von Courtney Love und den Crystals, aber auch von Lady Gaga. Sheila Whiteley ist eine Ikone der Cultural Studies ("Sexing The Groove", "Trainspotting: The Gendered History Of Britpop" etc), und so ganz nebenbei ist diese Frau Professor eine ganz entzückende, mittlerweile über 70 Jahre alte Lady. Sheila Whiteley macht nichts falsch. Gar nichts. Dennoch wurde sie vom US-Herren, na ja, sagen wir mal, ganz böse angegangen: Um über Lady Gaga reden zu können, müsse sie schon ein wenig mehr recherchieren, tönte der Herr, und so weiter und so fort. Das war hässlich. Auch später gab es noch aggressive Stimmung unter den "Musik-Studierten".

Da klink ich mich einfach mal aus, hab ich mir gedacht. Bin ja bis jetzt eh "nur" zum Zuhören da. Also ab ins Zentrum von Graz. Zur Ablenkung hinein in ein paar Geschäfte: zuerst in einen Art "Welt-"Laden, wo ich schöne indische Ohrringe erstanden habe, dann in das Geschäft einer italienischen Mode-Kette: ein T-Shirt auf dem steht "Un-Material" Girl. Ich kauf es dann doch nicht, hab ja mindestens zehn Mal mehr als genug Zeug zum Anziehen, und einen aktionistisch angehauchten Auftritt mit T-Shirt-Wechsel oder so etwas erwartet schließlich auch niemand von mir bei dieser "Frauen-Pop"-Tagung.

Von Madonna war ja sehr viel die Rede am ersten Tag des "Pop-Frauen"-Symposiums. Und von Waschmitteln wurde seeehr viel gesprochen. Etwa, ob Madonna gleichzusetzen ist mit einem Waschmittel, und so. Okay. Ich hab genug für heute. Und auch mal für den nächsten Tag. Was leider dazu führt, dass ich den Vortrag über Lana Del Rey verpasse. Dieser Vito Pinto ist ein freundlicher Mensch mit entspannter Aura. Den Schaulauf - erst Vortrag dann kurze Diskussion bzw post-Vortrags-Hickhack, soll er bravourös absolviert haben. Ich lese seinen Text über Lana Del Rey einfach nach.

Waschmittel

kritikerschweiz

Waschmittel

Ich klinke mich recht spät wieder ein. No more Bösartigkeiten jetzt unter den "Pop-Akademikern". Schade übrigens, dass ein erst angekündigter Herr von der Pop-Academy in Mannheim dann nicht da war. Der peinliche Herr aus den Staaten schwieg übrigens nach seinem Gehabe den Rest der Tagung lang. Noch mögliche Streitsüchtige unter den verbliebenen Akademikern? Nein. Vielleicht waren sie ja schon zu müde. Der Abschlussvortrag von Christa Brüstle von der Kunst-Uni Graz war jedenfalls sehr hübsch: Wir haben Videos geschaut und dann ein wenig darüber geredet: "Bucket List" von Nelly Furtado, ein unsägliches Stück von Avril Lavigne ("What The Hell") und schließlich zwei Videos von Grimes: "Vanessa" (2011) und "Oblivion" (2012) ".

Zum Abschuss haben wir noch ein wenig gequatscht. Christa Brüstle hat keine Mühen gescheut, um dieses Symposium zu veranstalten. Dafür gebührt ihr Dank und großer Respekt. She´s one sassy Lady, die ihre Musicology-Ohren und Augen weit offen hat.

What, Color?

Mehr zum Debüt-Album von Just Friends And Lovers

Das Grazer (Frauen-)Trio Just Friends And Lovers ist im Rahmen der Tagung auch aufgetreten an der Kunstuni. Ganz im 90er Jahre Riot-Grrl-Stil trugen die drei Musikerinnen bunte Blümchenkleider, das Schlagzeug schepperte herrlich, die Instrumente wurden gewechselt. Ich fühlte mich an 1993 erinnert, und doch waren die drei KünstlerInnen im Hier und Jetzt.

Silence Yourself

Zum ersten Album der Londoner Band Savages

Meine Vorbereitung auf diese "Pop-Frauen"-Tagung war ja recht rudimentär: Ich hab mir noch einmal das Album der Savages durchgehört. Es wächst ohnehin von mal zu mal. Camille Berthomier, die "Anführerin" der Savages - mit der tollen Siouxsie-Stimme und dem Aussehen des jungen Ian Curtis, sie nehme ich in Gedanken einfach mit nach Graz. Wenn nicht sie, wen dann? Camille Berthomier nimmt überhaupt gerade ganz schön viel meiner Zeit in Anspruch. Nicht nur das Hören der Savages-Platte braucht Zeit, auch Camilles Vergangenheit als eine Hälfte des französischen Duos John & Jehn will "erforscht" werden.

Camille Berthomier- franz. Sängerin (London)

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Camille Berthomier

Mit dem Duo John & Jehn - Camille und ihr französischer Ehemann - ging Camille Berthomier vor ein paar Jahren nach London und bekam dort auch tatsächlich einen Fuß in die Tür, im notorisch verschrieenen Musik-Großbritannien, das nur gelegentlich aus Kontinentaleuropa kommende MusikerInnen akzeptiert. Überhaupt orte ich gerade eine Art French-Invasion auf der Insel: Die französische Band Concrete Knives - ebenfalls angeführt von einer Frau: Morgane Colas - veröffentlichte eben ein Album beim Londoner Plattenlabel Bella Union. Die Bassistin der britischen Band Veronica Falls kommt aus Paris, oder das neue Album der Band 1984 aus Strasbourg wurde vom englischen Duo Blood Red Shoes produziert. Klar, es gab immer schon einzelne FranzösInnen, die ihr Land verließen, weil sie von der britischen Musik so angetan waren, etwa eine gewisse Laurence Verfaillie, die in den 80er und frühen 90er Jahren die quasi rechte Hand war bei Alan McGees Creation Records in London. Französinnen wie Laurence waren jedoch insgesamt eher die Ausnahme in der Musik-Stadt London.

franz. Band Concrete Knives

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Concrete Knives

P.S.: Viele Musikerinnen werden heute in Heartbeat (ab 22 Uhr) zu hören sein. Ein Teil der zwei Stunden gehört aber Paul Banks: Es gibt einen Ausschnitt eines Konzerts des New Yorker Musikers zu hören, der als Sänger der Band Interpol bekannt wurde.

P.P.S.: "In der Hoffnung, dass uns die Pop-Frauen den Sommer mitbringen", schrieb Christa Brüstle von der Kunstuni Graz kurz vor der Veranstaltung noch in einem Fact-Sheet für alle Teilnehmenden. Da denke ich kurz an die irische Girlband B*Witched und ihren 1990er-Hit "Blame It On The Weatherman", in dem es heißt: "The rain goes on and on...". Frauen als Hexen, als Donnergöttinnen und so, als "banshees" - todbringende Moorhexen. Ja, das Wetter. Heiß ist es dann geworden in Graz. Doch Hexen? Yeah.

P.P.P.S: FM4-Heartbeat gibts auch zum Nachhören.