Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Riot Grrrl Revisited: Kate Nash und ihr drittes Album"

Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

6. 4. 2013 - 09:11

Riot Grrrl Revisited: Kate Nash und ihr drittes Album

Vom freakigen BRIT-School-Popmädchen zum Riot Grrl der zweiten Generation. Die (gar nicht so seltsame) Wandlung der Kate Nash.

Kate Nash live am 13.7. am Harvest Of Art Festival in Wiesen

Adele war dort. Katie (Melua) ebenfalls. Leona (Lewis) und Amy (Winehouse) auch. Letzere wurde auf Grund nicht angepassten Verhaltens - was immer das genau bedeuten soll - von der Schule verwiesen. Nein, die Rede ist hier nicht von einem Mädcheninternat, sondern von der London School Of Performing Arts & Technology, kurz BRIT-School genannt. Etwa Jamie Woon oder Paul Godfrey von Morcheeba besuchten dieses Institut im Südlondoner Stadtteil Croydon. Oder eine gewisse Kate Nash, die zwar das Rauswurf-Erlebnis nicht mit Amy Winehouse teilen kann, aber vielleicht dennoch nicht zu den "angepassten" Schülerinnen dort zählte.

UK-Musikerin Kate Nash

Nash

Als leicht freakige, aber dennoch pop-süße 18jährige kam die Londonerin Kate Nash jedenfalls aus der BRIT-School, als MySpace-Social-Media-Phänomen, noch bevor sie einen Plattenvertrag hatte. Ihre Songs hatten Titel wie "Pumpkin Soup" oder "Skeleton Song", aber auch Stücke mit Titeln wie "Shit Song" oder "Dickhead" gab es da schon. Das war vor sechs Jahren, auf dem Debutalbum von Kate Nash namens "Made Of Bricks". Am Albumcover sah man die Künstlerin im zarten roten Kleidchen vor einem geheimnisvoll anmutenden überdimensionalen Spielzeug-Haus mit Sträuchern rundherum, wie von Edward mit den Scherenhänden in Form geschnitten. Dazu drängen Riesengänseblümchen ihre Mutanten-Köpfe durch das Gras. Das Cover-Artwork ist Programm. Alice im Wunderland, Hexenhaus samt schwarzer Katze am Dach, und rote Haare hatte dieses Pop-Hexlein Kate Nash auch.

Schon mit ihrem nächsten Album, "My Best Friend Is You", ging Kate Nash aber ein Stück weg vom Weg ihres Debutalbums. Letzteres war in den britischen Charts an der Spitze gewesen. Mit "Do-Wah-Doo" folgte dann auch noch ein Top-15-Hit, aber Kate Nash hatte längst beschlossen, wie ihre Zukunft aussehen würde. Wie ihr nächstes Album klingen könnte, präsentierte sie bald der Record Company. Die "punkigen" Elemente, sagte die (große) Plattenfirma, müßten weg. Nein, sagte Kate Nash. Die Texte der Songs, die jetzt am neuen Album sind, waren zu dieser Zeit auch schon fast komplett. Die Freude der Popindustrie über angekündigte Titel wie "Conventional Girl", oder gar "Free My Pussy" und "I'm A Feminist, You're Still A Whore", war nicht wirklich groß.

Rockabilly meets 90s Alt-Rock

Also gründete Kate Nash einfach ihr eigenes Label namens Have 10P Records. Um ein paar Pence bitten musste sie aber nicht wirklich, hatte ihr - auch etwa in Deutschland kommerziell recht erfolgreiches - Debutalbum schließlich doch ein wenig Geld gebracht. Ok, via Pledge Music stellte La Nash dann auch noch ein wenig zusätzliches Bares auf, und "Girl Talk" ist jetzt das Ergebnis. Ein Album, das die Popkritik entzweit: Indie-Rock meets Garage-Punk. Wo sind die hübsche akustische Gitarre und die netten Electronic-Beats geblieben? Warum entscheidet sich eine etablierte Künstlerin, ein Album zu machen, das wie das DIY-Debut eines Newcomers klingt? Fragen über Fragen. Andrew Perry etwa, wahrlich kein schlechter Schreiber - unter anderem beim britischen Q-Magazin -, ist fast schon richtig entsetzt; er ortet eine "Bubblegum-Kim-Deal". Kate Nash macht einen auf Breeders, igitt. Statt sich ans Piano zu setzen, greift die Frau zur Bassgitarre. Geht das? Für eine junge englische Frau? Dabei vergisst Herr Perry, dass die Riot Grrl-Bewegung in den 90er Jahren durchaus auch auf der Insel vertreten war, mit Künstlerinnen wie Liz Naylor und Bands wie Huggy Bear, oder es davor im United Kingdom Punk-Frauen wie Poly Styrene gegeben hatte.

UK-Musikerin Kate Nash

KateNash

Vielleicht ist das ja aber letztlich doch eine tolle Abwechslung? Nein, findet das Q-Magazine: Der "femme anger" der Kate Nash "is simply too spiritually negative for repeat consumption." Hmm, nun ja, das Wort "anstrengend" darf durchaus gebraucht werden bei (einigen von) diesen neuen Songs von Kate Nash, etwa beim sich wie eine endlose downward spiral reinsteigernden "Part Heart". Aber Musik darf auch durchaus anstrengend sein. Das US-Hipster-Magazin Nylon etwa geht nicht so hart ins Gericht mit Kate Nash, diesem Born-Again-Riot-Grrrl aus der Londoner Vorstadt, das nun eine glamouröse Ska-Punk-Frisur und ein Kleid trägt, das aus dem Schrank der jungen Gwen Stefani sein könnte. Ganz im Gegenteil, das Nylon lässt Kate Nash in gutem Licht erscheinen, betitelt das Feature über ihre quasi-Wiedergeburt "Wonder Woman", und im Artikel heißt es dann "It took two bad years - and a beautiful dress - for Kate Nash to make the album of her career."

Kate Nash: "It does frustrate me that I have to explain that all the time that why is this different, or how is it different, and it's like, well, you want to progress, you want to change, you hope to learn a few different things. And there's still the essence of me. From my point of view, it's just I've grown up a bit, I have different ideas about music, which you'd hope that I would have, after having done this for the past couple of years."

Hard-won Wisdom

War Kate Nash bei ihrem letzten Album noch leicht genervt, dass Veränderungen in der Popmusikwelt so oft nicht angenommen werden, oder nicht in jenem Ausmaß, wie sich ein/e Künstler/in das schon mal wünscht, so ist sie jetzt einen Riesenschritt weiter und sagt, zu 100% glaubhaft: "I can just see the good in what I'm doing rather than being confused or worrying about stuff. Now I'm like, I really just don't care.'"

UK-Musikerin Kate Nash

Kate Nash

Wo kam die Wut der Kate Nash also her? Eigentlich von alltäglichen Dingen, die mich aber aufregten, weil sie gar nicht als so gewöhnlich angesehen werden sollten, meint Kate Nash in Interviews. Zu leichtgläubig war sie, sagt sie, zu naiv und zu vertrauensselig.

Albumcover Kate Nash Girl Talk

Fontana

"Girl Talk" von Kate Nash ist bei Have 10P Records/Fontana erschienen.

Einen Fuß hat Kate Nash nach wie vor noch in der (Pop-)Tür. Mit Willow Smith, der Teenager-Tochter der beiden Hollywood-Stars Will Smith und Jada Pinkett, hat Kate Nash etwa zuletzt auch Songs geschrieben. Über das Mädchen Willow sagt Kate Nash, sie ist "very brave and she just wants to be herself and unique, and that is very rare."

"Girl Talk" ist für Kate Nash ein Statement. Ein Statement, was es bedeutet, eine Frau zu sein. Lipstick feminism? Hell, yeah.

"When I was 17, I was into dresses and really cute things, but then I felt that people didn't take me seriously. So with my second record I wanted to come across a bit harder, and I'd always wear my leather jacket when I was onstage. With this album, it's like, actually, I can be both. I can stand there in a baby pink dress with bows in my hair and talk politics or world issues. Even though I care about nail polish, I should be taken seriously."