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Martin Pieper

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Martin Pieper

Ist Moderator und Chefredakteur von seinem Lieblingssender. Hat sein Hobby zum Beruf gemacht.

17. 5. 2012 - 20:04

Donna Summer ist tot

Der Star der Discoära ist mit 63 Jahren an Krebs verstorben. Eine Würdigung.

Da hat man gerade erst in einer Huldigung von New Order den Namen Giorgio Moroder erwähnt, muss man einen Tag später auch schon den Tod der wohl wichtigsten Sängerin, die mit ihm zusammengearbeitet hat, melden. Donna Summer, Superstar der späten 70er Jahre, das Gesicht zu einer bestimmten Spielart von Disco, ist im 63. Lebensjahr in Florida an Brustkrebs gestorben.

Ihre Karriere begann ausgerechnet im Deutschland der frühen 70er Jahre, wo sie mit dem Musical "Hair", der Broadwayversion der Hippie-Bewegung, durch die Mehrzweckhallen Mitteleuropas tourte. Die Begegnung der professionellen Sängerin mit dem Südtiroler Produzenten Giorgio Moroder 1973 ausgerechnet in München sollte zu einem der Marksteine der elektronischen Tanzmusik werden. Ihre erste Zusammenarbeit "Love To Love You Baby", satte 17 Minuten halluzigener 70er Jahre Softporno-Disco, lotete nicht nur die Geschmacksgrenzen konservativer Radiostationen aus, sondern auch die Mechanik von Musik für die neu entstandenen "Discoteques", in denen nicht die Tanzband, sondern der DJ für die Musik zuständig war. Man gebe noch ein Prise Münchner Schickeria, sexuelle Revolution, Disco-Drogen und schnurrbärtige Session-Musiker dazu, und das "Produkt Donna Summer" war geboren.

"Love To Love You Baby" wurde Donna Summers erster großer Hit, in seiner langen originalen Version so trippig, dass die sich formierende New Yorker Discoszene Wind davon bekam. Casablanca Records, eine dieser großspurigen Gelddruckmaschinen, die mit den Sounds der schwulen Undergroundclubs bis ins amerikanische Popherz, den Billboard-Charts, vordringen konnte, nahm Donna Summer unter Vertrag. "I Feel Love", erneut mit Giorgio Moroder als Produzent, wurde zu einem, bis heute unwiderstehlichen, elektronischen Monster, dass für Techno genauso prägend werden sollte, wie Kraftwerk. Statt organischem Funk und Soul wurden die hypnotischen Sequenzen der Maschinen aus den Münchner Studios zum Sound der jungen Clubszene. Bei Donna Summer "I Feel Love" hörbar die Maschinen Sex, oder vielleicht auch Mensch und Maschine. Donna Summers Stimme, sehr trocken, ganz ohne die Vibrato-Manierismen des Soul, war die perfekte Trägerin dieser elektrischen Träume.

Disco wurde Mainstream und Donna Summer war Gesicht und Stimme der Bewegung. Ihre Musik und ihre zahlreichen Disco-Hits schafften spielend den Einzug in die internationalen Charts. Auch in Österreich war kein Autodrom ohne die Songs von Donna Summer vorstellbar. Mit ihr schaffte es Disco vom glamurösen (schwulen) Underground New Yorks in die hiesige große Samstagsabend-TV-Show. Ein ungewöhnlicher Erfolg für ein Projekt, bei dem sie, fast schon zufällig, als Session-Sängerin engagiert wurde.

Die Frage der Selbstbestimmung stellten damals andere Musikszenen (Punk), mit ihrer Rolle als Botschafterin der Werte von Disco (Drogen, Hedonismus, Party, Sex) konnte die im Kirchenchor sozialisierte Summer sich nicht so recht anfreunden. Als die kommerzielle Seite von Disco in Amerika wieder vom guten alten Biest "Rock" verdrängt wurde, hatte auch Donna Summer Probleme an ihre großen Erfolge anzuschließen. Ihre Zusammenarbeit mit Quincy Jones auf dem Album "Donna Summer" machte aus der Disco-Queen eine Breitband-Souldiva, bei der sich auch Michael Jackson brav als Backgroundsänger einreihte. "State of Independence", unlängst von Rihanna gesamplet, sollte einer ihrer letzten originären Großtaten werden.

Frauen im Bereich Clubmusik hatten es zu den Zeiten von Donna Summers ersten Erfolgen alles andere als leicht. Donna Summers Vertrag mit der Plattenfirma Casablanca sorgte noch Jahre nach der Auflösung für Rechtsstreitigkeiten. Eine Figur wie Madonna, die dem Genre "Discosängerin" neue Spielregeln gab, war in weiter Ferne. Umso erstaunlicher, mit welcher Konsequenz Donna Summer ihre Karriere betrieb. Sie wurde nie die abgetakelte Diva (euphemistisch als Schwulenikone bezeichnet), die sich mit zweifelhaften Clubgigs irgendwie über Wasser halten musste. Schade, dass die Disco jetzt ohne sie auskommen muss. Und ihr Disco-Konzept-Hybris-Album "Once Upon a Time" gehört sowieso zum Besten, was Disco im Albumformat je hervorgebracht hat. Greift zu, wenn ihr diese Platte am Flohmarkt findet!