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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

21. 3. 2012 - 17:19

Millionen für die Vorratsdatenspeicherung

Für die Vorbereitung auf die anlasslose Speicherung von Verkehrs- und Geodaten sind bereits jetzt Kosten jenseits von zwanzig Millionen Euro angefallen. 80 Prozent davon zahlt man als Steuerzahler, den Rest als Kunde.

"Bis jetzt liegt der Aufwand bei der A1 Telekom schon im unteren siebenstelligen Bereich, denn alleine die Vorbereitungsarbeiten haben ziemlich viel Arbeitszeit in Anspruch genommen", sagte Judith Leschanz auf eine diesbezügliche Anfrage von ORF.at.

Die anderen befragten Mobilfunker, "3" und T-Mobile, vermochten zwar keine diesbezüglichen Zahlen zu nennen. Nach Marktanteilen (sehr konservativ) hochgerechnet, müssen schon jetzt Gesamtkosten deutlich jenseits der Marke von 20 Millionen Euro angefallen sein. Als teuerster Faktor habe sich dabei nicht - wie erwartet - der Speicherplatz, sondern die Einrichtung eines Mechanismus zur automatischen Übermittlung der Daten erwiesen, denn da "müsse man in jede Art von Technik eingreifen", so die Abteilungsleiterin "Commercial und Security" der A1 Telekom Austria.

Mit Inkrafttreten der Vorratsdatenspeicherung am 1. April müssen Mobilfunker und Internetprovider eine bestimmte Auswahl der in ihren Systemen anfallenden Verkehrs- und Geodaten für sechs Monate verfügbar halten, auch wenn diese Daten längst nicht mehr benötigt oder nie für Geschäftszwecke erhoben wurden.

Die "Datendurchlaufstelle"

Es müssen also Skripts erstellt und Datenbankroutinen programmiert werden, dazu kommt die Bereitstellung von Speicherplatz und der Anschluss an die zugehörigen Datensicherungssysteme. Die von Behördenseite ab April verlangten Datensätze sind zwar alle irgendwo im System vorhanden und damit eben nicht in der erforderlichen Ordnung und Struktur, um sie an die "Datendurchlaufstelle" übermitteln zu können.

Noch vor einem Jahr hatte Österreich im EU-Ministerrat den Sinn der Vorratsdatenspeicherung per se infrage gestellt. bei Polizei wie Staatsanwälten hat sich längst die Erkenntnis durchgesetzt, dass Vorratsdatenspeicherung kein taugliches Instrument gegen Terroristen oder organisierte Kriminelle darstellt.

Die Datensätze selbst verändern sich dabei laufend, auch wenn gar nicht telefoniert wird, sondern das Handy nur durch mehrere Funkzellen bewegt wird. Eine Fahrt quer durch Wien mit eingeschaltetem Handy verursacht so im Minutentakt Änderungen an diesem Datenset.

E-Mail-Daten

Bis jetzt nirgendwo systematisch protokolliert und gesammelt wurden die Daten des E-Mail-Verkehrs, die von der Vorratsdatenspeicherung nun erfassten werden, was für den Anbieter "3" den meisten Neuaufwand darstellt. "Wir haben kein Geschäftsmodell, in dem diese Daten eine Rolle spielen. Daher haben wir diese Daten bis jetzt auch nicht benötigt", sagte Natalie Knabl von "3" auf Anfrage von ORF.at.

Das jüngste Heraufsetzen der Einspruchsfrist für Kunden durch eine Änderung des Telekomgesetzes habe bei "3" bereits eine Systemumstellung notwendig gemacht, so Knabl weiter. Bis dahin habe "3" die Login-, Verkehrs- und Bewegungsdaten seiner Kunden nämlich maximal acht Wochen im System gehalten.

Die "Aufteilung" der Kosten

Zahlen wollte man seitens "3" allerdings ebenso wenig nennen wie bei T-Mobile. Die Tochterfirma der Deutschen Telekom geht von einem zweistelligen Millionenbetrag für die gesamte Branche in Österreich aus. 80 Prozent davon hat der Staat zu begleichen, die restlichen 20 Prozent verbleiben bei den Netzbetreibern, die das wiederum in ihrer Preiskalkulation berücksichtigen müssen.

Der Durchschnittsösterreicher begleicht als Steuerzahler daher mehr als Dreiviertel der Kosten für die eigene Überwachung direkt in die Staatskasse, den Rest sowie die laufend anfallenden Kosten zahlt er als Kunde eines Netzbetreibers ab.

Die Petition der Bürgerinitiative "Stoppt die Vorratsdatenspeicherung" lag am Mittwoch Nachmittag schon bei bei fast 75.000 Unterschriften.

Bekämpfung von Kleinbetrug

Für eine Maßnahme, die in der Regel allenfalls dafür geeignet ist, heimische Kleinbetrüger zu erfassen, die von der vermeintlichen Anonymität des Netzes unwiderstehlich angezogen werden, ist das eine beachtliche Summe.

Vor allem dann, wenn in Betracht gezogen wird, dass die Aufklärungsraten bei Delikten "mit Internetbezug" wie Kleinbetrug, Drohungen, Stalking usw. laut Kriminalstatistik über 80 Prozent betragen - ohne Vorratsdaten.

Profile gegen Betrug

Die durchschnittliche Speicherdauer der Betreiber für Abrechnungszwecke liegt bei drei Monaten mit Spielraum nach oben. So lange werden die Datensätze von den Netzbetreibern nicht nur wegen der neuen Einspruchsfristen im System gehalten, sondern auch, um sie selbst zu rastern. Das betrifft vor allem Neukunden, deren Telefonieverhalten von den Mobilfunkern zum Zwecke der Betrugsvorbeugung automatisch untersucht wird.

Im Juli 2010 war Österreich wegen fehlender Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention) vom Europäischen Gerichtshof im Rahmen eines routinemäßig von der Kommission eingeleiteten Verfahrens verurteilt worden. Zuletzt hatte die Kommission mit der Verhängung von Strafzahlungen gedroht.

Der Mechanismus nennt sich "Fraud Management" und ist nichts anderes als "Profiling", also die Erstellung eines Kommunikationsprofils, um dieses mit bekannten, für Kleinbetrüger typischen Verhaltensmustern abzugleichen. Ein ebensolcher Routinevorgang in allen Mobilfunknetzen ist das "Churn Management", eine Art Kündigungsalarmsystem. Dabei werden die Verhaltensmuster der Kunden laufend und automatisch überprüft. Wenn etwa abweichendes Telefonieverhalten mit dem bevorstehenden Auslaufen des üblichen Zweijahresvertrags zusammenfällt, meldet das System Handlungsbedarf.

Einschalten am 1. April

"Am 1. April werden wir den Mechanismus einschalten und hoffen, dass es auf Anhieb funktioniert", so Judith Leschanz von der A1 Telekom Austria abschließend. Technisch sei zwar alles nach Möglichkeit getestet, wie es dann aber in der Praxis funktioniere, können nur dieselbe zeigen. Die Daten würden bei Abfragen dann ja das A1-Netz verlassen und über die "Durchlaufstelle" in ein behördliches Netz transportiert.