Erstellt am: 14. 3. 2012 - 17:47 Uhr
This Bird Can Fly
"We´ll fly, we´ll soar, like the bird I am", singt Wallis Bird im vierten Song am neuen Album, "Take Me Home", und die Zeile beendet sie mit einem kecken "Hm". Hoch am Himmelszelt fliegt sie also, segelt im Wind - to soar - samt Bandkollektiv. Ein schönes Bild. War die Begrüßung von Wallis Bird - ihre erste Zeile im ersten Song am Album - doch "You don´t know shit." Bumm das sitzt, oder fordert zumindest eine gewisse Aufmerksamkeit. Paralysed und bruised sind weitere Wörter im Song. Mit ungewohnter, tiefer Stimme, und auch mit einem kompletten Chor, singt Wallis Bird dieses Stück "Dress My Skin And Become What I´m Supposed To", den Album-Opener. Willkommen also in der Welt der Wallis Bird: "Life keeps opening up and presenting different facets of life and truths become unveiled. You have no control over the world or your life or your thoughts, knowledge or information. Everything is not as it seems really", sagt Wallis Bird im FM4 Interview.

Bird
Wallis Bird spielt am 21.3. im Flex in Wien.
Nächster Song: "I Am So Tired Of That Line", und tatsächlich befinden wir uns hier gewissermaßen auf Ani DiFranco Territorium. Mit der US-Punk/Folk/Jazz-Musikerin wird Wallis Bird ja immer wieder gern verglichen und Ani DiFranco war es ja auch, die Wallis Bird dazu inspirierte, Musik zu machen, ihr eigenes Label zu gründen etc .
"A train´s coming, let´s jump on board." Diese Lokomotive namens Wallis Bird zieht dann auch weiter kräftig an am neuen Longplayer. Mir ist diese "Powerfrau" ja gelegentlich zu viel. Nach wem klingt die da, nach wem bloß? Das fragt man sich zwischendurch, wenn Wallis Birds Gesang so richtig loslegt. Nach der Reibeisenstimmen-Rocksängerin Melissa Etheridge vielleicht? Jener von Island Records Mastermind Chris Blackwell entdeckten Amerikanerin? Ihr 1988er Debüt wurde als einer der besten Longplayer der Dekade gefeiert, und Wallis Bird hat sich mit dieser Künstlerin sicherlich beschäftigt. "Encore" ist der nächste Song auf dem Album, die Single, samt kleiner (Semi-)Elektronik-spielereien, und - viel wichtiger - insgesamt recht großem Popappeal.
Diese Frau könnte wohl mehr eine oder andere Platte verkaufen, nicht? Einen Versuch bei der großen Popindustrie gab es vor ein paar Jahren auch tatsächlich, hat aber nicht (sofort) funktioniert, und Zeit für artist development hat die Industrie ja nicht dieser Tage. Ein Fehler überhaupt, und insbesondere auf Wallis Bird bezogen. Das Squatter- und Traveller-Image der Wallis Bird kann es nicht gewesen sein, was die Plattenfirma verschreckte, war Wallis vor ein paar Jahren doch noch das strohblonde Mädchen mit den quietschbunten Pullis. Jetzt erinnert sie manchmal mehr an die frühen Neunziger Jahre und atmet den Geist der Levellers und anderer britischer Folk-Punker von damals. "I´m almost there", singt sie in "Take Me Home". Der Song ist (m)ein Liebling vom neuen Album, inklusive Freakout am Ende.
Next up: "In Dictum": "The more you hold on to me, the less you can have of me", stellt Wallis Bird klar. "I ´ve chosen my women, my men, and I´ve chosen my fears", singt sie. Von den devils inside, vor denen sie aber, eh irgendwie klar, keine Angst hat, erzählt Wallis Bird in diesem (Blues-)Song samt Celtic Flutes.

Wallis Bird
Wallis Bird geriet als Kleinkind im Garten ihrer Eltern mit der linken Hand in den Rasenmäher. Vier der fünf Finger der Linkshänderin konnten wieder angenäht werden. Die Gitarre spielt sie seitenverkehrt, ohne umgespannte Saiten.
Sympathieträgerin
"Ghosts Of Memories" ist ein großer Rocksong, oder da ist das herrlich verspielte "Heartbeating Cities": "We go sailing down the road. Yeah, we go sailing."Und: "Who´s Listening Now?". Beginnt gut, geht ins Ohr, guter Text etc., aber der Refrain ist mir einfach zu viel. Grunge-Blues oder so, right in your face. Nichts für ungut, Wallis Bird ist eine absolute Sympathieträgerin, aber ich weiß nicht, ich weiß nicht. "But I´m Still Here, I´m Still Here" heißt es als nächstes für die irische Punk´n´Rollerin. Ein Song zum Durchatmen, ein wenig jedenfalls. Sehr schönes Stück, samt, oder trotz den Zeilen "Drunk again, oh it hurts and it burns." und den friends, die sie eigentlich gar nicht mag, und den enemies, derer es auch genug gibt. "I ´ve been thinking about leaving this life", heißt es weiters. Harter Tobak, aber keine Sorge, "I´m still here, I´m still here, I´m still here", versichert uns Wallis Bird mit Nachdruck. Der Song ist ihre Art "fuck death" zu sagen. Mein absoluter Lieblingssong auf dem Album. Ich finde das Powerhouse Wallis Bird ja immer am besten, wenn sie sich zurücknimmt.
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Wallis Bird

Wallis Bird
"Wallis Bird" von Wallis Bird ist bei Bird Records/Rough Trade erschienen.
Wallis & Friends
"Feathered Pocket" kennt man vielleicht schon von den letzten Konzerten von Wallis Bird oder auch der FM4-Akustiksession. "Give me a little kiss on my lips, I will see you later." Auch ein Lieblingssong, bevor Wallis Bird zum Schlussstreich ausholt, einer sieben Minuten dauernden Tour-de-Force namens "Polarised". Wallis Bird ist zu Beginn des Songs jedenfalls mehr Tori Amos als Ani oder Melissa. Mit dem Rufen der Möwen beginnt der Song, aufgenommen an der Küste der westirischen Gegend Connemara. Dort, sowie in ihrem WG-Zimmer in Brixton, in London und Berlin ist "Wallis Bird" entstanden. Und Konstantin Gropper, alter Freund von Wallis seit Mannheimer Pop-Academy-Tagen 2005, ist auch mit an Bord. Der Mastermind der deutschen Band Get well Soon spielt Gitarre und ist fürs Computerprogramming und ein paar Holzklopfinstrumente zuständig. Ebenfalls mit dabei auf "Wallis Bird" ist die irische Sängerin Jenny Lindfors, sowie eine Vielzahl an weiteren MitmusikerInnen, samt Instrumenten die vom Xylophon über die Tin Whistle - eine Flöte - bis zur Autoharp - einem der Zither ähnlichen Instrument - reichen.
Ende Jänner feierte Wallis Bird ihren 30.Geburtstag, und mit ihrem neuen Album ist die Irin insgesamt auch künstlerisch gerteift wie nie zuvor.