Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "ACTA ad acta"

Alex Wagner

Zwischen Pflicht und Kür

11. 2. 2012 - 19:26

ACTA ad acta

Am Samstag wurde europaweit gegen das umstrittene Handelsabkommen ACTA demonstriert. Auch in Österreich waren Menschen mit Guy Fawkes Masken auf den Straßen, um sich für Meinungsfreiheit im Internet einzusetzen.

"Wir stehn nicht gerne nackt da, drum sind wir gegen ACTA" - die Demorufe holpern noch ordentlich, aber die Botschaft kommt an. Mit heruntergelassener Hose zeigen einige Aktivisten, was sie vom Anti-Counterfeiting Trade Agreement halten. Sie wollen es sich nicht länger gefallen lassen, dass jahrelang hinter verschlossenen Türen ohne transparente Diskussion in der Öffentlichkeit das Antipiraterie-Abkommen ACTA verhandelt wurde, das das Ende des freien Internets einleiten könnte.

ACTA sieht unter anderem vor, dass Internet-Provider den Behörden Daten wie die IP-Adresse bekanntgeben sollen, um bei Verstößen gegen das Urheberrecht eine Identifizierung von Personen zu ermöglichen. Weiters haften die Provider für ihrer User, wenn diese urheberrechtsgeschützte Daten illegal erwerben. Internetanbieter wären gezwungen, sämtlichen Datentraffic zu protokollieren und zu analysieren. Die Demonstranten befürchten, dass mit ACTA die Meinungsfreiheit im Internet drastisch eingeschränkt wird.

Anti-ACTA-Demonstranten vor dem Stephansdom in Wien

Günter Hack

"Lasst unser Internet oder wir nehmen eure Faxgeräte"

In Wien haben sich deshalb trotz minus acht Grad auf dem Thermometer zwischen 3000 und 4500 Demonstranten vor dem Stephansdom versammelt, um gegen ACTA zu demonstrieren. Mit Guy Fawkes Masken, Transparenten und schwarzem Zensurbalken vorm Gesicht zogen sie über den Heldenplatz zum Parlament. Dort wurde die Abschlusskundgebung abgehalten. Die Demonstranten befürchten, dass ACTA den Weg für die vollständige Internetüberwachung inklusive Websperren ebnen könnte. Mit Trillerpfeifen bringen sie ihre Wut zum Ausdruck. Bis auf die Lärmbelästigung war die Demo aber äußerst friedlich. Randale oder Gewalt wie bei der WKR-Ball-Demo vor wenigen Tagen fanden in Wien nicht statt.

Organisiert wurde die Demo von der Piratenpartei, den Grünen und vom losen Aktivistenkollektiv Anonymous. Auf dem Podium haben der EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser, die deutsche EU-Mandatarin Ska Keller von den Grünen, der grüne Bundesrat Marco Schreuder und Christian Martin von der österreichischen Piratenpartei gesprochen. Ihr Credo: ACTA ist noch nicht beschlossen, man könne es noch aufhalten. Sie forderten von den Demonstranten einen langen Atem und Durchhaltevermögen bei den Protesten. Die Stimmung der Demonstranten zeigte, dass sie überhaupt nicht dran denken, aufzugeben.

Stop ACTA in ganz Österreich

Nicht nur in Wien, sondern auch im Rest Österreichs wurde fleißig demonstriert. In Graz fanden sich etwa 1500 junge Menschen bereits zu Mittag am Mariahilferplatz ein. Dass sie trotz Schneefall auf den Straßen protestierten, geht auch auf die Initiative zweier Schüler zurück. Markus und Florian hatten via Facebook Freunde und SchulkollegInnen mobilisiert. Mitgetragen wurde der Protest von den Grünen und von den steirischen Piraten, die sich erst kürzlich als Landesorganisation formierten. Gegen drei Uhr nachmittags löste sich der Demozug, der über den Hauptplatz und durch die Herrengasse führte, wieder auf.

Anti-ACTA-Demo in Graz auf der Hauptbrücke

Radio FM4 | Maria Motter

Zahlreiche Flyer mit der Aufschrift "Stop Acta" stellten sicher, dass die Demonstration nicht mit einem Faschingszug verwechselt werden konnte, wie meine Kollegin Maria Motter aus Graz berichtet.

Anti-ACTA-Demonstration in Graz

Radio FM4 | Maria Motter

Anti-ACTA-Demonstration in Graz am Beginn der Herrengasse/Hauptplatz

Radio FM4 | Maria Motter

Die Digital Natives, die das freie Internet längst zu ihren Grundrechten zählen, konnten auch in weiteren Städten Österreichs mobilisiert werden, unter anderem in Innsbruck (800 TeilnehmerInnen), Linz (400 TeilnehmerInnen) und in Salzburg, wo etwa 1000 DemonstrantInnen vom Festspielhaus zum Hauptbahnhof marschierten.

Worum es bei ACTA genau geht, darüber waren sich aber auch die DemonstrantInnen nicht ganz sicher. Nur die wenigsten haben das über 50 Seiten lange Handelsabkommen gelesen. Und die, die es taten, waren hinterher unschlüssig, was es genau aussagt. "Zu schwammig formuliert", tönt es von den Kritikern. Anstatt dass ACTA wirklich internationale Standards im Urheberrecht, beim geistigen Eigentum und bei der Produktpiraterie setzt, werden nationale Gerichte ausfechten müssen, wie ACTA zu deuten ist.

Anti-ACTA-Plakat auf Demo in Wien

Günter Hack

Europa wacht auf

Nach Polen wacht auch der Rest Europas langsam auf im Kampf gegen ACTA. Der internationale Koordinator der Kampagne "Stopp Acta", Sebastian Radtke, rechnete im Vorfeld mit insgesamt 150.000 bis 200.000 Demonstranten, die am Samstag europaweit gegen ACTA auf die Straßen gehen. Und die Rechnung könnte aufgehen. In Bulgarien, der Schweiz und anderen EU-Ländern waren tausende Menschen unterwegs, um ihren Unmut gegen ACTA zu zeigen. Und in Deutschland waren allein in München und Berlin 26.000 Menschen auf den Straßen.

Schön langsam merkt man, dass sich die Fronten gegen ACTA verhärten. Immer mehr Länder weigern sich, das Handelsabkommen zu ratifizieren. Die deutsche Bundesregierung hat am Freitag mitgeteilt, dass auch Deutschland das ACTA-Abkommen vorerst nicht unterschreiben wird. Es wird nicht die letzte Anti-ACTA-Demo gewesen sein, die die Welt heute gesehen hat.