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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

13. 1. 2012 - 19:01

Windows 8: Microsoft sperrt Smartphones ab

Anders als auf PCs lässt sich auf Mobilgeräten mit Windows 8 künftig kein anderes Betriebssystem mehr installieren. Die Computer der Durschnittsnutzer werden durch den neuen Boot-Vorgang etwas sicherer.

Die im Herbst aufgekommenen Befürchtungen, Microsoft würde die Einführung eines neuen Boot-Systems dazu nützen, konkurriererende Betriebssysteme auszuschließen, haben sich nun bestätigt. Andererseits aber auch nicht.

Die "Hardware-Zertifikations-Anforderungen" für Windows 8 haben nunmehr ein Update erfahren. Auf Seite 116 des umfangreichen Konvoluts heißt es wörtlich: "Es ist verboten, auf ARM-Systemen 'Custom Mode' freizuschalten. Nur der Standardmodus ist erlaubt."

Prozessoren des britischen Herstellers ARM spielen in der Smartphone-Welt eine ähnlich tragende Rolle wie Chips von Intel bei PCs.

Das "Unified Extensible Firmware Interface" (UEFI) wird das in die Jahre gekommende BIOS (Basic Input/Output System) von PCs ablösen. Dieses 16-Bit-System, das den PC bei dessen Start "zum Leben erweckt", seit mehr als 30 Jahren ziemlich unverändert geblieben. Es wurde nur daran gebastelt, um damit auch die neueren 32- und 64-Bit-Betriebssysteme hochfahren zu können. Die Ankündigung Microsofts hatte im Herbst ziemliche Unruhe ausgelöst.

Typisch Apple

"Standardmodus" heißt, dass nur von Microsoft signierte Software gestartet werden kann. Das Installieren eines anderen Betriebssystems als Windows 8 wird also auf den künftigen Smartphones von Microsoft nicht möglich sein.

Der landläufige Reflex "Typisch Microsoft" ist allerdings nicht angebracht, weil diese Vorgangsweise eben nicht für Microsoft, sondern für Apple typisch ist. Apple hat sein proprietäres EFI von Anbeginn bei den iPhones eingesetzt.

PCs bleiben offen

Was die PCs angeht, so hat Microsoft das Versprechen gehalten, dass auch weiterhin dem Kunden die Wahl überlassen werde, was er auf seinem mit einem MS-Betriebssystem gekauften PC noch installiert.

"Auf Nicht-ARM-Systemen MUSS die Plattform einem physisch präsenten Benutzer erlauben" zwischen zwei Modi zu wählen, heißt es ebendort im Anforderungs-Dokument (Hervorhebung von Microsoft). Der "Custom Mode" wiederum erlaubt es, die "Inhalte der ... Signatur-Datenbanken zu modifizieren." Damit werden die Installationen nicht-signierter Software möglich.

Die Neuauflage der Zertifikations-Anforderungen für Hardware Microsofts

Kevin und Julia Normalbenutzer

Betont wird weiters, dass genau diese Option nur Menschen nicht aber Programmen offen steht. Das macht die Windows-PCs von Kevin und Julia Normalbenutzer in Zukunft etwas sicherer.

Eine Gattung von Schadprogrammen, die auf den Bootsektor abzielen, um sich in den Startvorgang zu schmuggeln und diesen zu manipulieren, wird damit auf einen Schlag ausgeschaltet. Diese "BIOS-Rootkits" wurden durch den verheerenden "Chernobyl"-Virus 1999 bekannt - siehe unten - waren danach aber nie mehr besonders verbreitet. Das wohl Gefährlichste an ihnen ist, dass sie äußerst schwer zu entdecken sind.

Im UEFI-Konsortium sitzen neben Microsoft von Intel bis AMD, von IBM bis HP vor allem Hardwareproduzenten, die ihre Hardware künftig mit Schlüsseln versehen werden. Auch Apple ist im Konsortium vertreten, Google und sämtliche Hersteller von Android-Handys hingegen fehlen.

Bootsektor-Viren chancenlos

Auch wenn sich Julia und Kevin wieder einmal einen Trojaner einfangen, kann der am Bootvorgang nichts drehen. Wer hingegen ein anderes Betriebssystem installieren möchte, kann dies laut Angaben von Microsoft jederzeit tun.

Wenn auch das Misstrauen bei Bekanntwerden der Pläne im Herbst groß war, so spielt sich eigentlich alles im erwarteten Rahmen ab. Im PC-Bereich (inklusive Laptops) liegen die Marktanteile Microsofts immer noch bei etwas unter 90 Prozent des Weltmarkts.

Kartellbehörden

Eine Maßnahme wie sämtliche PCS, die mit Windows 8 ausgeliefert werden, gegen die Installation eines alternativen Betriebssystems vollständig zu sperren, hätte unweigerlich erst die amerikanischen Kartellbehörden, dann jene der EU auf den Plan gerufen.

Gerade mit Letzteren hatte Microsoft in der Vergangenheit äußerst unangenehme Erfahrungen in Form von milliardenschweren Bußgeldern gemacht.

Wiedereintritt in den mobilen Markt

Bei Smartphones passiert das hingegen sicher nicht. Anders als PCs, die der Kunde in der Regel individuell erwirbt, werden die schlauen Handys fast ausschließlich im Paket mit einem Mobilfunkvertrag vertrieben.

Der wohl berüchtigste BIOS-Virus "Win CIH" alias "Chernobyl" verbreitete sich etwa ein Jahr lang unauffällig. Am 26. April 1999, dem Jahrestag der Atomkatastrophe, schlug "Chernobyl" dann zu. Erst wurde der Bootsektor der Festplatte mit Nullen überschrieben, dann die BIOS-Chips mehrerer Hersteller angegriffen und gelöscht. Das Resultat waren massenhaft Elektronikschrott vor allem in Asien und neue Aufträge für die Hardwarehersteller.

Die Marktanteile Microsofts im Handysektor sind aber mittlerweile so marginal, dass man den kommenden Launch von Smartphones mit Windows 8 eigentlich als Wiedereintritt in den mobilen Markt bezeichnen muss.

Genauso absehbar war, dass Smartphones und Tablets mit Windows 8 ähnlich gegen "Jailbreaks" abgesichert werden, wie es Apple mit den iPhones macht.

Vorgaben der Mobilfunker

Das ist nicht nur im Interesse des Hersteller, die über ihre Webshops mit ihren Kunden auch weiterhin möglichst exklusiv Geschäfte machen wollen.

Die Mobilfunkbetreiber bestehen sogar darauf, da die herkömmlichen Zweijahresverträge dazu dienen, auch die Kosten für ein erheblich verbilligt oder "gratis" zum Vertrag offeriertes Smartphone wieder hereinzuspielen.

De facto sind das alles Teilzahlungsverträge, man kriegt das Handy ja nicht gratis, sondern zahlt es in 24 Raten ab.