Erstellt am: 5. 1. 2012 - 18:42 Uhr
"Ich denke nicht übers Schreiben nach"
Regisseur Stephen Frears möchte seinen Drehbuchautor ständig um sich haben. Umgeschrieben wird bis zur letzten Klappe und bei The Queen wurden, nachdem der Film fertig geschnitten war, noch Szenen neu geschrieben und nachgedreht.
"Clint Eastwood hingegen wollte leider gar nichts an dem Buch zu Hereafter ändern. Er hat alles genau so genommen, wie ich es geschrieben hatte", bedauert Drehbuchautor Peter Morgan.
"Ich mag die Auseinandersetzung mit den jeweiligen Regisseuren.
Deshalb möchte ich auch nicht selbst Regie führen, das wäre mir zu einsam".
Seit etwa einem Jahr lebt der gebürtige Brite Peter Morgan mit seiner Familie in Wien. Mit seiner Frau Lila Schwarzenberg – „Nicht ich habe in die Aristokratie eingeheiratet, sondern meine Frau hat aus der adeligen Gesellschaft ausgeheiratet“ - hat Peter Morgan vier Kinder. Die wollen ernährt werden und das ist die Haupttriebfeder für den Autor.
„Seit ich Kinder habe geht es mit meiner Karriere bergauf – die haben Hunger. Das ist ein guter Grund, um zu schreiben.“
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Seit 2005 läuft es für ihn wie am Schnürchen: Mit The Last King of Scotland über den Diktator Idi Amin und mit The Queen haben beide Hauptdarsteller in einem Jahr den Oscar gewonnen.
„Es war unglaublich, mit Helen Mirren und Forest Whitaker diese Oscar-Nacht zu erleben und auch noch für das Drehbuch für The Queen nominiert worden zu sein“, erzählt Peter Morgan.
2009 gab es noch eine Oscar-Nominierung für sein Drehbuch Frost/Nixon über das Interview des Showmasters Frost mit dem ehemaligen US-Präsidenten Nixon, der nach dem Watergate-Skandal zurücktreten musste.
Peter Morgan fasst gerne Geschichten mit realem Background an. Die Gute-Nacht-Gespräche der Queen mit ihrem Ehemann und die Vier-Augen-Gespräche der Königin mit dem ehemaligen Premier Blair mit Raffinesse zu formulieren, ist eine schwierige Aufgabe. „Ich beneide Sie darum, wählen zu dürfen “ (die Queen zu ihrem Porträtmaler) oder „Kann bitte jemand diese Familie vor sich selbst schützen?“ (Tony Blair zu seinen Mitarbeitern über die Königsfamilie) treffen den Punkt der Geschichte. Peter Morgan erzählt, wie es sein hätte können und greift mit dieser Leichtigkeit und ohne zu viel Respekt nach der Lebensgeschichte von Queen-Sänger Freddie Mercury und der von Niki Lauda.
Die Lauda-Geschichte ist bereits fertig geschrieben. Aus der Mercury-Geschichte hat Peter Morgan sich zurückgezogen.
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„Dafür habe ich das Drehbuch für den neuen James Bond sausen lassen. Ich steckte zu tief in der Mercury-Arbeit, aber letztlich wollte ich nicht zwischen einem ambitionierten Produzenten, einem sehr ambitionierten Regisseur, den überambitionierten Ex-Queen-Bandmitgliedern und dem genialen Sacha Baron Cohen, der Freddy spielen soll, zerrieben werden. Zuviele Wünsche und Vorstellungen, die unter einen Hut gebracht werden wollen. Also bin ich ausgestiegen.“
"Ich bin kein Intellektueller. Ich bin Entertainment."
Für Eitelkeit sei kein Platz, dort wo er sich bewege.
Drehbücher werden weitergereicht, wenn ein Autor auf der Stelle tritt; er selbst habe das mit eigenen Projekten auch schon erlebt.
„Die echten Hollywoodmacher sind sehr intelligente, hart arbeitende Menschen. Nicht besonders spannend oder lustig, eher wie Anwälte.“
Das klingt nach reinem Pragmatismus.
Peter Morgan, der Autodidakt, der nicht an Drehbuchworkshops glaubt und dramaturgischen Ratgebern skeptisch gegenüber steht, hat zwar einen gesunden Pragmatismus seinem Beruf gegenüber, aber der ist nicht zu verwechseln mit lieblosem Kalkül.
Morgan brennt für seine Geschichten. Wenn er über „360“ erzählt, seine freie Adaption von Schnitzlers Reigen, dann spürt man, wie sehr er sich wünscht, dass die Zuschauer den Film genauso lieben werden, wie er es tut. Ein Teil des Films wurde in Wien gedreht, weil Peter ihn hier angesiedelt hat. Anthony Hopkins, Jude Law, Moritz Bleibtreu und Johannes Krisch werden noch in diesem Jahr mit „360“ die Kinos bespielen.
"Ich bin kein großer Partytiger"
beschreibt Peter Morgan seine Wochen und Monate, die er in Hollywood verbringt. Dort wird gearbeitet, nur gearbeitet.
„Ich glaube schon, dass es auch jede Menge Partys gibt, aber auf die bin ich nicht eingeladen“, grinst er. Mit der Rolle des Außenseiters kann Peter Morgan heute spielen; als junger Bub aber war sie oft unschöner Alltag.
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Er ist das Kind deutscher Emigranten und war im London der Nachkriegszeit ein Fremder im eigenen Land. „Fritz“ haben die anderen Kinder ihn damals gerufen. Sein Vater, der 1939 vor den Nazis floh, hatte seinen Namen Morgenthau unverzüglich in Morgan geändert, um die ungeliebten deutschen Spuren zu beseitigen. Aber die Muttersprache seiner Eltern und viele der deutschen Traditionen haben sich im Hause Morgan gehalten. Das hat Peter auch nach Wien gebracht. Nach dem Tod seiner Mutter wollte er ihrer Sprache nahe sein. Durch seine österreichische Frau hat Peter Morgan ohnehin eine enge Bindung zu Wien. Nun ist er hier zu Hause.
Soweit das als Brite in Wien möglich sei, setzt er nach. Und eigentlich plane er für 2013 den Umzug zurück nach London, schließt er ab. Seine Freunde und Kollegen gingen ihm schon ziemlich ab und er müsse nun noch mehr Zeit im Flugzeug verbringen als früher, weil er ständig nach London reisen muss.
Am Tag nach unserem Gespräch kommt das fünfte Kind von Peter Morgan und Lila Schwarzenberg auf die Welt. Der Mann wird mit seinen Filmideen nicht mehr zu bremsen sein.
Das Gespräch mit dem Drehbuchautor Peter Morgan: am 6. Jänner um 13 Uhr in einem Doppelzimmer spezial.
Anhören
Hier kannst Du das Doppelzimmer Spezial nachhören (und im FM4 Interview Podcast ist es auch zu finden):