Erstellt am: 10. 12. 2011 - 15:30 Uhr
Funk-Soul-Brothers rock
"I've got a love that keeps me waiting, I'm a lonely boy", singen die Black Keys gleich zu Beginn ihres neuen Albums. "Lonely Boy" heißt der Song. Gut, dass die beiden jedenfalls einander haben.

BlackKeys
Und gut auch, dass sie dieses Auto hatten, das sie unermüdlich durch die Staaten fuhr, tourenderweise. Es muss irgendwann zwischen dem zweiten und dem dritten Album gewesen sein, zwischen "Thickfreakness" und "Rubber Factory", also im Jahr 2003 oder 2004: Patrick Carney, der Drummer der Black Keys am Mobiltelefon, irgendwo unterwegs in den USA. Das Auto, über das wir damals nicht gesprochen haben, wohl aber über Akron, jene Automobilindustriestadt in Ohio im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten, die immerhin auch Chrissie Hynde von den Pretenders hervorgebracht hat, genauso wie die New Wave Legenden Devo. Über Akron, diese Boomtown der 1910er und 1920er Jahre, haben wir damals am Telefon geredet, über die Stadt, die man das "Rubber Capital Of The World" nannte, vor allem der Autoreifenindustrie wegen. Und da ist es plötzlich, das Auto, das die Black Keys so lange durch die Staaten getragen hatte: Auf dem Cover vom neuen Album ist es zu sehen. "El Camino" heißt dieser bereits siebte Longplayer dieser beiden stillen Helden aus dem Midwest, dieser Bluesbrüder, die ganz old-fashioned so etwas wie ihren ganz persönlichen American Dream leben.
Und plötzlich...

Black Keys
"El Camino" von den Black Keys ist bei Nonesuch erschienen.
...waren sie Grammy-Gewinner. Nein, so plötzlich ist das natürlich nicht gegangen. Da war zuerst das allererste Album, "The Big Come Up" vor mehr als zehn Jahren. Zur Gänze aufgenommen in Patrick Carneys Kellerstudio in Akron, Ohio, auf einem 8-Spur-Gerät aus den frühen 1980er Jahren. Beide Singles von diesem Album waren Coversongs, einer ein altes Bluestück, der andere ein Beatles-Song. Auch der nächste Longplayer, "Thickfreakness", war zuhause bei Patrick Carney entstanden. Erstmals raus aus dem Basement gingen die Black Keys dann mit "Rubber Factory", ihrem dritten Album, blieben aber fest verwurzelt in Akron, Ohio. Ein altes Fabriksgebäude diente diesmal für die Aufnahmen. Letztes Jahr wurde es übrigens abgerissen. Aber da waren die Black Keys ja ohnehin schon Grammy-Gewinner. Langsam, langsam. Die Filmindustrie und die Werbung waren schon längst hinter der Musik der Black Keys her, jetzt durften sie auch für Pearl Jam, Beck oder gar Radiohead den opening act bei deren Konzerten geben.
Next up im Leben der Black Keys: Ein Plattenlabelwechsel, weitere (gute) Coverversionen - etwa vom Mississippi Bluesmann Junior Kimbrough, und weiterhin gutes Einvernehmen mit Film und Fernsehen. Dann: Nächstes Album - "Attack & Release", produziet von Brian "Danger Mouse" Burton, Platz 14 in den US-Charts. Es folgt das Jahr 2009, samt dem Soloalbum "Keep It Hid" von Sänger/Gitarrist Dan Auerbach. Aber auch Patrick Carney ist nicht untätig. Er gründet ein Projekt namens Drummer, samt Albumveröffentlichung. "Feel Good Together" heißt es. Sie sind noch immer Bros, die beiden Midwest Boys. Im Frühjahr 2010 veröffentlichen die Black Keys ihrs sechstes Album, "Brothers". Platz 3 in den US-Charts. Natürlich möchte auch der Twilight-Sountrack ein Stückchen Black Keys. Er bekommt es: "Chop & Change". Viel wichtiger aber: Mit dem Song "Ohio" liefern Dan Auerbach und Patrick Carney eine Hommage an ihren Heimatstaat, der, nicht zu vergessen, auch etwa die Ohio Players und die O´Jays hervorbrachte - alten Soul und R&B, aber auch Garagerock und Powerpop. Die Rock´n´ Roll Hall Of Fame ist nicht umsonst in Ohio angesiedelt.
And the Grammy goes to
Februar 2011: Zwei Grammies für die Black Keys. Dass die beiden jetzt anders sein würden, andere Musik machen würden, dies anders machen, das anders tun würden - Ängste über Ängste? Ja, schon, doch irgendwie. Aber nein, ach was.
Zurück zum Auto der Black Keys, zum Camino aus dem Albumtitel "El Camino". Ein Camino ist ein Chevrolet-Coupe, das seit 1987 nicht mehr produziert wird. Auf "El Camino" sehen wir aber einen Van aus dem Hause Crysler, der die Black Keys durch die USA fuhr, damals, als sie noch keine Grammy Gewinner waren und sich durchaus gelegentlich fragten: "Warum machen wir eigentlich, was wir machen?"
Vergangenen Oktober gab Patrick Carney ein Inserat im Akron Beacon Journal auf, wo er das alte Auto der Black Keys als "1994 El Camino" zum Kauf anbot: "Priced to sell - Grab The Keys and go! Contact Pat or Dan at (330) 510-1206" Anrufer kamen zu einer von Patrick gesprochenen Text-Message, die das Auto nochmals beschrieb und dann um das Hinterlassen einer Nachricht bat.
Mit an Bord von diesem Voyager, pardon, Camino, ist wieder Danger Mouse, der bei "Brothers" nicht mitgearbeitet hat, außer bei der Single "Tighten Up", die den Black Keys so richtig den Durchbruch beschert hatte. Er spielte ein wenig Keyboard und produzierte das Album zusammen mit Dan Auerbach und Patrick Carney. Und: Er schrieb die Songs zusammen mit den beiden.
Patrick Carney: "It took us a long time to be able to trust somebody like that, and not be arrogant little kids about it."
Abgemischt wurden die Songs, auch nicht uninteressant, von einem amerikanischen Studioveteranen: Tschad Blake. Er war schon im Studio mit Elvis Costello, Pearl Jam oder den Dandy Warhols. Ein Grammygewinner ist er ganz nebenbei ebenfalls - für seine Arbeit mit Suzanne Vega. Aufgenommen wurde "El Camino" im Easy Eye Sound Studio von Dan Auerbach in Nashville, Tennessee. Erst Mitte 2010 war Dan Auerbach aus Akron, Ohio weggezogen. So wie Jack White aus Detroit nach Nashville gezogen war, übersiedelten nun auch die Black Keys in jene Stadt, die vorallem für Country-Pop bekannt ist.

Black Keys
Die beiden Funk-Soul-Brüder The Black Keys haben mit "El Camino" ein Gitarrenrock-Album gemacht, das, wie Patrick Carney bestätigt, insgesamt "more upbeat than anything we´ve ever recorded" ist. Dan Auerbach fügt hinzu: "It took longer than any record we´ve ever done. And everything was laboured over." Selbstbewusst, aber wunderbar unprätentiös ist "El Camino" geworden. Natürlich haben die Black Keys auch wieder altes Equipment gesucht und gefunden: ein Mischpult aus einem Studio in Nashville, das dort 1969 eingebaut worden war, und das - längst ausgebaut - von Dan Auerbach aufgetrieben und erworben wurde. Auch ein Originalteil aus den legendären Muscle Shoals Studios in Memphis, Tennessee hatten die Black Keys erstanden.
If you like this, try this:
"Fire And Water" von The Free, 1970, Island Records
Die Songs:
- "Lonely Boy": Oh-woah-oh-oh. Von den Cramps inspiriert: ebenfalls eine Band, die aus Akron, Ohio kam.
- "Dead And Gone": Motown meets The Clash.
- "Gold On The Ceiling": T-Rex-ig.
- "Little Black Submarines": Oh can it be the voices calling me, they get lost and out of time. Ein wunderschönes Akustikstück, das dann zu einem Rocker mutiert. Das Stairway To Heaven der Black Keys.
- "Money Maker": She´s a money maker. Die Ex-Frau von Patrick Carney vielleicht?
- "Run Right Back": Super Intro. Und wieder eine Frau. Was ist los, Boys? She´s the worst thing I´ve been addicted to. I run right back, I´m sure.
- "Sister": When your heart is hollow, another pill to swallow. Das "Tighten Up" am neuen Album.
- "Hell Of A Season": I keep waiting forever, you know I do. Masochismus?
- "Stop Stop": Toller Soul Groove.
- "Nova Baby": This is pop. POP.
- "Mind Eraser": Deep down I can´t let go. Don´t let it be over.