Erstellt am: 16. 11. 2011 - 12:25 Uhr
Zeigt her eure Schuh'
"Es wird ordentlich was zu tun geben", warnt mich die Stimme am Telefon noch kurz vor dem Auflegen. Ich habe gerade einen Schuhmacherkurs in der Waldviertler Schuhwerkstatt gebucht, und mich ohnehin schon gefragt, wieso ich mir dafür drei ganze Tage lang Zeit nehmen muss. Wieviel Arbeit kann so ein Schuh schon sein?
Wenn ich das mal kurz ausführen darf:

Barbara Köppel
Auf meinem Platz ist Folgendes vorbereitet: zwei Leisten, quasi Füße aus Plastik, über denen lose Unter- und Oberleder meiner Schuhe liegen, drei Schichten Sohle, eine Kunststoffkappe für die Schuhspitze, daneben ein Hammer, eine breite und eine schmale Zwickzange, ein Reibbein, eine Schere, Schleifpapier, Stifte und Nägel. Damit werde ich schon zurechtkommen. Denke ich zumindest, bevor ich weiß, was auf mich zukommt.

Barbara Köppel
Die folgenden eineinhalb Tage verbringe ich damit, eine gefühlte Million Nägel in die Hartplastikfüße zu hämmern. Um den Schuhen die richtige Form zu geben, muss das Leder faltenfrei über die Leisten gezogen und fixiert werden. Schon nach der ersten Runde ist meine Schultermuskulatur verspannt, und von der Haut auf Daumen und Zeigefinger, zwischen die ich Nagel für Nagel einklemme, nicht mehr viel übrig.

Barbara Köppel
Um die Fersen wird's besonders heikel. Leder glatt um eine enge Kurve legen, geht in etwa so mühelos, wie Suppe mit der Gabel essen. Die kleinen Fältchen klopfe ich dann noch mit der Finne des Hammers flach. Überhaupt wird so ein Schuh in seiner Entstehungsphase ziemlich malträtiert. 1000 Schläge braucht es, um das Leder hohlraumfrei an den Leisten anzuformen.

Barbara Köppel
Immer wieder muss ich die Nägel wieder aus den Leisten rausziehen, Kaltleim unter die einzelnen Schichten Leder schmieren und dann wieder festnageln. Eine Sisyphosarbeit! Erst wenn der Leim trocken ist, kommen die Nägel endgültig raus.

Barbara Köppel
So schaut es aus, wenn das Unterleder richtig sitzt. Die rote Linie markiert die Position für die Vorderkappen.

Barbara Köppel
Die Vorderkappen aus Kunststoff werden mit einem Fön erhitzt, und solange sie weich sind über die Fußspitzen gezogen. Eine stinkende Fitzelei!

Barbara Köppel
Das Resultat kann sich sehen lassen. Ich gebe aber zu: ohne Hilfe hätte ich es nie geschafft.

Barbara Köppel
Zur Abwechslung folgt eine weitere Runde Nägel. Meine Arme sind schwer geworden, der Rücken krumm, Motivation und Treffsicherheit haben bedenklich nachgelassen. Und schon wieder im Fünf-Millimeter-Abstand an Zehen und Fersen? Echt jetzt...

Barbara Köppel
Jetzt - kein Witz - soll ich das Oberleder wieder aufreißen, um die Sohle aufzukleben. Die Brandsohle, im Inneren des Schuhs ist schon auf dem Leisten fixiert, dann folgt eine Schicht Filz, damit der Schuh beim Gehen nicht quietscht, und dann eine Zwischensohle aus Leder. Kleben ist einfach, aber um genau zu sein, braucht man jeweils vier Hände und Augen.

Barbara Köppel
Klebt die Sohle erstmal, hat man einen schönen Entenfuß. Der Fachmann sagt zum plattgedrückten Rand Nahtbett.

Barbara Köppel
Das Gröbste habe ich jetzt hinter mir. Ich freue mich aufs Nähen! Dazu brauche ich eine Ahle, das spitze Ding mit Holzgriff zum Löcherstechen, Garn, zwei krumme Nadeln - Borsten, nennen sie die Schuster, weil man früher zum Schuhenähen Sauborsten verwendet hat - einen Knieriemen und ein Handleder.

Barbara Köppel
Mit dem Knieriemen schnalle ich mir den Schuh ums Bein, das Handleder schützt meine Hand, wenn ich die Fäden festziehe. Meine Stiche sollen sieben Millimeter lang werden.

Barbara Köppel
Ich mache sie größer und brauche für den ersten Schuh trotzdem zweieinhalb Stunden, für den zweiten nur mehr eineinhalb. Ich bin sehr stolz auf meine Naht. Schaut, wie regelmäßig!

Barbara Köppel
Wie gesagt: wirklich sehr stolz!

Barbara Köppel
Die letzten Arbeitsschritte erledigen dann doch Maschinen für mich. Mit einer Hochdruckpresse wird die Gummisohle auf den Schuh gedrückt, dann werden die überstehenden Ränder abgeschnitten und geschliffen.
Herzlichen Dank an Schuhmachermeister Toni Schuster für seine Engelsgeduld und die kompetente Betreuung!
FM4 Handmade - Mach es selbst
Das Selbermachen wird diese Woche auf FM4 groß geschrieben. Alles zum Nachlesen auch unter fm4.orf.at/handmade

Barbara Köppel
Zum Schluss noch versiegeln, putzen und imprägnieren, und nach kaum 25 Stunden Arbeitszeit ist mein selbstgemachtes Paar Schuhe endlich fertig!