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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

17. 9. 2011 - 13:18

Inhalte überwinden

Es gibt leider keine Partei für Clubs, gegen Gentrification und für billige Mieten. Also wieso nicht gleich eine Spaßpartei wählen?

Der Berliner Sommer ist vorbei, es ist kühl geworden und alle sind wieder da. Da trifft man sich nach langer Zeit, erzählt von den verschiedenen Sommererlebnissen, forscht nach neuestem Tratsch und Klatsch und die Daheimgebliebenen sagen: „Es ist nicht viel passiert, aber es wird Zeit, dass die ganze Wahlwerbung verschwindet, eine Zumutung bei jedem Gang vor die Tür, die Politikerköpfe sehen zu müssen“.

Da kommt die Sprache auf den Wahlsonntag in Berlin. Es sind nur noch zwei Tage und trotzdem fragt man sich: „Was soll man nur wählen?“

Die Grünen? Sind die neue FDP, die Linke hat sich mit ihrer Haltung zu den Mauertoten unwählbar gemacht, und die Piraten? Haben großen Männerüberschuss in ihrer Partei aber kein Programm außer Freiheit fürs Internet - so ist die allgemeine Stimmung.

wahlplakat

rösinger

So wirbt „Die Partei , landläufig auch „Titanic –Partei genannt“.

Wie soll man sich da entscheiden? Vielleicht dann eher nach so ganz eigennützigen, persönlichen Kriterien? Da unsere kleine Ausgehgruppe zu der Minderheit der Kulturschaffenden gehört, denen von Elternseite keine Eigentumswohnung aufgedrängt wird, sind bezahlbare Mieten wichtig, also Gentrification stoppen. Auch um die Berliner Kulturpolitik sollten wir Lo- Fi- Bohemiens uns kümmern - und wir unterstützen die hedonistische Internationale und wollen die Artenvielfalt des Berliner Nachtlebens erhalten. Das ist auch bitter nötig, denn in einer Berliner Zeitung wurden kürzlich 15 Clubs aufgelistet, die bedroht sind. Den schönen Clubwildwuchs an der Spree wird es nicht mehr lange geben, aber auch in anderen Bezirken sind Clubs und Bars wegen Problemen mit den Nachbarn bedroht.

Aber welche Partei würde sich denn für die Clubszene, gegen Verdrängung und für billige Mieten einsetzen? Im Programm der Grünen und der Linken findet man dazu nur recht schwammige Absichtserklärungen und die Linke hat ja in Berlin die letzten zehn Jahre mitregiert und konnte die Verdrängung nicht verhindern.

Vielleicht soll man dann gleich eine der vielen Berliner „Spaßparteien“ wählen?

Als die Runde der Wahlmüden beschließt zu gehen und vor die Tür tritt, hält dort gerade ein Wahlkampf-Pritschenwagen der Partei „Die Partei , landläufig auch „Titanic –Partei genannt“. Obwohl es nichts umsonst gibt, scharren sich gleich Dutzende Neuköllner Barbesucher um den Wagen mit den lustigen Plakaten. „Inhalte überwinden“, „Wowereit ausstopfen, Knut wiederbeleben, Künast frisieren“ wird da gefordert und „Ick bin ein Obama“ behauptet.

Würde man die Partei mit den lustigsten Plakaten wählen, wäre die Entscheidung schon gefallen.