Erstellt am: 10. 9. 2011 - 15:14 Uhr
Blood Orange: Dev Hynes is back
"The blood orange is a variety of orange with crimson, blood coloured flesh. The fruit is smaller than an average orange. Blood oranges originated as a mutation of the sweet orange."
So gibt jedenfalls Wikipedia Auskunft über die Blutorange, die am besten in trockenen Gebieten mit Nachtfrösten gedeiht. Die Blutorange, um die es sich hier dreht, ist jedoch keine sizilianische Tarocco und auch keine spanische Sanguinello, sondern ein gewisser Dev Hynes, der sein neuestes musikalisches Projekt Blood Orange nennt - und die Früchte quetscht, dass der Saft nur so rinnt.

Dev Hynes
Dev Hynes ist ein wunderliches Kerlchen, meist mit großer Brille und wirrem Haar, auf dem schon mal eine Fellmütze sitzen kann, eine aus fake fur selbstverständlich. Dieser Devonte´ Hynes ist ein gar wundersames Kerlchen. Aber die Verniedlichungsform anzuwenden passt hier eigentlich gar nicht, denn Dev Hynes ist ein fast schon göttlicher Vertreter der zeitgenössischen Popkultur. Er ist eine Art Hans-Dampf-in-allen-Gassen. Was letztlich aber auch wieder keine adequate Beschreibung für ihn ist, denn einem Hans-Dampf gelingt nicht alles, er verheddert sich, verliert sich, macht letztlich von allem nicht wirklich etwas wirklich gut. Das trifft auf Dev Hynes aber nicht zu - alles was er anfasst, scheint auch zu gelingen, oder zumindest macht er es so, dass man diesem umtriebigen jungen Mann gewiss nicht böse sein kann.

Dev Hynes
Als Lightspeed Champion kennen wir den Briten Dev Hynes bereits. In Houston, Texas geboren, kam er schon im Alter von zwei Jahren nach Essex, England.
Als Lightspeed Champion machte Dev Hynes zwei Alben lang orchestralen Pop ("Falling Off The Lavender Bridge", 2008, und "Life Is Sweet! Nice To Meet You", 2010). Rubbing shoulders mit den Saddle Creek Leuten, beim ersten Album, das er in Omaha, Nebraska einspielte, mit Mike Mogis und Co. I´m a crazy baby, hieß im Song, der ein ernster war, über Mobbing, das Dev von seiten schwarzer Machos immer wieder bekam, walking the mean streets of Dalston, Ostlondon:
"Crack open the good towns, on a street corner blessed in rhymes. Negros turn a blueish grey when they are dead. That´s funny cos I´ve just turned bright red."

Domino REc
Bevor Dev Hynes zur Lightspeed Champion One-Man-Band wurde, war er Dance-Punker und New-Raver beim Londoner Trio Test Icicles. Jetzt ist Dev Hynes Blood Orange. Und noch etwas: Dev Hynes ist auch Songwriter und Producer für andere: Er schrieb für die Chemical Brothers und für Florence & The Machine eine B-Seite. Er war auch in ihrer Band, und performte einmal mit ihr zusammen ein Blink 182- Cover: "Adam´s Song". Dev Hynes it auch berüchtigt für seine Green Day Coverversionen. Als Dreizehnjähriger war er noch bei Ash und den Bluetones, dann kam schon Weezer. Rivers Cuomo ist sein ultimate hero. Wenn Dev Hynes das sagt, legt er eine Hand auf sein Herz. Music is the most important thing in my life, sagt er. Und, ahm, die Lust. Music makes sense, fügt er an, "Lust doesn´t."
Außerdem produzierte Dev Hynes die Londoner Popsängerin Diana Vickers - aus der britischen Castingshow "The X-Factor - und das New Yorker Wunderkind Theophilus London. It´s all in a day´s work for our Dev. Berührungsängste kennt er nicht. Gut so. Als Songwriter und Producer am neuen Album von Solange Knowles ist er ebenfalls mit dabei. Die Schwester der großen Beyonce will er vom Sound her irgendwo zwischen der jungen Janet Jackson, Earth Wind And Fire und der SOS Band ansiedeln.
Lightspeed Champion has been laid to rest, Blood Orange is born. Obwohl: Ein drittes Album soll Dev Hynes in Demoform noch eingespielt haben, das er auch veröffentlichen möchte. Aber jetzt macht er schon mal den Blinker an, biegt bei der Lavender Bridge auf der Landstraße ab und saust in Richtung Autobahn. Wenn er dann mal auf dem Highway ist, heult der Motor auf, und der Wind bläst ihm um die Ohren - das Autodach ist selbstverständlich offen, bei diesem urbanen coastal groove.

domino
Dev Hynes lebt jetzt in New York, und das hört man auch auf "Coastal Grooves", dem Debutalbum von Blood Orange. Dev hat das New York der Talking Heads in sein Leben gelassen, das New York der (frühen) 80er Jahre. Braucht es diesen jungen Mann aus London, um dieser Ära eine Hommage zu erweisen? Warum nicht. Er hat die nötige Leidenschaft, um etwas Spannendes dmit zu machen, oder es zumindest zu versuchen.
"I find New York early 80s gay culture so amazing - the ball culture, what they created, how they expressed themselves. I amire them endlessly for their bravery. I can´t even imagine how difficult it was to be young, black, and gay 30 years ago. When I was younger growing up in Essex, I dressed pretty weird, and a lot of my friends were gay, so I essentially grew up as a gay kid even though I was straight. I had all the abuse - was spat on daily, called a fag, was pushed around. The whole aesthetic of blood orange is basically a celebration of gay culture."

Bloodorange
"Coastal Grooves" von Blood Orange ist bei Domino Records erschienen. Produziert wurde das Album vom New Yorker Ariel Rechtshaid (We Are Scientists, Cass McCombs etc).
Und so singt Dev Hynes mit androgyner Stimme seine bittersüßen Songs im Disco-Style über NYC people und NYC Orte. In "Sutphin Boulevard" geht es etwa um einen jungen Typen, der sich in eine Drag Queen verwandelt und sich nachts aus dem Haus schleicht, um zu Parties zu gehen. Den Sutphin Boulevard gibt es auch wirklich in New York - im Stadtteil Queens. Ein realer Ort mit fiktiver Handlung, ersonnen von Dev Hynes.
"Most of the songs are about yearning, wanting something better, escapism."
Und haben die Songs von Blood Orange dann auch ein Happy End? Oder ist der "Sutphin Boulevard" letztlich ein "boulevard of broken dreams"? Wo Dev Hynes doch, wenn es hart auf hart geht, ein grundoptimistischer Mensch ist?
Ja, die meisten der Blood Orange Songs haben ein Happy End.
Thanx, Dev.
P.S.:
Ein Name soll nicht unerwähnt bleiben als eine der Inspirationsquellen für das Blood-Orange-Album: Arthur Russell. Der New Yorker ("A Little Lost", "Let´s Go Swimmming"), der aus dem US-Mittelwesten gekommen war, via San Francisco, mit seinem Cello. Er prägte die New Yorker Underground- Discoszene mit, mit Songs "die so persönlich waren, dass er in ihnen verschwand", wie die New Yorker Village Voice einmal schrieb über diesen lange Zeit unsung hero, der Anfang der 1990er Jahre an den Folgen der Immunschwächekrankheit Aids starb.
Und noch ein paar Namen, die sich empfehlen, um das musikalische Universum von Dev Hynes besser fühlen zu können: FR David. Ja, genau der FR David. Jener französische Sänger mit dem 1982er Hit "Words". A Flock Of Seagulls, Chris Isaak, Yellow Magic Orchestra.