Erstellt am: 5. 9. 2011 - 19:26 Uhr
Jugend am Werk
Anfang September beginnt nicht nur für Schüler, sondern auch für viele Lehrlinge ein neues Ausbildungsjahr. Doch nach der Pflichtschule ist es nicht immer einfach, eine Lehrstelle zu finden. Deshalb gibt es in Wien seit 2008 eine Ausbildungsgarantie. Sie soll den Übergang von der Schule in die Lehre sicherstellen. Falls die Jugendlichen in keinem regulären Betrieb unterkommen, können sie eine Lehrwerkstätte wie z.B. "Jugend am Werk" besuchen. Auch Jugendliche, die aus unterschiedlichen Gründen eine höhere Schule abbrechen, werden von solchen Einrichtungen aufgefangen.
Daniela Derntl
Die Lehrwerkstätten kompensieren den Lehrstellenmangel. In Wien gibt es rund 4.000 überbetriebliche Lehrplätze, in denen 30 Berufe erlernt werden können. Finanziert werden diese Lehrbetriebe vom Arbeitsmarktservice und dem Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds, kurz: waff. Die meisten Jugendlichen werden übers AMS, die Kümmernummer der Stadt Wien oder durch persönliche Empfehlungen an die Lehrwerkstätten vermittelt.
Ich habe den Lehrbetrieb in der Lorenz-Müller-Gasse im 20. Bezirk besucht. Dort werden zirka 250 Mädchen und Burschen in holz- und metallverarbeitenden sowie elektrotechnischen Berufen ausgebildet. Die vier Lehrlinge, mit denen ich gesprochen habe, sind mit ihrer Ausbildung zufrieden. Am meisten freut sie, dass sich die Ausbildner viel Zeit für sie nehmen, und sie nicht so viel Zeit mit lästigen Putzarbeiten verlieren, die in anderen Betrieben vor allem den Beginn der Lehrzeit dominieren. Wenn sie die theoretischen Inhalte der Berufsschule oder die praktischen Handgriffe nicht sofort verstehen, werden sie dort so lange wiederholt, bis es sitzt.
Daniela Derntl
Neben der Arbeit in der Werkstatt, der Berufsschule komplettieren verschiedene Praktika in regulären Betrieben die Ausbildung bei Jugend am Werk. Dabei können die Lehrlinge einen möglichen Arbeitgeber mit ihrem Können und ihrer Persönlichkeit beeindrucken. Bei gegenseitigem Gefallen und den nötigen Ressourcen werden die Praktikanten übernommen.
Daniela Derntl
Die Ausbildner bei Jugend am Werk stärken die beruflichen Kompetenzen der Lehrlinge und ihr Selbstvertrauen. Das merkt man auch in den Gesprächen mit den Lehrlingen.
Robert ist 20 Jahre alt und Elektro-Techniker im 3. Lehrjahr. Er hat vorher eine HTL besucht, zweimal wiederholt und dann die Schule abgebrochen.Jetzt holt er die Matura neben der Lehre nach. Er ist froh, dass er nicht mehr an der HTL ist, weil er sich in der Lehrwerkstätte wohler fühlt und hier reifer geworden ist.
Daniela Derntl
Auch die 17-jährige Jacqueline drückt wie Robert nicht nur die Werk-, sondern auch die Schulbank für die Matura. Die Maschinenfertigungstechnik- und Metallbearbeitungslehre ist für sie die Basis für ihren späteren Traumberuf. Nach der Lehre und Matura will sie Mechanik und Robotik an einer FH studieren, um dann später Häuser mit modernster Elektro-Technik zu versehen. Ein Haus, in dem alles auf Knopfdruck funktioniert ist ihre Vision.
Jacqueline ist nicht das einzige Mädchen in dem handwerklich orientierten Lehrbetrieb. Andrea ist Maschinenmechanikerin im dritten Lehrjahr. Sie ist von ihrer Arbeit begeistert, denn ein Job in einem Büro, wo man den ganzen Tag „starrsinnig in einen Bildschirm schaut und tippt“ wäre nichts für sie.
Daniela Derntl
Finanziell geht es den Lehrlingen bei Jugend am Werk nicht so gut wie ihren Kollegen in regulären Betrieben. Im ersten und zweiten Lehrjahr bekommen sie ein monatliches Taschengeld von 250 Euro, später verdienen sie 550 Euro im Monat.
Daniela Derntl
Ivan ist Zerspannungstechniker und hat im Februar ausgelernt. Seine Zukunft nach der Lehre ist noch offen. Denn wenn die Jugendlichen mit ihrer überbetrieblichen Lehre fertig sind, müssen sie sich selbst um einen Arbeitsplatz kümmern, was trotz der Unterstützung der Ausbildner und des waff nicht immer auf Anhieb funktioniert.
Doch dieses Schicksal erleiden nicht nur die Lehrlinge, sondern mittlerweile alle Arbeitnehmer, vom Arbeiter bis zum Akademiker.
Gelegentlich wird auch von Seiten der Wirtschaft Kritik an der Qualität der Lehrwerkstätten laut, die Tanja Wehsely, Wiener Landtagsabgeordnete und stellvertretende Vorstandsvorsitzende des waff damit abschmettert, dass die Betriebe dann gefälligst selbst ihre Fachkräfte ausbilden soll, deren Mangel sie ja öfters beklagt.