Erstellt am: 28. 8. 2011 - 15:00 Uhr
Eier, Butter, Bier (2)
Es wird auch weiterhin redlich verzichtet - Allerdings weilt Herr Carnal derzeit in Portugal und hat dort keine Lust, seine Abenteuer zu dokumentieren. Das "Tagebuch zum Jahr des Verzichts" erscheint im September wieder.
Die Gefahren der Nahrung für den Zahn

marc carnal
Die Fülle an edelster Kost lockt selbst kritische oder sparsame Endverbraucher verlässlich in die habgierigen Fänge der Nahrungsketten (alias Supermärkte, vergl.: „Lexikon der viertellustigen Synonyme“, Marc Carnal 2011, derzeit auf Verlagssuche). Neben feinem Konfekt, ausgesuchten Spirituosen oder süperben Vollmaschmitteln sind es vorrangig erlesene Grundnahrungsmittel, welche Damen, Herren und Zwitter jedweder Couleur und Gesinnung in die zahlreichen Warenhäuser treiben und sie bar jeder Vernunft besinnungslos einkaufen lassen.
Doch trotz aller verständlichen Hemmungslosigkeit bei der Investition in gleich mehrere Zucchinis und Joghurts, Milch, Brot und Schinken und ganzen zwei Blätterteigen (v.u.n.o.) sollte zumindest ein kleiner Teil des Gesamtbudgets für eine sorgsame Zahnpflege zweckgewidmet werden.
So erquickend ein ruhiger Abend nach einem zehrenden Werktag auf der Chaiselongue bei Zucchinistrudel, Schinkenbrot und gesunden, mit Joghurt verfeinerten Cerealien auch sein mag – Der Zahnteufel schläft im Detail und scharrt rund um die Ohr mit seinen peinvollen Bockfüßen. Schon ein Abend ohne umfassende Zahnpflege kann qualvolle Schmerzen und sünfhaft kostspielige Behandlungen nach sich ziehen. Durch das Beharren auf schöne Goldfüllungen bleibt dem Patienten kein Geld mehr übrig, um lecker lecker Essen zu erstehen. Der ehemals Lebenslustige kauft mit den letzen Ersparnissen ein Hungertuch, nagt ausführlich daran und krepiert schließlich elendiglich. Und das nur, weil er einmal vollgefressen und willenlos im blauen Licht der Spätnachrichten eingeschlafen ist. Ein Zahnteufelskreis!
Weshalb das menschliche Gebiss derartig anfällig für folgenschwere Schäden ist, kann man dem Laien am besten folgendermaßen erklären:
In jedem Zwiebelrostbraten, Erdbeersorbet oder Kartoffelchip wohnen kleine Bakterien. Wenn wir diese nur als beispielhafte Platzhalter dienenden Speisen zu uns nehmen, gelangen die Bakterien in unseren gierigen Schlund. Nun müssen wir uns diese Bakterien als kleine, gefräßige Männer vorstellen, deren Leibgericht aus einer fiesen Laune von _ _ _ _ _ _ (an dieser Stelle bitte entweder Mutter Natur oder einen Gott Ihrer Wahl einsetzen) heraus zufällig der schützende Zahnschmelz ist.
Der Zahnschmelz ist eine Art unsichtbare Eigentumswohnung, in dem unsere Zähne Zeit ihrer Existenz gemütlich und ohne Ambition auf Outdoor-Aktivitäten wohnen. Doch wehe, die kleinen, hungrigen Männer aus dem Kartoffelchip gelangen an die transparente Zahnwohnung, die für sie ein willkommenes Lebkuchenhaus in der dunklen, unwirtlichen Mundhöhle darstellt! Freudig knabbern sie bald die Wände, bald das Fundament an und laben sich am süßen Odeur des so wichtigen Zahnschutzes.
Besonders beliebt ist bei den Feinspitzen unter den Herren Bakterien Zahnschmelzkäse. (Das ist zwar nicht wahr, soll aber der Auflockerung dieses ansonsten um Sachlichkeit bemühten und der Realität verpflichteten Lehrstücks dienen.)
Ist der Zahnschmelz erst vertilgt und der Zahn so freigelegt, entdecken die unsichtbaren Arschlöcher (derbe Wortwahl, der eigenen Erfahrung geschuldet) erst das noch viel noblere Aroma der herrlich weißen Zähne. Knabber knabber, schlabber schlabber, knusper knusper. Und siehe da: Ein Loch ist im Zahn!
Doch damit nicht genug, die unersättlichen Männer sind noch nicht zufrieden und dringen weiter zur größten Spezialität in der Bakterien-Szene vor, zur Zahnwurzel. Daraus kochen sie scharf gewürztes Zahnwurzelfleisch.
Auch dieses letzte Beispiel ist mehr als humorvolle Zwischenbemerkung und weniger als wissenschaftlich fundierte Tatsache zu verstehen, doch meine jahrelange Erfahrung als Chronist lehrte mich, dass die Leserchen mit ein bisschen Spaß an der Freud einfach viel besser aufmerken und dass gerade jene Stellen am längsten im Gedächtnis haften bleiben, bei denen der Federkiel durch Phantasie und Witz in weniger seriöser, aber beispiellos unterhaltsamer Weise gelenkt wurde.
Nur durch disziplinierte und konsequente Zahnpflege ist es möglich, die feisten Herren, die in unseren Speisen reisen (das reimt sich ja *sfg* *lol* *rofl*) und so in den Mund gelangen, in Schach zu halten und regelmäßig aus der heimeligen Mundhöhle hinaus zu komplimentieren. Geht man hierbei liderlich vor, kreucht und fleucht es nur so im Maul und aus der Mundflora wird eine Mundfauna. Dabei wird nicht nur das makellose Lächeln in kürzester Zeit zu einer schwarzen, fauligen Fratze umgestaltet. Auch olfaktorisch sind die Auswirkungen fatal.
Karies, um den tabuisierten Terminus nun nicht mehr länger auszusparen, stinkt wie Seuche.
Am 19. Oktober findet im Café Schmid Hansl die Lesung "Eier, Butter, Bier - Texte zu Einkaufslisten unbekannter Provenienz" statt.
Man stelle sich vor, und das mag manch hässlichem Leser durchaus schwer fallen, sehr schön zu sein. Man verdingt sich die Zeit in einem Boogie Woogie – Lokal und sieht sich nach Lebensabschnittspartnern oder Fickfröschen um.
Da! Ein Exemplar mit erstklassiger Aura und äußerer Vollendung steht gelangweilt abseits der Tanzfläche. Man spricht es an. Huch! Es ist tot umgefallen. Der äußere Liebreiz ist für die Katz, der Mundgeruch hat die mögliche Liaison im Keim zerstört.
Doch wie verhindern? Vorrangig müssen die Zähne so oft wie möglich geschrubbt, gewienert und gewichst werden. Dies hat vor und nach jeder Mahlzeit, in Freistunden, Mittagspausen und bei Schlafstörungen zu geschehen. Zu diesem Zweck benutze man eine Zahnbürste, auf die man vor dem Putzen möglichst viel an möglichst bunter und schäumender Zahnpaste auftrage. Dann wird geputzt, dass die Fetzen fliegen. Man konzentriere sich dabei auf die sichtbaren Stellen der Vorderzähne. Schon vier gesunde Schneidezähne reichen für ein scheinbar makelloses Lächeln. Backenzähne vernachlässige man aus Zeitgründen, die sieht man ja ohnehin nicht. Sollten diese schwarz werden, lasse man sie ersatzlos ziehen. Weiters sind scharfe Mundspülungen mit teurem Mundwasser ratsam.
Was viele Unkundige bei der Zahnpflege vergessen, sind die Zahnzwischenräume. Selbst die massivsten Borsten von High-End-Bürsten schaffen es nicht, in diese engen Spalten vorzudringen. Um auch die unsichtbaren Seiten der Zähne stets rein zu halten, empfiehlt es sich, Nadeln zu kaufen, wie auf obiger Einkaufsliste vorbildlich vermerkt ist, mit denen man unter größtmöglichem Kraftaufwand zwischen die Beißer sticht.
Jajaja, ich weiß. Ein bisschen Hausverstand dürfte gereichen, um die fahrlässigen Fehlinformationen des vorletzen Absatzes zu entlarven. Doch bedenke man: Auf meinen Visitenkarten prangt in angemessen verschnörkelter Schrift „Satyriker“, dessen Aufgabe es freilich ist, mittels subtiler Übertreibungen, gefinkelter Spitzen und augenzwinkerndem Flunkern der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Natürlich soll man auch die Backenzähne putzen! Nur Schneidezähne? Nö! Bitte nicht zu Hause nachmachen. Nein, alle Zähne immer schön pflegen und dann ab zum Minigolf!
Minigolf macht froh!!!