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13. 8. 2011 - 15:08

Diagnose: Sucht. Nach Internet und Onlinegames

Wenn man vom Rechner nicht mehr weg kommt, ist Schluss mit Lustig, schildern Betroffene. Aber wo ist die Grenze? Bin auch ich vielleicht schon süchtig nach Facebook oder WoW?

von Timo Abel, Innsbruck

"Vor einem halben Jahr war’s extrem" so René, "da bin ich aufgestanden hab mir was zu trinken gemacht, mich vor den Rechner gesetzt und gespielt. Bis vier, fünf Uhr. Kurz niedergelegt. Aufgestanden. Weitergespielt. Und das ging Wochen, Monate so dahin." René ist in Therapie. Vor zwei Monaten ist er in die Ambulanz für Computer- und Internetsucht in Innsbruck gekommen. "Weil’s so nicht mehr weiter gehen kann. Du verpasst die Außenwelt, du erlebst nicht mehr, was außen passiert, du gehst raus in die reale Welt und siehst die Menschen um dich herum und glaubst, du bist auf einem anderen Planeten..."

junger Mann mit offenem Mund vor seinem Laptop

Klaus Eppele - Fotolia.com

Seit letztem Jahr gibt es in Innsbruck die Ambulanz für Computer- und Internetsucht. Österreichweit die erste Stelle dieser Art. Seit der Eröffnung im Jänner 2010 steigt die Zahl der Informationssuchenden rapide an.

"Nicht jeder, der auch im Urlaub Lust hat Mails oder Facebook zu checken, ist gleich süchtig!" Dr. Elmar Köppl ist Psychotherapeut in der Ambulanz. Er betreut rund 20 Jugendliche auf dem Weg raus aus der Onlinesucht. Seine Hauptaufgabe ist es aber trotzdem noch, unsichere Eltern aufzuklären. "Der Computer ist Teil der Jugendkultur geworden, an das werden wir uns gewöhnen müssen", so Köppl. "Kein Elternteil würde auf die Idee gekommen, in der 76. Spielminute aufs Fußballfeld zu laufen, um sein Kind zu holen, weil es um 19 Uhr Abendessen gibt. Aber wenn der Sohn nicht zum Essen kommt, weil er gerade im 'World of Warcraft' Raid kämpft, gilt er gleich als spielsüchtig. Da muss unsere Generation umdenken lernen."

Kritisch wird es, wenn für einen ein Leben ohne Computer keinen Sinn mehr macht. Wenn die virtuelle Welt die reale Welt verdrängt. Wenn die Schule geschwänzt oder der Job geschmissen wird, um mehr Zeit fürs Spielen zu haben. Im Extremfall müssen Betroffene auch stationär aufgenommen werden, um den Entzug zu schaffen. "Wenn das Verlangen kommt zu spielen, dann denkst du dir nur: Jetzt will ich heim! Auch wenn du mit Freunden unterwegs bist", so Patti, der gemeinsam mit René die Therapie besucht.

Das Verlangen steigert sich. Irgendwann werden die Freunde versetzt, Essen bringt der Pizzaservice, Onlinezeiten von 100 Wochenstunden werden der Alltag. Das Gehirn verlangt immer mehr. Das Glückshormon Dopamin, ausgeschüttet durch Erfolge im Game oder bestätigten Freundschaftsanfragen, lässt klassische Suchtbahnen entstehen. Nach einer Zeit gibt’s offline kein Glücklichsein mehr.

"Der erste Schritt in der Therapie ist es zu schauen, was der Spieler in der virtuellen Welt bekommt, was ihm im realen Leben fehlt", so Köppl. Anerkennung, Status, aber auch das Gefühl, wo dazuzugehören.

"Ziel der Therapie ist es nicht, den Computer aus dem Leben zu verbannen, sondern die Onlinezeiten so in den Griff zu bekommen, dass das reale Leben nicht mehr darunter leidet." Schritt für Schritt. Raus aus dem virtuellen zurück ins reale Leben.

Internetsucht: Bin ich gefährdet?

  • Natürlich hör ich jetzt nicht mitten im Level auf, aber wenn ich’s die nächste Stunde nicht schaff', probier ich’s morgen wieder.
  • Natürlich bin ich auf Facebook, natürlich will ich auch up to date sein, aber ich kenne die meisten meiner Freunde und kriege auch ohne fb mit, was bei denen so abgeht.
  • Im Urlaub checke ich zwar regelmäßig meine Mails, aber wenns im Quartier kein W-Lan gibt, dann eben ein andermal.
  • WoW spiele ich regelmäßig, aber wenn der Raid gleichzeitg zum Landermatch ist, werden sie ohne mich auskommen müssen.
  • Onlinegames sind cool, aber genauso gerne geh ich aus, ins Kino oder treff mich mit meinen Freunden.
  • Klar hab ich auch schon Schule geschwänzt, aber das poste ich doch nicht auf facebook!
  • Für die Bandhomepage hab ich Tag und Nacht durchprogrammiert, aber egal, irgendwann übernehmen das die Leute von der Plattenfirma.

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