Erstellt am: 25. 7. 2011 - 16:19 Uhr
Loveparade-Tragödie - 1 Jahr danach
- FM4 über die Loveparade 2010.
Am 24. Juli jährte sich die Tragödie von Duisburg, bei der 21 Menschen in einer Massenpanik ums Leben kamen und über 500 verletzt wurden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt momentan gegen 16 Personen wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung, Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) und Veranstalter Rainer Schaller sind allerdings nicht darunter. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
Gutachten
Die Staatsanwaltschaft Duisburg veröffentlichte bereits im Jänner dieses Jahres ein Gutachten, aus dem hervorgeht, dass das Konzept der Veranstaltungsagentur Lopavent grobe Sicherheitsmängel aufgewiesen hat und die Genehmigung in dieser Form rechtswidrig war. Deshalb laufen nun Ermittlungen gegen elf Stadt-Beamte, weil sie das Konzept ohne die nötigen kritischen Prüfungen übernommen haben. Weiters wird gegen vier Lopavent-Mitarbeiter und einen Polizisten ermittelt.

EPA/Peter Malzbender
Prestigeprojekt
Wirtschaftskrise, Schulden, die Abwanderung vieler Jugendlicher - mit der größten Technoparty der Welt wollte Duisburg das Loser-Image ablegen. Das betont die WDR-Reporterin Simone Wans, die letztes Jahr bei der Loveparade im Einsatz war. Sie vermutet, dass die Stadtregierung die Loveparade mit aller Macht im europäischen Kulturhauptstadtjahr Ruhr.2010 durchgesetzt hat, obwohl sich das finanziell schwer angeschlagene Duisburg den Riesen-Rave eigentlich gar nicht leisten konnte.
"Die Loveparade sollte dem Strukurwandel der Stadt nach 52 Jahren SPD-Regierung die Krone aufsetzen", sagt Simone Wans, "Duisburg wollte beweisen, dass es nicht nur grau und runtergekommen ist, sondern auch etwas kann. Die Loveparade war politisch gewünscht und der Druck von allen Seiten sehr groß. Das sieht man auch an Bochum. Die Stadt hat 2009 die Loveparade aus Sicherheitsgründen abgesagt und musste sich daraufhin einiges gefallen lassen. Da haben einige mit großem Unverständnis reagiert und im Kulturhauptstadtjahr wollte sich das Duisburg nicht antun."
Fehlerkette
2010 sollen rund eine Million Besucher in Duisburg gewesen sein, genaue Angaben gibt es nicht. Seitdem die Parade im Ruhrgebiet veranstaltet wurde, betrieben die Austragungsorte Essen, Dortmund und Duisburg und der Veranstalter Lopavent mit maßlos übertriebenen Teilnehmerzahlen Imagepolitur.
Simone Wans kam eine dreiviertel Stunde nach der Massenpanik an die Unglücksstelle. Sie und ihre Kollegen befanden sich vor der Hauptbühne, als die Überfüllung im Tunnel eskalierte. Erst als die vielen Rettungswägen und Polizeiautos um das Gelände schwirrten, wurde ihr bewusst, dass etwas passiert sein musste. Wegen des großen Andrangs war das Handynetz teilweise schon vor dem Unfall zusammengebrochen. Deshalb wusste lange Zeit niemand, was geschehen war - auch die Polizei nicht. Sie konnte ebenfalls nur eingeschränkt telefonieren und der Polizeifunk wurde durch den Tunnel eingeschränkt.
Die Polizei soll durch einige Fehlentscheidungen ebenfalls Mitschuld an der Katastrophe sein. Am Nachmittag, als die meisten Besucher durch das Nadelöhr - den Tunnel - auf das Gelände drängten, nahm die Polizei einen Schichtwechsel vor, den die Personalvertretung in letzter Minute angeordnet hatte. Damit wollte man einer neuen Dienstzeitregelung entsprechen, doch dadurch war laut Süddeutscher Zeitung die Polizei, die das bestreitet, in den kritischen Stunden nicht voll einsatzfähig.
Andererseits war die Loveparade von Seiten der Polizei bereits vor der Tragödie ein umstrittenes Projekt. Bereits 2009 kritisierte der damalige Duisburger Polizeipräsident Robert Cebin die Veranstaltung. Er hatte Sicherheitsbedenken, weil es in der Stadt keinen passenden Veranstaltungsort mit den notwendigen Zu- und Abwegen gibt. Daraufhin wurde er von der CDU Duisburg zum Rücktritt aufgefordert.
Verspätete Entschuldigung
Der CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland ist wegen dem Unglück nicht zurückgetreten. Die Partei steht voll hinter ihm. Mittlerweile läuft ein Bürgerbegehren, um ihn abzuwählen. 30.000 Stimmen wurden schon gesammelt. Erst vor zwei Wochen hat sich Sauerland in einem WDR-Interview öffentlich bei den Verletzten und Hinterbliebenen der Opfer entschuldigt.
Ruhr.2010-Chef Fritz Pleitgen warnte vor einer Absage der Loveparade. Die Veranstaltung drohte durch die Finanzkrise und die hohen Schulden der Stadt abgesagt zu werden. Doch es wurde eine Ausnahme gemacht. Man freute sich auf die mediale Aufmerksamkeit.
Sauerland hatte Angst davor, dass eine Entschuldigung einem Schuldgeständnis mit juristischen Folgen gleichkommt. Das bereut er jetzt und sieht ein, dass er so wie Fritz Pleitgen, Chef der Kulturhauptstadt Ruhr.2010 sofort die moralische Verantwortung hätte übernehmen müssen.
Ermittlungen
Wie lange die Ermittlungen noch dauern werden und ob gegen Oberbürgermeister Adolf Sauerland und Veranstalter Rainer Schaller doch noch ermittelt werden wird, ist unklar. Rund 3.000 Zeugen befragt die Staatsanwaltschaft, hunderte Stunden an Audio- und Video-Material werden ausgewertet.