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Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

26. 6. 2011 - 15:02

Song Zum Sonntag: Fucked Up

Romanze in Brätz-Dur: "Queen of Hearts".

Heute finden sich zwei musikalische Formen in dieser Kolumne wieder, die nicht nur hier nicht so richtig rein zu passen scheinen: Die Zwei würden sich auf keiner Party grüßen. Die Rede ist nicht von Zwölftonmusik und Robert Stolz, nicht von Kontrapunkt und Kumbia, nicht von Franz Welser-Möst und Ariel Pink: Der Song "Queen of Hearts" vom Album "David Comes to Life" ist nicht nur ein kleines, hübsches, romantisches Stück "Power Pop" von einer waschechten Bösewicht- Hardcore Band, er ist auch Teil der Konzept-Rock Oper "David Comes To Life".

Cover von "David comes to life" von Fucked Up

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Dieses Album soll - mir hat sich trotz Englisch-Studium der Plot nur fragmentarisch erschlossen, liegt er doch hinter einer undeutlich vermümmelten Grölwand versteckt - eine komplexe Oper darstellen, in deren Handlungsmitte der Fabrikarbeiter David und seine Herzensdame Veronica stehen, die beschließen, als Krönung ihrer Liebe mit einer Bombe alles in die Luft zu jagen. Während des Albums soll es noch verschiedene Perspektivenwechsel und allerlei intertextuelle Vertracktheiten und postmoderne Sprachspiele inkl. Tod des Autors geben, am Schluss aber dann doch die erwartete Katharsis.

Fucked Up Sänger Pink Eyes, fotografiert mit Fischauge, sein riesiger Bauch im Vordergrund

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Verantwortlich für das Ganze ist die kanadische Hadcore Band "Fucked Up" um den Sänger Damian Abraham, der sich Pink Eyes nennt. Überhaupt haben alle Mitglieder von Fucked Up mehr oder weniger lustige Punk Pseudonyme (Mustard Gas, Gulag, 10.000 Marbles). Die Band wird wie MC5 oder (mutmaßlich) die Hives im Hintergrund von einem Svengali-Mastermind kontrolliert, der für Logo und Texte verantwortlich ist und laut Band als Einziger eine Gitarre stimmen kann. Fucked Up werden auf der Bühne schon mal von Ezra Koenig oder Jello Biafra unterstützt, haben Nelly Furtado zu einer Weihnachtssingle überedet. auf "David Comes to Life" gibt Madeline Follin von den Cults den Love Interest.

Pink Eyes sieht sich in der Tradition des gefürchteten Bostoner Hardcore Gruselviechs GGAllin und gebärdet sich auf der Bühne dem Vernehmen nach auch wie eine collegefreundliche Version desselben. Das heißt er beschmiert sich nicht gerade (wie jener) mit Scheiße, verprügelt ahnungslos Rumstehende mit Stuhlbeinen oder steckt sich während des Singens eine Bierflasche in den Hintern. Aber er ist bei seinen Performances auch bis auf die Unterhose ausgezogen und präsentiert seinen feisten, glatzköpfigen Körper samt dazugehörigen Bart in voller Pracht. Dazu gleicht sein Gesang dem von G.G. Allin wie ein Haar, ob er auch seinen eigenen Grabstein auf die Brust tätowiert hat, ist nicht bekannt, man kann ein kleines Hüdchen am Oberarm entdecken.

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Noch eine Gemeinsamkeit: In den gemeinen Allin Songs, deren Texte zum Ziel hatten, das Einreißen ziemlich jeder Tabu- und Geschmacksgrenze (mittels Verherrlichung seiner Hobbies wie Inzest, Mord, Selbstmord, Vergewaltigung, Prügeln, Selbstverstümmeln, Wichsen, Drogen, Saufen, Frauenverprügeln, Scheiße fressen usf.) hymnisch zu feiern, taten diese es auch hymnisch: Hinter dem Gebretter seiner Bands Texas Nazis ( bzw. Texas Instruments) oder Murder Junkies und den Ungustl Knittelversen, schälte sich bei fast jeder Nummer eine der süßen Kinderliedmelodien heraus, der Punkbands (von Ramones über Descendents bis Green Day) schon immer den eigentlichen Erfolg verdanken: Scheiße Quirlen zu "Ihr Kinderlein Kommet"-Harmonien.

So auch bei Fucked Up: "Queen of Hearts" ist ein schnell gespieltes und in himmlischen Melodien aufgelöstes Liebesdrama mit einem sich einbrennenden Mitsing Hook an die Angebetete.

Laut Auskunft der Basement Show Kollegen hat die Band (wieder im Geiste Allins) angekündigt, sich nach der Veröffentlichung von "David Comes To Life" umgehend aufzulösen.