Erstellt am: 24. 5. 2011 - 17:49 Uhr
EU-Parlament verbietet Nacktscanner
Im Verkehrsausschuss des europäischen Parlaments wurde heute über den Einsatz sogenannter Ganzkörperscanner auf Flughäfen abgestimmt. Mit überwältigender Mehrheit votierten Abgeordnete aus allen vier großen Fraktionen für ein Verbot jener Typen, die in den USA und anderswo bereits in großer Zahl im Einsatz sind.
Hubert Pirker, Sicherheitssprecher EVP, der SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Jörg Leichtfried und die grüne Verkehrsexpertin Eva Lichtenberger äußerten sich zufrieden über den Ausgang der Abstimmung.
Die österreichischen Airports
Dass diese drei doch recht unterschiedlichen Parteien in derlei Angelegenheiten einig sind, ist durchhaus nicht ungewöhnlich, zumal das EU-Parlament anders funktioniert als der Nationalrat hierzulande.
Zudem wäre eine verpflichtende Einführung, wie sie Spanier und Briten ursprünglich durchsetzen wollten, den österreichischen Airports an die Substanz gegangen.
Weil Wien-Schwechat und andere Flughäfen über keine zentrale Sicherheitskontrolle verfügen, hätten jeweils mehrere Geräte angeschafft oder Umbauten vorgenommen werden müssen.
Röntgenstrahlung
Bei den nunmehr in Europa verbotenen Scannern handelt es sich um Geräte, die mit relativ niedrig dosierten Röntgenstrahlen arbeiten, zumal ja nicht in die inneren Organe des Passagiers abgetastet werden sollen, sondern die Hautoberfläche. Damit will man am Körper versteckten Plastiksprengstoff finden, wie ihn der sogenannte Unterhosenbomber Umar Faruk Abdulmutallab am Körper getragen hatte.
Wie sich diese zwar schwache, aber dafür auf die Hautoberfläche gerichtete Röntgenstrahlung längerfristig auf den Körper auswirkt, ist allerdings nicht erforscht. Klar ist aber, dass es für Vielflieger, vor allem aber für das Bedienungspersonal ein zusätzliches Gesundheitsrisiko ergibt.
Die Position der österreichischen MEPs hatte sich bereits im November 2010 abgezeichnet. In Anbetracht der Bombenfunde unter Luftfrachtpaketen, die beinahe an Bord von Passagiermaschinen gelangt wären, war klar geworden, dass das eigentliche Sicherheitsrisiko im Frachtraum mitfliegt. 60 Prozent aller Luftfrachten werden nämlich mit Passagiermaschinen befördert.
Millimeterwellen
Neben der viel weiter verbreiten Röntgentechnik kommen in Geräten neuerer Bauart sogenannte Millimeterwellen zum Einsatz.
Diese Wellen sind in puncto Abstrahlung noch deutlich niedriger dosiert als die Röntgenstrahlen, zudem handelt es sich nicht um ionisierende Strahlung, die für Körperzellen generell ungesund ist. Bis jetzt konnte für einzelne, bereits erforschte Frequenzbereiche keine negative Auswirkung auf menschliches Gewebe festgestellt werden.
Zudem kommen gerade auch rein passive Geräte, die mit Millimeterwellen arbeiten, auf den Markt. Die funktionieren als reine Empfänger und messen die Eigenschwingung der Körpermoleküle, es gibt also gar keine Strahlenbelastung irgendwelcher Art.
Keine Scanner-Pflicht
Geräte dieser Funktionsweise dürfen auf europäischen Flughäfen künftig eingesetzt werden, allerdings kann kein Land von der EU dazu verpflichtet werden.
Doch auch hier haben die Abgeordneten zusätzlich Einschränkungen auferlegt, der Einsatz von echten Nacktscannern ist nicht erlaubt. Will heißen: Es dürfen nur solche Geräte zum Einsatz kommen, die den gescannten Körper schematisch darstellen, das entwürdigende Ausgezogenwerden aller Passagiere ist damit vom Tisch.
Abtastungen, Flüssigkeitsverbot
Zudem müssen Scan-Verweigerern "nichtdiskriminierende Alternativen" angeboten werden, routinemäßige Abtastungen des Intimbereichs wie in den USA wird es in Europa nicht geben.
Seit das US-Ministerium für Heimatschutz Ende Oktober 2010 praktisch über Nacht eine "aggressivere Vorgangsweise" bei den Körperkontrollen der Flugreisenden angekündigt hatte, häuften sich auf US-Flughäfen die Beschwerden ünber die Kontrollen des Intimbereichs.
Werden Scanner eingesetzt, so muss das im "Standalone-Betrieb" geschehen. Sie dürfen also weder mit Speichereinheiten vernetzt werden, noch dürfen Fotos von der Durchsuchungen angefertigt werden.
Was auch bekannt wurde: Das Flüssigkeits-Mitbringverbot soll definitiv 2013 fallen.
Ursprüngliche Pläne
Der nunmehr im Justizausschuss mit einer Mehrheit von 37 gegen zwei Stimmen bei drei Enthaltungen angenommene Bericht des konservativen spanischen Abgeordneten Luis de Grandes Pascual hatte ursprünglich ganz anders ausgesehen.
So hatte er einen verpflichtenden Einsatz von Röntgenscannern vorgesehen und enstprach im Wesentlichen der US-Praxis, die von vielen Reisenden als Schikane und Demütigung enmpfunden wird.
Derzeit gibt es in den EU-Staaten völlig unterschiedliche Regelungen zum Einsatz dieser Geräte, was nun europaweit harmonisiert werden soll. Dabei geht es weniger um die Vermeidung möglicher Gesundheitsschäden oder Verletzungern der Menschenwürde, soondern ausschließlich um Geld.
Die Frage der Dosis
Was die Ungefährlichkeit von Millimeterwellen angeht, so ist dies natürlich eine Frage der Dosierung. Die neuesten Modelle arbeiten im bis jetzt wenig genützten Bereich um die 100 GHz, wo ein ebenso einsamer wie unsympathischer Frequenznachbar werkt.
Das Active Denial System des Rüstungskonzern Raytheon - eine Art Strahlenflammenwerfer - feuert 100.000 Watt Leistung auf 95 GHz über eine Richtantenne auf Menschenmengen, um sie zu zerstreuen. Wenn die gebündelten Millitermeterwellen auf die Haut der Bestrahlten treffen, entsteht bei diesen ein Gefühl, als würde die Hautoberfläche zu brennen beginnen.