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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

3. 5. 2011 - 10:55

Helplessness Blues

They've done it again. Die Fleet Foxes aus Seattle sind mit dem Nachfolger zu ihrem vor fast schon wieder drei Jahren erschienenen Debutalbum zurück.

"Helplessness Blues" war in der Tat ein nicht einfach zu machendes zweites Album. Die Legende vom schwierigen zweiten Album lebt also tatsächlich, vor allem wenn ein Debut so erfolgreich war wie jenes der Fleet Foxes, und Mastermind Robin Pecknold wird auch nicht müde, in Interviews seine Selbstzweifel, die dem Debutalbum folgten, zu betonen.

Der Prinz von Seattle

Jetzt wo Oberbartträger Sam Beam mit Iron & Wine in die American Top 40 vorgedrungen ist, und er sein Ensemble mehr als Jazz-Outfit verkauft, denn als Indierock-Band mit Folk-Wurzeln, da braucht es dringend einen Nachfolger. Würde Robin Pecknold in die Fußstapfen eines Sam Beam treten können? Yes, he can. Obwohl: Robin ist auch ein (free) jazzer now, oder nicht?

Musiker Robin Pecknold

Pecknold

Robin Pecknold, im karierten Flanellhemd und Woll-Cardigan, wie einst Kurt Cobain.

Stichwort Jazz: "The Shrine/An Argument" ist eine achtminütige Tour-De-Force in Richtung Free-Jazz, die lieblich beginnt ("I went down among the dust and pollen to the old stone fountain in the morning after dawn"), dann aber rasch von einem Pecknold'schen Schrei erschüttert wird, just dann wenn er von "sunshine" und "summer" singt. To wish on pennies in the fountain und to pray for mercy. Das ist all in a day´s work, wie der englischsprachige Mensch zu sagen pflegt, bei Robin Pecknold.

Robin is a free jazzer now, Robin is a soul singer now. Sein Vater war übrigens in einer Soulband in Seattle. "Green apples hang from my green apple tree", singt Robin Pecknold, und der Obstgarten wird später am Album noch einmal vorkommen. Im nächsten Moment schon Robin aber schon auf das Meer hinaus, legt sich in den Sand. Robin, ach Robin. "The armies of the night that do such injustice to you…", singt er.

What´s My Name? What´ s My Station?

Aber wir müssen gar nicht mit diesem zehnten Song am Album beginnen, mit diesem großartigen Monster namens „The Shrine/An Argument“. Fangen wir doch gleich mit dem ersten Song an, „Montezuma“ betitelt, so wie der Azteken-Fürst, der sich einst, Geschichte und Legende nach, den spanischen Conquistadoren tapfer in den Weg stellte. Der Song beginnt aber mit einem anderen Thema, Robin Pecknold, kürzlich 25 geworden, sinniert über das Älterwerden: „So now I am older than my mother and father when they had their daughter, now what does that say about me?“ Hmm, um ein gewisses self-centred-Sein dürfte es hier wohl gehen.

US-Band Fleet Foxes

Fleet Foxes

Die Songs des Robin Pecknold im Fleet-Foxes-Bandverband erzählten am Debutalbum die eine oder andere markerschütternde Geschichte, auch wenn sie bukolische Titel wie „Meadowlarks“ oder „Blue Ridge Mountain“ trugen. Da war etwa Blut im Schnee („White Winter Hymnal“). Dunkle Gedanken in ultraviolettem Licht. Und auch jetzt sind auf diesem insgesamt so eleganten, neuen Longplayer, der voller wahrhaftiger Schönheit ist, und der voller Zithern hängt, und Steel Gitarren und tibetischen singing bowls, immer wieder auch harte Inhaltsstoffe zu hören. Aber Robin Pecknold hat die Jugend an - und auf - seiner Seite, was dann gewissermaßen auch dazu beiträgt, dass einen das Ganze nicht erdrückt, sondern eine gewisse Happy/Sad-Balance aufrecht hält, das ganze Album hindurch.

Wo etwa ein Matt Brooke - von der Seattle-Band Grand Archives - vom Leben gebeutelt ebensolch heftige Geschichten erzählt („Hung by a rope where the railroad will surely come by, hung there, all alone..."), die in ihrer Intensität durch Mark und Bein gehen, da federt Robin Pecknold mit seiner jugendlichen Frische Einiges ab. Der Song „Bedouin Dress“ hat ein wenig etwas von einem Grand Archives Song. Und auch in diesem Stück kommt das Thema Jugend zur Sprache: „...It´s the only regret of my youth.“. Dazu der libanesisch anmutende Streicher-Part. Große Klasse.

Sim Sala Bim On Your Tongue

Albumcover Fleet Foxes

Fleet Foxes

"Helplessness Blues" von den Fleet Foxes ist bei Bella Union/Sub Pop erschienen.

Der nächste Song, „Sim Sala Bim“: Robin Pecknolds Stimme ist dynamisch und den Weg weisend wie ein Leuchtturm in der Nacht. Dann flüstert er: „Remember when you had me cut your hair, call me Delilah and I wouldn´t care.“ Schon jetzt ein Klassiker.

What Makes Me Love You Despite The Reservations?

Beim Konzert der Fleet Foxes in Wien (irgendwann 2009?) ist der Funke nicht so ganz übergesprungen auf mich. Ich weiß nicht, woran es gelegen ist. Wo der Funke etwa bei den Grand Archives sogleich zum lodernden Feuer wurde, als jede Faser vom sehnigen Körper von Mat Brooke vibrierte, seine Cowboystiefel den Bühnenboden zu durchlöchern drohten und seine Boys spielten, als gäbe es kein Morgen.
Aber da ist er jetzt, nach opulentem zwei minütigem Intro, dieser Harmoniegesang der Fleet Foxes: "Daylight sleeper, bloody reaper", singt Robin Pecknold. Schaut da etwa Jethro Tulls Ian Anderson mit der Querflöte um die Ecke? Wenn ja, dann aber nicht so offensichtlich wie zuletzt bei den British-Folk begeisterten US-Kollegen Midlake. "Midnight feeder, beggar, bleeder, I should have known one day you would come, tell me again what have you done". Dieser Song trägt wieder einen Doppel-Titel „The Plains/Bitter Dancer“. Ein Meisterstück, mit fulminantem Chor-Ende: "You took a room and you settled in, washed off the chalk from your weathered skin."

All Of Us Walk So Blind In The Sun

Dann kommt der Titelsong. „Helplessness Blues“, der Hilflosigkeits-Blues des Robin Pecknold, in dem er von der Einzigartigkeit einer einzelnen Schneeflocke unter tausenden Schneeflocken singt. Er bäumt sich auf, er fuchtelt mit Händen und Armen, erklärt sich, und sagt, dass er dachte, er wäre diese eine Schneeflocke, „but now I´d rather be a functioning cog in some great macheriny, but I don´t know what that will be.“ Wieder ein Meisterwerk. "Often I barely can speak", singt er, und dabei überschlägt sich fast seine Zunge, "I´m tongue tied and dizzy and I can´t keep it to myself." War da eben eine Sekunde Conor Oberst in der Stimme von Robin Pecknold? Und der Sound von My Morning Jacket als Inspiration? Und wieder der Obstgarten. Als bodenständiger Sehnsuchtsort, der zugleich etwas Verführerisches an sich hat. "If I had an orchard, I´d work till I´m sore." Der Urbane zelebriert das Rurale.

"Battery Kinzie": Wenn Simon & Garfunkel Blues-Männer gewesen wären.

„Lorelai“: Ein schimmernder, geschmeidiger Pop-Song. Etwas weg vom Folk, hin zu einem modernen Rocksound. Und wieder das Thema Alter: "So, guess I got old."

„Someone You´d Admire": Paul Newman? Carl Sagan?

„Blue Spotted Tail“: Vielleicht ein Song für den Robin Pecknold Helden Carl Sagan, den Amerikaner, der in den 80er Jahren mit seinen Weltall- und Wissenschafts-Fernsehsendungen Kultstatus hatte und in den 1990er Jahren, mit Anfang 60 in Seattle verstarb. "Why is the earth moving around the sun?", singt Robin Pecknold. Just a man and his guitar.

„Grown Ocean“: Das kalifornische Big Sur, ein klassischer Sehnsuchtsort, als Inspiration für diesen Song mit cooler Slide Gitarre.

US-Band Fleet Foxes

Fleet Foxes

Aus dem Quintett Fleet Foxes ist nun ein Sextett geworden. Neben Robin Pecknold, Skyler Skjelset, Casey Westcott, Joshua Tillman und Christian Wargo war Morgan Henderson - er spielte in Seattle bei der Post-Hardcore/Punk-Band The Blood Brothers - an der Entstehung des neuen Albums beteiligt und ist nun auch festes Bandmitglied. Aufgenommen wurde „Helplessness Blues“ zum Teil in jenem Studio in Seattle, in dem das „Bleach“ Album von Nirvana entstanden war. Zuletzt waren Death Cab For Cutie dort einquartiert, von denen die Fleet Foxes das Studio dann übernahmen.

„I know someday the smoke will all burn off and all these voices someday have turned off.“
Aber bis dahin ist ja noch Zeit. So pleeease enjoy yourself, Robin Pecknold! The dream of Fleet Foxes has just begun.