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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

1. 4. 2011 - 16:14

Alternative Alternativenergie

Auf 48 Kilometern Flusslänge stehen im oberösterreichischen Almtal über 50 Kleinwasserkraftwerke. Ganz ohne Anrainerproteste.

Der Atomunfall von Fukushima hat wieder einmal gezeigt, dass Kernenergie eine Hochrisikotechnologie ist, die Alternativen dazu sind aber auch nicht frei von Nachteilen. Fossile Kraftwerke belasten Luft und Klima, Windräder verstellen die Landschaft und liefern nicht permanent Leistung, genauso wie Photovoltaik. Die ist noch dazu teuer. Strom aus Wasserkraft ist konkurrenzfähig, große Dämme sind aber auch ökologisch umstritten.

Prinzipiell kann man sagen, dass ein Großteil der Menschen für nachhaltige Stromproduktion eintritt, diese aber nicht vor der eigenen Haustüre (Dank an User kultursensibel für den Link) stattfinden soll. Allein heuer wurden schon sechs Windparks von der Bevölkerung abgelehnt, mehr als Wasserkraftwerke.

Die Menschen haben gelernt, sich gegen Großtechnologie zu wehren. Ernst Brandstetter, der Sprecher von Österreichs E-Wirtschaft meint, dass momentan niemand einsehe, dass er zum Wohl der Allgemeinheit irgendwelche Lasten tragen solle. Ohne ginge es aber nicht. "Wenn ihr die nachhaltige Energiewelt wollt, dann müsst ihr auch diese Projekte haben wollen, das ist der Windpark im Ort sowieso, das ist das Speicherkraftwerk im Tal soundso, ohne das wird's nicht gehen."

Radio FM4 / Simon Welebil

Kleines Projekt, große Akzeptanz

Im oberösterreichischen Almtal geht der Ausbau der Wasserkraft nahezu ohne Widerstände vor sich. Das hat auch mit der hier langen Tradition der Nutzung der Wasserkraft zu tun. Schon vor Jahrhunderten haben die zahlreichen Sägewerke im Tal Wasser aus dem Fluss Alm genutzt, um ihre Sägen anzutreiben. Die bestehenden Staudämme und Kanäle wurden später für die Stromerzeugung adaptiert. Heute zählt die Alm zu den am intensivst bewirtschafteten Flüssen. Auf 48 Kilometern Flusslänge stehen über 50 Kleinwasserkraftwerke.

Radio FM4 / Simon Welebil

Bernhard Drack betreibt eines dieser Kraftwerke. An der Stelle, wo die Staumauer des Kraftwerks den Flusslauf unterbricht, stand schon vor 600 Jahren eine Wehr aus Holzpfählen. Heute besteht die Wehr immer noch aus Holzpfählen, ergänzt durch Beton- und Stahlelemente. Die Staumauer ist 2,30m hoch, 54m Breit und staut die Alm auf 250 Metern Länge. Von der Wehr zweigt ein Kanal zum Kraftwerk ab. Fünf Kubikmeter Wasser pro Sekunde darf Drack dem Fluss entnehmen, der Rest muss in der Alm bleiben.

Vor fünf Jahren hat Drack massiv in das Kraftwerk investiert, auf sanften Druck und unterstützt durch Subventionen der oberösterreichischen Landesregierung. Das Kraftwerk musste umgebaut werden, um der europäischen Wasserrahmenrichtlinie zu entsprechen, die eine ökologische Verbesserung aller Gewässer vorsieht. Für Bernhard Drack bedeutete das vor allem, dass er eine "Organismenwanderanlage" errichten musste, umgangssprachlich einen Fischaufstieg, und mehr Restwasser im Fluss verbleiben musste.

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Die Organismenwanderanlage

Dracks Konsequenz aus diesen Auflagen war es, neben dem Umgehungsgerinne auch ein Restwasserkraftwerk zu installieren. Jetzt bewirtschaftet er den Fluss sogar intensiver als vorher, allerdings ökologischer. Wegen der besseren Umweltverträglichkeit und weil ein Eingriff in das gewohnte Landschaftsbild bei solchen kleinen Projekten recht bescheiden ausfällt, stimmten auch die Anrainer dem Ausbau des Kraftwerks zu.

Die Investitionen in das Kraftwerk werden sich dank höherem Einspeisetarif für den Ökostrom, den er nun erzeugt, in etwa 20 Jahren ammortisiert haben. Momentan liefert das Kleinwasserkraftwerk an der Alm Strom zur Versorgung von 70-80 Haushalten. Mit einer Verdoppelung seiner Jahresstromproduktion hat Bernhard Drack das Maximum aus seinem Standort an der Alm herausgeholt, ohne AnrainerInnen gegen sich aufzubringen.

Kleinwasserkraft als Beitrag zur Energiewende

Verschiedene Europäische Umweltorganisationen haben eine Studie in Auftrag gegeben, wie auch ohne Atomkraft bis 2020 der CO2-Ausstoß in der EU um 40% gesenkt werden kann. Nach dieser 40% Studie sollen Wasserkraft, Wind- und Sonnenenergie die Grundlast liefern, Pumpspeicherkraftwerke die schwankenden Lastflüsse ausgleichen. Sogar die österreichische Stromwirtschaft meint, man werde in Zukunft all diese Energien brauchen, gemeinsam mit einem Ausbau der Stromnetze zu smarten Netzen. Wo sich Stromversorger und Umweltschutzorganisation allerdings nicht einig sind ist in der Art des Ausbaus. Für Global 2000 ist das Denken in Großprojekten nämlich ein Denken der Vergangenheit, die Zukunft sei klein, umweltverträglich und dezentral. Und die beste Kilowattstunde ist ohnehin die, die gar nicht verbraucht wird.