Erstellt am: 3. 3. 2011 - 16:51 Uhr
Der Heilige Gral der Videospiele
von Nadja Igler aus San Francisco
Anfang März sind hohe Feiertage im Jahr jedes Videospielentwicklers: Zu dieser Zeit findet in San Francisco stets die Game Developers Conference statt, seit nunmehr 25 Jahren. Selten findet man so viel verspielten Einfallsreichtum derart gebündelt an einem einzigen Ort. Man spürt es in den Veranstaltungshallen des Moscone Center, wo die GDC stattfindet, kommunikativ und kreativ brodeln.

ORF.at/Nadja Igler
Nintendo-Rant gegen Smartphones
Wenig gebrodelt hat es bei der ersten GDC-Keynote von Nintendo-Chef Satoru Iwata, der Mittwochfrüh (Ortszeit) die letzten 25 Jahre ein wenig Revue passieren ließ. "Wir waren früher Videospiel-Höhlenbewohner - wir hatten viel Spaß, aber wir verdienten kaum Geld, und nach heutigen Standards waren die Dinge, die wir machten, primitiv." Lange Zeit hätten Games-Entwickler einfach alles gemacht, was gerade angefallen sei. Heute gebe es Teams, bei denen die eine Seite nicht wisse, was die andere gerade mache. Das sei besorgniserregend.

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Laut Iwata ging über die Jahre das handwerkliche Geschick verloren, es werde viel zu wenig in das Polishing, also den Feinschliff von Spielen, investiert, egal wie viel Zeit und Geld da seien. "Content is king", bemühte er gleich zu Beginn seiner Keynote eine schon stark abgenutzte Redewendung. Es sei mittlerweile schwieriger, in der Unmenge von Spielen einen Hit zu landen und Geld zu verdienen. Iwata macht dafür Social Games und Smartphones verantwortlich. Ohne es direkt anzusprechen ging der Seitenhieb vor allem in Richtung von Apples iOS-Plattform, wo viel Content entweder sehr billig oder überhaupt kostenlos angeboten wird.

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"Diese Plattformen schätzen den Wert der Spiele nicht", beschwerte er sich, um gleich im Anschluss die "einzige" Lösung für dieses Problem zu servieren: "Innovation. Es ist noch nichts verloren." Ob der Ende März auch in Europa erscheinende Nintendo 3DS das Zeug dazu hat, wird sich zeigen - die Spielentwickler vor Ort konnte er damit jedenfalls nicht begeistern. Als er Nintendos neue, 3-D-fähige Konsole aus der Jackentasche zog, ging ein eher enttäuschtes Raunen durch den gesteckt vollen Saal.
Die Suche nach dem Topf voll Gold
Die ersten beiden Tage auf der GDC waren in thematische Summits gegliedert wie den Independent Games Summit, den Smartphone Summit und den Summit für Social and Online Games. Zahlreiche bekannte Gesichter berichteten dabei von ihren Erfahrungen, darunter Andy Schatz, Gewinner des letztjährigen Independent Games Forum, und Team Meat, die Entwickler hinter "Super Meat Boy".
Bei ihren Vorträgen ging es neben dem eigentlichen Inhalt, den Spielen, auch ums Geld - weniger im Sinne von Reichwerden, sondern um genug Geld, um die künstlerischen Ideen auch wirklich zu einem Spiel werden zu lassen, auf das man stolz sein kann, wie es Schatz ausdrückte. Eine Möglichkeit dafür ist der Indie Fund, dessen Initiatoren ein Jahr nach der Gründung eine gemischte Bilanz zogen: "Es ist schon komisch, auf einmal auf der anderen Seite zu stehen, wo normalerweise der Feind (Producer bzw. Spieleverlag, Anm.) steht.", meinte etwa Nathan Vella. Ob das Projekt zumindest kostendeckend abgeschlossen werden kann, sei derzeit noch nicht klar.
Andere Entwickler wie Mark Skaggs von Zynga ("Farmville", "Cityville") und Peter Vesterbacka von Rovio ("Angry Birds") machten kein Hehl daraus, dass es ihnen in erster Linie um den großen Hit und das damit verbundene viele Geld geht - letztlich will allerdings wohl jeder Games-Entwickler einen Hit landen.
"Prince of Persia": Sieben Jahre bis zum Erfolg
Wie lange es dauern kann, bis sich der Erfolg einstellt, zeigte sich beim Vortrag von Jordan Mechner, Entwickler des originalen "Prince of Persia" aus dem Jahr 1989. Erst 1992, nach der Portierung von Apple II auf MS-DOS und viele andere Plattformen, wurde das Spiel zum Renner und verkaufte sich schließlich zwei Millionen Mal. Mechner hatte im Sommer 1985 angefangen, daran zu arbeiten. Die Entwicklung selbst dauerte vier Jahre, auch weil Mechner fast alles selbst machte. Nur die Musik steuerte sein in Wien geborener Vater bei, sein jüngerer Bruder war der Protagonist der damals verblüffend innovativen Motion-Capture-Studien.

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Anhand der im Web veröffentlichten Tagebücher Mechners lässt sich das auch emotionale Auf und Ab einer Spieleentwicklung gut nachvollziehen. Diesbezüglich hat sich in den letzten 20 Jahren wenig geändert, laut Mechner ist es mit den aktuellen mobilen Plattformen wie iOS aber mittlerweile wieder möglich, als Einzelperson ein Spiel ganz alleine zu programmieren. Auf die Spieleindustrie komme nun aber ein anderes Problem zu, ähnlich wie es auch die Musikindustrie erlebt habe: "Die Geschäftsmodelle verändern sich. Man kann Dinge nicht mehr einfach in einer Schachtel verkaufen."

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Änderung als einzige Konstante
Ob in Zukunft kostenlose Spiele mit In-Game-Verkäufen, kostenpflichtige Games oder Abomodelle die Hoheit haben werden, ist unklar. Nicht jedes Modell funktioniert für jedes Spiel, darüber ist man sich auf der Game Developers Conference einig. Außerdem würden sich ständig die Parameter und damit auch die Möglichkeiten ändern, meinte Kellee Santiago von thatgamescompany ("Flow", "Flower", "Journey"). "Alle sechs Monate dreht sich alles um 180 Grad", so Santiago.
Wer in all der Unübersichtlichkeit unabhängig bleiben möchte, hat dazu aber derzeit die besten Chancen, ist sich Daniel Cook vom Entwicklerstudio Spry Fox sicher. "Ihr könnt euch jederzeit umdrehen und gehen", riet er in seiner Session über die "Knechtung" durch Facebook und Co. "Hört auf, der Masse zu folgen, und lasst euch etwas Neues einfallen."