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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

3. 3. 2011 - 06:00

Hike to Ride

Wer in Tirol frischen Powder will, braucht gute Kondition, das gilt auch für die Freeride-Profis Mitch Tölderer und Bibi Pekarek.

In keiner europäischen Großstadt ist der Grat zwischen dicht besiedeltem Gebiet und totaler Einsamkeit so scharf gezogen wie in Innsbruck durch die Nordkette. Das muss ich wieder einmal erfahren, als ich mit Mitch Tölderer und Bibi Pekarek, zwei der weltbesten FreeriderInnen, vom Hafelekar in Richtung Norden abfahre. Nicht einmal zehn Kilometer Luftlinie vom Innsbrucker Stadtzentrum entfernt ist keine Menschenseele mehr zu sehen. Nur eine alte Tourenspur zeugt davon, dass außer uns schon einmal jemand hier unten war.

Mitch Tölderer und Bibi Pekarek auf Skiern in einer Winterlandschaft auf einem Hochplateau

Simon Welebil

Idyllisch ist es da herunten, und trotzdem wollen wir schleunigst wieder weg von dem Hochplateau, auf dem wir uns befinden, bevor uns die Kälte in die Knochen dringt. Wir wollen raus aus dem schattigen Loch, wo uns ein eisiger Wind die tiefe Temperatur noch stärker fühlen lässt, hinauf in die Sonne. Bibi und Mitch zerlegen ihre Splitboards in zwei Teile und ich wir fellen unsere "Skier" auf. Rasch gehen wir los, um unsere Körper auf Betriebstemperatur zu bekommen.

Mitch Tölderer und Bibi Pekarek auf Skiern beim Aufstieg ein einem steilen Hang bei schönstem Wetter

Simon Welebil

FreeriderInnen in Tirol stehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten offen, ihren Sport auszuüben: Mit dem Lift raufzufahren und mit dutzenden anderen auszuschnapsen, wer die erste Line in den Powder ziehen darf, oder den Berg mit eigener Kraft erklimmen. Alternativen gibt es nicht. Sowohl Heliskiing als auch Schneemobilfahrten im freien Gelände sind in Tirol verboten. Deshalb werden in den Freeride-Videos auch so viele Parts in Alaska oder Kanda gedreht, einfach weil FahrerInnen und Filmcrews dort auf die Berge raufgeflogen werden können.

Mitch Tölderer und Bibi Pekarek auf einem schmalen Grat auf dem Weg zum Gipfel. im Hintergrund ein Bergpanorama

Simon Welebil

Vor zwei Jahren wollten sich Mitch Tölderer und seine KollegInnen von den beschwerlichen Aufstiegen in Tirol nicht mehr abhalten lassen. Sie haben mit "Hike - A Freeride Project in the Austrian Alps" den ersten Freeride-Film gedreht, bei dem alle Aufstiege zu Fuß gemacht wurden. "Es ist eine ganz andere Herangehensweise ans Freeriden" meint Mitch Tölderer. "Man nimmt sich mehr Zeit, um den Hang, den man runterfährt kennenzulernen."

Damals sind sie mit einem Kleinflugzeug über die Alpen geflogen und haben die schönsten Hänge, die sie aus der Luft gesehen haben, später auf Karten nachgeschlagen. Heute läuft es umgekehrt. Mitch hat sich auf einer Karte einen Hang ausgesucht, den es zu inspizieren gilt, eine 45° steile Platte. "In der Projektion schaut's aus, als wäre es ein enger Schluf, aber hier sieht man recht schön, dass es eigentlich ziemlich breit ist - ganz interessante Location." Rundherum ist er schon ziemlich alles gefahren, auch die Rinne, die liebevoll "Der gache Tod" getauft wurde. "Ein grausiger Name für eine so schöne Rinne."

Simon Welebil, Bibi Pekarek und Mitch Tölderer auf dem Gipfel des Gleirschtaler Brandjochs, bereit zur Abfahrt

Simon Welebil

Am Gipfel des Gleirschtaler Brandjochs

Es ist traumhaftes Wetter zum Tourengehen. Die Spur ist zwar extrem glatt, aber nach etwa einer Stunde Fußmarsch sind wir auf dem Gipfel, am Gleirschtaler Brandjoch in 2372m Seehöhe.

Mitch Tölderer fährt auf dem Snowboard in einer extrem steilen und engen Rinne.

Simon Welebil

Wo's weiß ist kann man fahren!

Statt der "interessanten" Abfahrtsvariante, die Mitch Tölderer und Bibi Pekarek ausgewählt haben, zieht es mich zu einer weniger steilen Rinne, denn die Faustregel "Alles was weiß ist, kann man fahren!" nehme ich für mich nicht in Anspruch.

Vor der Abfahrt werden noch einmal die LVS-Geräte gecheckt, auch wenn die Lawinenwarnstufe äußerst niedrig ist. Man kann nie vorsichtig genug sein. Bei "Hike2Ride", dem Nachfolgerprojekt von "Hike", hat Björn Heregger, ein Freeride-Kollege von Mitch und Bibi beim Abfahren eine Lawine ausgelöst. Damals ist der Hang im Laufe des Tages immer gefährlicher geworden. Björn konnte der Lawine damals mit viel Glück entkommen.

Heute geht alles gut. Da es den ganzen Februar nicht geschneit hat, war ein Lawinenabgang auch unwahrscheinlich. Was für die Sicherheit gut ist, wenig, dafür fester und alter Schnee, trübt allerdings das Fahrvergnügen. Die Schneesituation in Tirol hat auch Einfluss auf die weitere Projektplanung von Mitch. Statt in Tirol wird der dritte Teil der "Hike"-Serie heuer wohl in Alaska realisiert werden. Auch im Paradies der Heli-Skier wollen sie aber ausschließlich zu Fuß unterwegs sein.