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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

29. 11. 2010 - 23:17

Der Propaganda-Propagandist

Edward Bernays legte 1928 den Grundstein der Public Relations. Die Thesen von Sigmund Freuds Neffen polarisieren noch heute.

Edward Bernays ist außerhalb der PR-Szene kaum bekannt. Dabei hat er mit seinen Ideen das 20. Jahrhundert maßgeblich geprägt. Bernays hat Frauen zum Rauchen und AmerikanerInnen zum Speck-Frühstücken gebracht. Er hat nicht nur den Begriff Public Relations erfunden, sondern sie auch zu der modernen Wunsch- und Meinungsmaschine gemacht, die sie heute ist.

Buchcover von Edward Bernays Propaganda

orange press

"Propaganda", übersetzt von Patrick Schnur ist bei orange press erschienen

In seinem Buch "Propaganda", das erstmals 1928 veröffentlicht und jetzt neu aufgelegt wurde, beschreibt Bernays, wie moderne PR funktioniert. Die Offenheit, mit der er dabei ans Werk geht ist schockierend. Gleich mit den ersten Zeilen wirft Bernays seinen LeserInnen Brocken hin, die schwer zu schlucken sind, weil sie allen Vorstellungen der freien und mündigen StaatsbürgerInnen widersprechen:

"Die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Organisationen, die im Verborgenen arbeiten, lenken die gesellschaftlichen Abläufe. Sie sind die eigentlichen Regierungen in diesem Land."

Manipulation und Demokratie hören wir nicht gerne in einem Atemzug, doch Bernays kennt hier keine Hemmungen. Er schreibt aus der Perspektive eines Manipulators, wenn nicht des größten Manipulators, wenn man seiner Selbstdarstellung glauben kann. Die Beeinflussung der öffentlichen Meinung betrachtet er als Grundfeste der Demokratie. Jeder hätte das Recht, andere von seinen Ansichten zu überzeugen.

Propaganda ist unerlässlich

Personen, deren Namen wir noch nie gehört haben, beeinflussten unsere Meinungen, unseren Geschmack und unsere Gedanken. Und das sei nicht nur nicht falsch, sondern gerade unumgänglich in einer demokratischen Gesellschaft, denn nur durch die Organisierung und Fokussierung unserer Gedanken, die Reduktion von Komplexität, könnten wir so reibungslos zusammenleben. Mit der Demokratie und der freien Marktwirtschaft hätten wir uns außerdem mit diesen Steuerungsprozessen einverstanden erklärt.

Edward Bernays in schwarzweiß mit einem Anzug und Schnauzbart

public domain

Edward Bernays in den frühen 1920ern.

Edward Bernays ist ganz einem Elitendenken verhaftet. Dem Volk spricht er geradliniges Denken ab. Er träumt von guten und rationalen Diktatoren, von Führern, die ihr Volk begeistern und dem sie ihre Politik schmackhaft machen können. Wie das funktioniert hat Bernays während des Ersten Weltkriegs als Mitglied der Creel Commission erfahren, wo er den AmerikanerInnen die Teilnahme am Weltkrieg verkauft hat.

Seine Erfahrungen aus dem Krieg nimmt Bernays nach 1918 in die Friedenszeit mit. Dort setzt er seine Propaganda für die Wirtschaft ein. Um erfolgreich zu sein kombiniert Bernays Erkenntnisse aus der Massenpsychologie mit Versatzstücken aus der Tiefenpsychologie seines Onkels Sigmund Freud. Er erkennt, dass eine Ware oft gekauft wird, weil sie als Symbol für etwas anderes steht. "Menschen sind oft von Beweggründen getrieben, die sie vor sich selbst verbergen." Er appelliert nicht mehr an das Rationale, wie die Werbung bis dahin, sondern an das Unbewusste. Bernays analysiert, was die KonsumentInnen in ihrem Innersten wollen und ruft diese Wünsche ab.

"Bitte verkauf mir ein Klavier"

Edward Bernays versucht immer, bei den KonsumentInnen den Wunsch nach einem Produkt zu erzeugen. Als etwa ein Klavierproduzent mehr Klaviere absetzen wollte, bewarb Bernays nicht etwa das Produkt selber, sondern überzeugte Star-ArchitektInnen davon, in ihre Entwürfe Musikzimmer einzuplanen. Andere ArchitektInnen ließen sich von diesen Entwürfen inspirieren und die KundInnen mit den neuen Musikzimmern verlangten dann Klaviere, um diese zu füllen.

Bernays gelang so eine Umkrempelung des Konsummarktes. Die Leute kauften nicht mehr das Notwendige, sondern das Wünschenswerte. Und die PR-BeraterInnen schaffen aktiv die Nachfrage für das Angebot, unter anderem indem sie die Lebensgewohnheiten der Menschen ändern.

Interessant an Bernays Buch ist, dass er eine ethische Haltung für PR einfordert. PR-BeraterInnen würden nur der guten Sache, der Wahrheit und dem öffentlichen Interesse dienen. Wenn man sich Bernays Karriere ansieht, muss man allerdings erkennen, dass er sich die Wahrheit oft von seinen KundInnen hat diktieren lassen: Vor allem der politische Umsturz in Guatemala, den er in den USA akzeptabel gemacht hat, dem mittelamerikanischen Staat aber einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg gebracht hat, lassen an seiner ethischen Grundhaltung zweifeln.

Bernays hat mit der modernen PR ein mächtiges Instrument zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung geschaffen, aber wie er selbst sagt: „Gegen ihren Missbrauch gibt es keine absolute Garantie.“

Im Sigmund-Freud-Museum findet am 30.11. eine Podiumsdiskussion zu Edward Bernays "Propaganda" statt.

Im Nachwort von Mark Crispin Miller heißt es: „Propaganda ist keine erschöpfende Behandlung des Themas Propaganda, sondern Propaganda in eigener Sache. Es ist ein glänzendes Plädoyer für die Propaganda-Arbeit und ihre positiven Einflüsse auf die Massengesellschaft: eine ausgedehnte Werbung für Public Relations.“

Edward Bernays "Propaganda" ist ein unheimlich spannendes Zeitdokument. Heute sind die Methoden der PR wohl noch ausgefeilter, nur spricht niemand mehr so offen und selbstverliebt darüber wie Bernays.