Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Rechte Wiederkäuer"

Klaus Brunner Mittelamerika

Palmen, Pathos, Politik

16. 10. 2010 - 13:15

Rechte Wiederkäuer

In Salzburg tauchen in letzter Zeit an Hausmauern und Unterführungen immer mehr Parolen wie "Südtirol ist nicht Italien" oder "Ein Tirol" auf.

Geschichte Südtirols in Stichworten:

  • 1919 im Friedensvertrag von Versailles Italien zugesprochen
  • Machtübernahme Mussolinis in Italien 1922, Italianisierung in Südtirol
  • 1939 bis 1943: Option
  • Ab 1957 Attentate und terroristische Aktionen, "Bumser"
  • 1972 Paket: Südtirol bzw die Provinz Bozen erhält weitgehende Autonomierechte
  • 1992 Das Paket ist vollständig umgesetzt

von Klaus Brunner
Die Sprüche an den Hausmauern in Salzburg zeigen, dass das Thema Südtirol in rechten Kreisen wieder im Kommen ist, auch wenn Südtirol schon seit 1919 Teil Italiens ist und die Zeit der Attentate und terroristischen Aktionen schon lange vorbei ist. Aber was hat diese wiederaufgeflammte Diskussion mit Salzburg zu tun?

eine ruine an einer straße, auf in riesigen lettern "ein tirol" gesprüht ist

Klaus Brunner

Die Süd-Tiroler Freiheit hat bei den Wahlen zum Südtiroler Landtag 2008 4,9% erhalten, ist mit zwei Sitzen vertreten. Die größte Partei in Südtirol ist die SVP, die Südtiroler Volkspartei, die 48,1% der Stimmen bekommen hat.

So einiges, wenn es nach Sven Knoll geht, der für die rechte Partei "Süd-Tiroler Freiheit, Freies Bündnis für Tirol" im Südtiroler Landtag sitzt: "Wir haben festgestellt, dass das Thema Südtirol in Österreich fast keine Rolle mehr gespielt hat und das ist bedenklich, weil die Republik Österreich die Schutzmacht für Südtirol hat".

Knoll behauptet, 95 Prozent der Südtiroler würden sich nicht als Italiener fühlen und Südtirol müsse "weg von Rom". Die weitgehenden Autonomierechte der Provinz Südtirol und das grenzenlose Europa sind für ihn keine Argumente zur Beibehaltung des Status Quo. Deshalb organisiert seine Partei Infostände, auch in Wien oder Salzburg, und verschickt Aufkleber, Poster und T-Shirts. Die Sprüche an den Hausmauern in Salzburg sind zum Teil ident mit den Parolen der Partei. "Wer die Aufkleber bestellt und wo sie angebracht werden, das haben wir freilich nicht in der Hand", gibt sich Sven Knoll unschuldig. Überhaupt wolle man die breite Bevölkerung in Österreich ansprechen.

"Zündeln" nennt Rechtsextremismus-Experte Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, DÖW, das. Das Agitationsmaterial werde besonders vom Lager der national-konservativen Burschenschaften bestellt und im öffentlichen Raum verteilt. Außerdem sei das alte Thema wieder in der Neonazi-Szene angekommen, sagt Peham.

"süd-tirol zu österreich"-kleber in der innenstadt von salzburg

Klaus Brunner

Die Autonomie Südtirols wollen Nationalisten hüben wie drüben des Brenners aktuell gefährdet sehen. "Der politische Rechtsruck in Italien hat bewirkt, dass sich die österreichische Rechte wieder stärker dem Thema Südtirol zuwendet", sagt Andreas Peham vom DÖW. "Verfolgte Deutsche, das geht natürlich immer gut rein! Aber es macht uns Sorgen, dass diese Töne immer schriller werden."

Nicht zuletzt waren es auch Verwerfungen innerhalb der FPÖ, die dem Südtirol-Aktivismus neuen Zündstoff gegeben haben: "Es gibt zwei Dinge für Rechtsextreme, die man nicht tun kann: Das Eine ist die Oder-Neiße-Grenze anzuerkennen, und das Andere ist die Rechtmäßigkeit der 'italienischen Besatzung Südtirols' zu akzeptieren."

Diesen "Tabubruch" hat Andreas Mölzer, 2007 Abgeordneter der FPÖ im Europaparlament begangen, als er gemeinsam mit den italienischen Neofaschisten unter Alessandra Mussolini und anderen rechten Parteien eine gemeinsame Fraktion im EU-Parlament gründete. Kritik dafür erntete er auch von seiner eigenen Partei. "Die Sprache ist immer radikaler geworden, bis hin zu Martin Grafs (Dritter Nationinalratspräsident, FPÖ, Anm.) Forderung nach Selbstbestimmung für die Südtiroler" erläutert Andreas Peham die Hintergründe des zunehmenden Südtirol-Aktivismus.

Viele in Salzburg lebende Südtirolerinnen und Südtiroler ärgern sich über die Sprühereien und Aufkleber: "Mich sprechen oft Leute an, ob ich auch zu dieser Partei gehöre, die die ganze Stadt verschandelt. Und unlängst haben zwei Mädchen darüber diskutiert, ob Südtirol jetzt zu Italien gehört oder nicht, weil sie die Sticker im O-Bus gesehen haben", erzählt eine Südtiroler Studentin. Und ein Südtiroler Student meint: "Wer diese Schiene fährt, ist in meinen Augen einfach ein Trottel! Uns geht es als autonome Provinz in Italien dermaßen gut. Wir wachsen mit zwei Sprachen und Kulturen auf und wir sind die zehntreichste Region in Europa, das liegt zu einem großen Teil am Autonomiestatut."