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Pia Reiser

Filmflimmern

26. 9. 2010 - 17:40

Of Mice and Men

"Dinner for Schmucks": Paul Rudd und Steve Carell versauern in einem weichgespülten Remake, dafür gibts Jermaine Clement in Beelzebub-Panier zu bewundern.

Komödie und Thriller nähren sich, seit Filme gemacht werden, gerne aus dem gleichen Rezept: Zerstörung des Gewohnten, des als "normal" Angenommenen. Eine Dekonstruktion von angenehm gewordenen Abläufen, geschaffenen Sicherheiten. Das Hereinbrechen von Chaos, das einem den Boden unter den Füßen wegreißt. In Thrillern ist dann nichts mehr, wie es scheint. In Komödien ist nichts mehr, wie es vorher war. Katharsis ist beiden Fällen oberste Filmemacherpflicht.

1998 war Francis Vebers Filmadaption des Bühnenstücks "Dinner für Spinner" ein großer Erfolg in Frankreich; darin lädt eine Gruppe von Schnöseln einmal im Monat zum Dinner und statt einer Flasche Wein bringt man einen Spinner mit. Bevor es im Film aber überhaupt zu diesem Essen kommt, wird das Leben von Pierre von seinem Spinner zerlegt, bevor angerichtet wird, bricht Francois, jüngstes-Gericht-like in sein Leben und Pierre muss bitter bezahlen für Steuerhinterzieherei, Ehebrecherei und Arschloch-Sein im allegmeinen. "Le Diner pour les cons" hatte eine Freude daran, dem Mitleid mit der Schadenfreude ordentlich in den Hintern zu treten.

Remake, remodel

US-Remakes von französischen Filmen bekommen meist die gleiche Behandlung: Glansspülung, weiche Wellen und Spitzenschneiden. Und eine Soft-Tönung hintennach. Selbst im Jahr 2010, Judd Apatow hat das amerikanische Komödienkino erfolgreich revolutioniert, das Genre neu positioniert und aus einer weichspülenden Möbiusschleife gerettet, hat sich daran nichts geändert.

Szenenbild aus "Dinner for Schmucks"

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Jay Roachs "Dinner for Schmucks" ist eine milde Neuinterpretation des französischen Originals. Des Universums liebster Schwiegersohn, der sehr suprige Paul Rudd, spielt Tim, Investmentexperte, gierig auf die im amerikanischen Film so essentiell als McGuffin herhaltende promotion. Und tatsächlich scheint es so, als wäre auf der nächsten Sprosse der Erfolgsleiter schon sein Name eingraviert. Sein Chef und ein paar andere vom Kapitalismus zu seelenlosen Fratzen gewordene Kollegen veranstalten regelmäßig oben erwähnte Dinner. Und Tim ist eingeladen.

Szenenbild aus "Dinner for Schmucks"

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Paul Rudd ist durch sein Aussehen, seine Austrahlung und seine Rollenbiografie mit einer weißen Weste ausgestattet, die Zwangsjackenpotential hat. Während er in seinen früheren Nebenrollen durchaus sehr extrovertierte Charaktere spielte, scheint sich jetzt das Rollenkorsett des Durchschnittsmannes bei ihm festzuzurren. In "Dinner for Schmucks" wird zwar versucht, ihn als Anlageberater, Porschefahrer und Karrieregeilisten zu inszenieren, aber es ist eben immer noch Paul Rudd. Und Paul Rudd als aufstiegsbesessener Anlageberate löst in etwa das gleiche aus, wie wenn einem ein Labradorwelpe einen alten Schlapfen ankaut: Aww!

Mit dem Ruddchen-Schema kämpfend, wartet man also nun ein paar eher lahme Szenen lang ab (wann bitte hört man auf, Kristen Schaal in ewiggleichen Nebenerollen zu besetzen), bis er denn nun endlich seinem Spinner begegnet. Der läuft ihm vor den Porsche, um eine ausgestopfte Maus vor der Zerquetschung durch Autoreifen zu bewahren. Barry (Steve Carell) trägt das Haar im "Dumm und Dümmer"-Reindlschmitt mit Toupetverdacht, täglich einen lavendelfarbenen Anorak, sein Herz auf der Zunge und meistens ausgestopfte Mäuse mit sich rum. Für die näht er kleine Kostüme und fertigt Dioramen an, bei denen Wes Anderson sicherlich feuchte Augen bekommen würde. Tim deutet die Begegnung mit Barry als Fingerzeig eines interessierten Gottes und lädt ihn zum Dinner ein. Und hat noch keine Ahnung, dass er in Barry seinem Katharsis-Katalysator getroffen hat.

Szenenbild aus "Dinner for Schmucks"

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Carell does well

Von nun an bricht Barry also in guter, alter Karli Katastrophski Manier in Tims Leben ein, zerstört Mobiliar und Beziehung und sägt an den Erfolgsleiter-Sprossen. Carells Spinner ist ein dysfunktionaler Eigenbrötler - aber mit Anbindung an die "echte Welt", er arbeitet bei IRS und hat eine Ehe hinter sich. Irgendwo zwischen Naivität und Weltfremdheit, zwischen sozialer Störung und Infantilität siedelt Carell Barry an und zeigt erneut, was man eh schon weiß, dass er ein großartiger Schauspieler ist, der von der over-the-top Blödelei bis zur Jack Lemmon artigen Reduziertheit alles kann.

Szenenbild aus "Dinner for Schmucks"

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Apropos alles können: Jemaine Clement, eine Hälfte vom begnadeten Duo "Flight of the Conchords", die zweitausendsassa-artig Songs aus jedem Genre aus dem Ärmel schütteln und deren "I'm not crying" ich nicht und nicht überdrüssig werde, verleiht in einer Nebenrolle dem Film Glanzmomente. Als Künstler Kieran - ein Hansel /Russell Brand-Kombinat - verbreitet er Weisheiten über Sex, Ziegen und Zebrageburtsstunden und stackst mit einem grandiosen Teufelskostüm durchs Bild. David Walliams, die bessere Hälfte von "Little Britain" ist ebenfalls mit dabei, darf aber sein Potential nicht wirklich ausspielen. Zack Galifianakis hat den Vorteil/Fluch, das sich bei jedem, der The Hangover gesehen hat, wohl bei seinem Anblick zumindest Grinse-Impulse ausbreiten, so auch in "Dinner for Schmucks", auch wenn seine Figur den zu Längen neigenden Film nochmal fünfzehn Minuten kostet. Um die Theaterhaftigkeit des Originals loszuwerden, fährt Roach eine Armada an Schauplätzen auf, eine mehr crazy als die andere, das kostet natürlich auch Zeit.

Jemaine Clement im Teufelskostüm

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Hell is so hot right now

Das, was "Dinner for Schmucks" endgültig Bein stellt ist, dass der Film sich für keine Tonart, seinen Witz betreffend, einigen kann. Will er in manchen Momenten eindeutig auch ein Stück vom Apatow-Kuchen, kippt er in einigen Szenen in Richtung Farrelly-Brüder, um dann wieder den zahnlosen Witz einer rom com anzuschlagen. Beim Dinner-Showdown schließlich ruft jeder Witz schon zehn Minuten vorher an, dass er gleich da ist und dass die Wirtschaftshaie, die Börsen-Scrooges und Finanz-Grinches - noch unzermantscht von der Krise die wahren Spinner sind, dazu bräuchte man jetzt auch nicht noch eine extra Lektion. (Überhaupt: Ich bin so müde der bösen Firmenbosse, dass ich mich auf "Wall Street 2" freue. Ein geläuterter Gordon Gecko? Yippieh yeah.)

"Dinner for Schmucks" läuft bereits in den österreichischen Kinos

Slapstick

So wie Barry in Tims Leben, bricht auch immer wieder - mies getimed - der olle Affe Slapstick in den Film ein, Paul Rudd muss sich durch Körperkomik-Momente quälen und seine Stalkerin (Lucy Punch) ist reine Karikatur, ihr übertriebenes Spiel wird zur Qual und Nervenprobe, in vielen Szenen häufen sich Missverständnisse, verursachen Handlungsfäden-Karambolagen, die so aufgesetzt sind, dass der Film unter ihnen zusammenkracht. Aber, himmelherrgott, sind diese Maus-Dioramen entzückend.