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David Pfister

Rasierklingen, Schokolade, Zentralnervensystem, Ananas, Narzissmus und Ausgehen.

23. 9. 2010 - 11:26

Until the light takes us

Der Doku-Film der amerikanischen Regisseure Aaron Aites und Audrey Ewell über den Ursprung des norwegischen Black Metals kommt in die österreichischen Kinos.

Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre formierte sich in Norwegen ein Musikstil, der in seiner Konsequenz Underground und Mainstream gleichermaßen schockierte und bis heute in seiner Radikalität ein Novum darstellt.Black Metal.

A blaze in the northern sky

Darkthrone

Die Protagonisten dieser neuen Musik befreiten feisten Thrash und Speed Metal von seiner verkopften musikalischen Virtuosität und setzten primär auf monotone Gitarrenriff-Mantras. Das Schlagzeug darf nur Blastbeats spielen. Der Gesang pendelt zwischen hysterischem Gekreische und gutturaler Kehlenakrobatik. Diese musikalische Radikalisierung von Metal zahlte sich bizarrerweise sogar ökonomisch aus. Black Metal vermag es in seiner simplen Form oft leichter zu stimulieren als viele andere, oft barock anmutende, Metalspielarten. Deshalb war Black Metal bizarrerweise immer kommerzieller, weil einfacher zu konsumieren.

Black Metal war musikalisch für den Heavy Metal wie Punk für den Rock 'n' Roll. Ein aggressiver Vitaminstoß. Aber was dieses Genre zu einem popkulturellen Flächenbrand machte, war das radikal-glamouröse Image der neuen wilden Horde. Ikonografierte Misanthropie. Nun kannte man das auch schon vor 1990 im Popmusikzirkus, aber Black Metal kannte keinen Spaß, keine Party, keine Kompromisse.

Until The Light Takes Us

Aaron Aites & Audrey Ewell

Bands wie Burzum, Mayhem oder Darkthrone erarbeiteten sich mit Eifer einen übel beleumundeten Ruf. Die darstellende Gewalt wurde Realität. Das Spielen mit faschistischer Ästhetik ging weit über Provokationen hinaus. Anfang der Neunziger brannten in Norwegen Kirchen, brachten sich rivalisierende Musiker gegenseitig um, gab es landesweit eine Flut von Grabschändungen und eine breite Masse musste stöhnend erkennen, dass die martialischen Posen vom pubertären Schabernack zu bitterer Realität wurden.

1993 landet Varg Vikernes von Burzum wegen Mord an Øystein „Euronymous“ Aarseth von Mayhem und mehreren Kirchenbrandstiftungen im Gefängnis.

A blaze in the northern sky

Für die Doku "Until The Light Takes Us" über den Ursprung des norwegischen Black Metal zogen die amerikanischen Regisseure Aaron Aites und Audrey Ewell einige Jahre nach Norwegen und begleiteten ehemalige Feldherren der Szene durch ihren Alltag. Und der sieht je nach Typus völlig unterschiedlich aus. Manche sind im moderne Kunsthimmel gelandet, manche eben im Gefängnis, manche sind in ihrer Metalbude geblieben.

Varg Vikernes

Audrey Ewell & Aaron Aites

Der Film fokussiert auf Gylve "Fenriz" Nagell von Darkthrone und Varg "Count Grishnackh" Vikernes von Burzum. Beides blitzgescheite Burschen und so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Nur der narzisstische Nihilismus scheint auf ewig Fugenmasse bei dieser Generation norwegischer Männer zu bleiben.

Die Dokumentation verzichtet auf Kommentare, nur die Protagonisten kommen zu Wort. Ohne Kritik, ohne Erklärungen. Das ist bei dieser Thematik natürlich nicht unproblematisch, aber dann doch die beste Taktik um einerseits die Tiefe dieser Gegenkultur zu porträtieren und andererseits auch den törichten Zorn ewiger Teenager zu entlarven. Wenn Varg Vikernes sich in endloser Ariosophie- Theorie verliert und noch immer Wut auf das Christentum hat, langweilt das recht bald. Wenn Gylve von Darkthrone vom neuen Techno-Mixtape von Monika Kruse schwärmt, ist das putzig.

Until The Light Takes Us

Audrey Ewell & Aaron Aites

Leider muss sich der Film aufgrund der enormen Komplexität des Themas sehr einschränken. Höchst spannend wäre es zum Beispiel gewesen den ehemaligen Gorgoroth-Sänger Gaahl, im Interview zu hören. Der hat sich vor einigen Jahren als homosexuell geoutet und hätte Varg Vikernes verbal wohl einiges um die Ohren schleudern können.

Until The Light Takes Us ist ein Film für das Kunstgaleriepublikum, immer auf der Suche nach neuen ästhetischen Kicks. Nun ist diese Perspektive zwar nicht die sympathischste, aber eine gut sitzende, um dem Phänomen Black Metal näher zu kommen und vor allem auch um seine oft ignorierten kreativen Aspekte ans Licht zu zerren. Interesseant beispielsweise, wie sich der Black Metal in der Tradition von Edvard Munch selbst wahrnimmt.

"Until The Light Takes Us" von Aaron Aites und Audrey Ewell ist vom 24. – 30. September täglich im Schikaneder Kino Wien zu sehen. Am 15. November wird der Film auf DVD veröffentlicht.