Erstellt am: 19. 7. 2010 - 11:40 Uhr
On The Rocks: Zwei Festival-Tage im Salzburger Land
Die Marktgemeine Golling, südlich von Salzburg. Nie hatte ich ihren Boden betreten, auch wenn ich mich an unzählige Male des Vorbeifahrens auf der Autobahn erinnere. Raststätte Golling, ein letztes Mal anhalten bevor es über den großen Berg geht. So habe ich es jedenfalls in meinen Kindheitserinnerungen. Über den "großen Berg", den Pass Lueg, muss ich diesmal nicht drüber, das On The Rocks findet am Fuß des Berges statt. Die Felsen üben auf mich Städterin/Flach- und Hügelländerin noch immer die Faszination von damals aus. Ein Blick hinauf, an die steilen Wände mit den Bäumen, wo einst Wildschütz und Jäger aufeinandertrafen, im Streit um eine Gämse. Wo es immer wieder zum Showdown gekommen ist zwischen dem, der das Recht auf seiner Seite und der, der es nicht hatte. Oft besungen im Volkslied, stirbt der Outlaw den Tod durch die Büchse des Waidmanns.
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On the Rocks
Dass in den Liedern der Wildschütz beweint wird und nicht dem Jäger auf die Schulter geklopft, das gefiel mir, als ich mich mal fragte, worum es in diesen Liedern eigentlich geht. Mein Großvater war auch Jäger, erzählt Josef, genannt Pepi, vom Veranstaltungs-Team des On The Rocks, und so reden wir über eine Zeit als Fleisch nicht allen zugänglich war, der Hunger aber groß und die Gams im steilen Berggelände eine Möglichkeit schien. Eigentlich studiert Pepi ja Maschinenbau in Graz, das On The Rocks ist aber Ehrensache für den Gollinger und seine Team-KollegInnen. Was heißt hier KollegInnen - FreundInnen vielmehr. Was unter dem doch etwas biederen Namen Rock Am See - an einem kleinen See in der Nähe gelegen - vor sechs Jahren begann, ist nun zu einem richtigen Festival angewachsen, bei dem sich großer Idealismus und ebenso große Professionalität angenehm die Waage halten.
Love on the Rocks & A Mermaid sitting on the Rocks
Was alles kann on the rocks sein? Eine Liebe, in der es nicht mehr so richtig stimmt: A love on the rocks. Whisky mit Eiswürfeln: Whisky on the rocks. "A career on the rocks", fügt die Band of Skulls hinzu. "If we fuck up tonight, our career could be on the rocks", schmunzelt Russell Marsden am ersten Festival-Tag. "Mermaids sit on the rocks", fügt Bassistin/Sängerin Emma Richardson hinzu. In der Salzach, gleich in der Nähe des Geländes, seh ich zwar keine Meer- bzw Flussjungfrau auf einem Stein sitzen, aber der romantische Gedanke gefällt mir, ist es am Gelände selbst ja nicht wirklich romantisch: wir befinden uns schließlich auch in einem - aktiven - Steinbruch. Deshalb auch der Festival-Name: On The Rocks. Genau diese Atmosphäre, sie macht das On The Rocks aus, sagt Margret, Sängerin und Gitarristin der Salzburger Band I´m Shot, I´m Shot. Da ist etwas Urgewaltiges. Wenn der Regen über den Bergen hängt, wenn man hinaufblickt, man kann es nicht beschreiben, sagt Margret.

On the Rocks
Der Regen, ja, der Regen, ich wünsch ihn mir fast an diesem ersten und extrem heißen Festival-Tag. Neben einigen heimischen Bands, vor allem, aber nicht ausschließlich, aus Salzburg, betreten die Headliner Band Of Skulls die Bühne, die sich in einem Zelt befindet. Es ist ein großes, geräumiges Zelt und erinnert mich an meine allerersten Festivals in Großbritannien in den 90er Jahren. Da gab es neben der großen Open-Air-Bühne stets ein, zwei oder gar drei Zelte, in denen meist die interessantesten Bands spielten und man sich so schön darin niedersetzen und an die Zeltwand lehnen oder gar ein kleines Nickerchen halten konnte, zwischen den Auftritten der einzelnen Bands. Da konnte man aber natürlich mit britischen Temperaturen rechnen. Bei der großen Hitze wurde es am On The Rocks im Zelt dann leider ordentlich heiß. Mich persönlich hat es nicht wirklich gestört, aber so mancher Mensch wäre von draußen noch reingekommen, wäre es nicht so heiß gewesen, und hätte sich etwa Ben Martin angesehen. Der St. Pöltner, ein hervorragender Musiker, war diesmal als The Black Riders unterwegs. Ben und Drummer sind die Black Riders. Toll.
Danach sind Hello Electric dran. Ein bärtiges und bemütztes Trio aus Portland, Oregon. Wo Portland drauf steht, sollte man überhaupt eigentlich immer reinsehen, denn da könnte etwas musikalisch Interessantes drinnen sein. Ist es auch in diesem Fall: Hello Electric werden angeführt vom Songschreiber und Multiinstrumentalisten Kirk Ohnstad, der eben sein Physik-Studium abgeschlossen und dazu auch noch das erste richtige Album von Hello Electric eingespielt hat: "Skychief" wurde in Seattle aufgenommen, zusammen mit John B.Gourley von Portugal.The Man, mit denen Ohnstad auch schon auf Tour war. Gourley sah schon künstlerisches Potential in der vorherigen Band von Kirk Ohnstad, Shepherds Of Ontario.

On the Rocks
Die ersten Versuche als Hello Electric unternahm Kirk in seinem Studentenzimmer in Eugene, Oregon wo er Musik einspielte. "The Bear King" ist einerseits post-rock-ig - na klar, ich hab ja auch Physik und Mathematik studiert, meint Kirk Ohnstad - andererseits ein wenig an Wolfmother erinnernd. Alles geht von den Drums aus, man wechselt sich an den Instrumenten ab, Kirk schreit und heult und presst sogar fast diesen Kurt Cobain spezifischen Schrei raus.
Portland, Oregon meets Southampton, UK
"I know my place, but it don´t know me", heisst es dann später bei der Band Of Skulls aus dem südenglischen Southampton. Jetzt ist der Funken so richtig da, obwohl noch mehr Leute im Zelt sein könnten. Die Gitarre lebt. Und wie sie lebt. Sänger/Gitarrist Russell Marsden ist ein Pretty-Boy-Rocker von Robert Plant-scher Sexiness. Drummer Matt Hayward erinnert mich eine Sekunde an den jungen Soundgarden-Gitarristen Kim Thayil. Oder sind es bloß der Bart, die großen dunklen Augen und sein Holzfällerhemd?

On the Rocks
Letzteres war heute ausgetauscht gegen ein schwarzes T-Shirt. Und da ist noch Emma Richardson, akademisch geprüfte Malerin und bei der Band Of Skulls Bassistin und Sängerin. Russell und Emma als Sänger, abwechselnd oder zusammen, funktioniert wirklich gut: "Cold Fame", das herrlich schimmernde "Impossible", das Radiohead-ige "Fires", die Hits "I Know What I Am" und "Death By Diamonds And Pearls".

On the Rocks
So muss neuer Brit-Rock klingen, und "Blood", gesungen von Emma Richardson ist sowieso ein Favourite von mir. Das wunderschöne, folkige und ebenfalls von Emma gesungene "Honest" bleibt diesmal draußen, es würde den tollen Rock-Gig-Vibe, der herrscht, zu sehr runterholen. Emma Richardson - Britgirl meets Amazone - ist eine wirklich gute Frau-am-Bass-Frontwoman-Ergänzung zum Frontmann Russell Marsden. Melissa auf der Maur move over.
On The Rocks - Tag Zwei

On the Rocks
Der Regen ist da. Thank God, sag ich und blicke den Berg hinauf, erinnere mich, was Margret von I´m Shot, Im Shot sagte. Jetzt ist die Entscheidung der On The Rocks VeranstalterInnen, ein Zelt aufzustellen, also doch die richtige gewesen. Wieder sind einige heimische Bands zuerst dran. Bilderbuch aus dem oberösterreichischen Kremsmünster, inzwischen nach Wien übersiedelt, sind den FM4-HörerInnen vielleicht bekannt: "Calypso" auf der FM4-Soundselection mit der Nummer 21 letzten Herbst. Man arbeitet an einem kompletten Album, sagt Sänger Maurice. Gut war das Konzert. Die Band-Augen strahlen. Schließlich ist es eine Ehre, wie Maurice von Bilderbuch sagt, vor Bands wie Antennas oder den Hidden Cameras zu spielen.
Next up: Antennas. Drei sharpe Schweden, die live zum Quintett anwachsen. "Feeling Feline Tonight" heißt ihr neues Album. Man habe sich aber mehr "canine" gefühlt beim Konzert, und weniger "feline", sagt die Band. Hundeartig also statt katzenartig. Das Schwitzen, trotz Regenabkühlung: you feel more like a dog than a cat.

On the Rocks
Kirk Ohnstad von Hello Electric ist auch noch da, genießt die Zeit am Gelände, und Bilderbuch versuchen zu erklären, warum es heißt "It´s raining cats and dogs". Meine Gedanken sind aber schon woanders. Sorry, boys!
The Man with the Furrowed Brow

On the Rocks
Endlich auch für mich ein Konzert der Hidden Cameras, wo ich die Band ewig nimmer live gesehen und ihre letzten Konzerte in Österreich komplett verpasst habe. Queer-Pop-Superstar Joel Gibb und sein Kollektiv aus Toronto, Kanada. Zehn Jahre sind The Hidden Cameras nun schon aktiv. Sie waren eine der ersten der Musikwelle, die inzwischen aus Kanada gekommen ist. Ja, sagt Joel Gibb, ich spüre die Jahre schon ein wenig. Ach was, vielleicht ist es auch nur die deutsche Sprache, der Joel Gibb, der in Berlin lebt, Herr werden möchte, die ihm aber immer wieder ein Bein stellt. Dabei kommt auch Großes raus: Joel Gibb als unbeabsichtigt waschechter Salzburger, wenn er sagt: "Der viele Regen in die Berg. I like tents."

On the Rocks
Das Zelt ist ein richtiges Zirkuszelt, wenn auch ohne obligatorische Zirkus-Bemalung. Wer Connections hat, hat eben Connections, zu Zirkuszelt-Firmen. Eva vom On The Rocks-Team hat sozusagen dieses Zelt angekarrt, und wer würde besser reinpassen als The Hidden Cameras. "Yes, we are a circus in a way", sagt ein genauso entzückter wie entzückender Joel Gibb nach dem Konzert, während sich sein Tänzer das schwarze Klebeband vom nackten Körper zieht. We are a circus - auch wenn diesmal "nur" acht Leute on stage waren bei den Hidden Cameras, samt einem den Fiddler-on-the-Roof, pardon, Fiddler-in-the-Crowd gebenden Violinisten.

On the Rocks

On the Rocks

On the Rocks
Good time music with a furrowed brow. Kommt wieder, ihr Hidden Cameras! Und ich komme auch wieder - nächsten Sommer zum On The Rocks bei Golling im Salzburger Land.
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On the Rocks